Am 7. Oktober 1571 errangen die Spanier in der Schlacht von Lepanto einen glorreichen Sieg über die osmanische Flotte. Eigentlich, so möchte man meinen, lag der Schauplatz dieser Schlacht zu weit entfernt, um Einfluß zu nehmen auf den Niederländischen Krieg, der seit 1568 in den spanischen Provinzen schwelte. Und doch war es so: Durch den Sieg über die Türken, konnten es sich die Spanier erlauben, Soldaten aus dem Mittelmeerraum abzuziehen und gegen die aufständischen Niederländer ins Feld zu führen. Der Generalstatthalter der Niederlande, der seit Schillers Dramen berüchtigte Herzog von Alba, konnte auf Verstärkung zählen und brauchte sein Vorgehen nicht mehr nach diplomatischen Gesichtspunkten auszurichten. Er griff gnadenlos durch und verbitterte damit eine ganze Reihe von Städten, die bislang eigentlich Spanien freundlich gesinnt waren.
Karte der Gebiete Holland und Zeeland, die Wilhelm von Oranien schnell für sich gewinnen konnte.
So fand Wilhelm von Oranien bei seinem zweiten Einmarsch in die Niederlande zu Beginn des Jahres 1572 ein für seine Pläne geeignetes Klima vor. Die meisten Städte in Holland und Zeeland traten auf seine Seite über, darunter auch die stolze Stadt Leyden.
Wilhelm von Oranien.
Leyden, das römische Lugdunum Batavorum, gehörte zu den bedeutenden Städten Hollands. Bis zum Jahr 1420 residierte hier ein Burggraf. Seitdem hatte sich Leyden zu einer selbstbewußten Handelsstadt entwickelt, deren Bürger dem Protestantismus und dem Kalvinismus aufgeschlossen waren. Sie unterstützten begeistert Wilhelm von Oranien, der sich aber schon im August 1572 wieder aus den Niederlanden zurückziehen mußte. Zurückblieben die Städte, die sich so vorschnell gegen Spanien ausgesprochen hatten. Sie mußten schwer dafür büßen. Die spanischen Soldaten eroberten eine nach der anderen für ihren König zurück. Besonders schlimm traf es Mechelen und Zutphen, die sich freiwillig ergeben hatten, aber genauso geplündert und gebrandschatzt wurden, als seien sie nach einer langen Belagerung an die Spanier gefallen.
Bei einer Eroberung hätte auf Leyden ein ähnliches Schicksal gewartet wie auf Oudenarde, das im Jahr 1582 nach einer langen Belagerung erobert wurde.
Dieses Beispiel lehrte die anderen, mit Wilhelm verbündeten Städte, daß eine Kapitulation nichts nützte. Da war es schon besser, das eigene Leben möglichst teuer zu verkaufen. Haarlem wurde zu einem leuchtenden Beispiel für alle Patrioten. Zwar mußte die Stadt sich letztendlich ergeben, aber ihre Belagerung hatte so viele Spanier das Leben gekostet, daß Haarlem fortan nur „der Friedhof der Spanier“ genannt wurde.
All diese Beispiele hatte Leyden vor Augen, als es am 21. August 1573 von den Spaniern abgeriegelt wurde. Keine Vorräte kamen in die Stadt, niemand konnte die Stadt verlassen. Bald herrschte grausamer Hunger. Um dennoch die Kontrolle über das Zusammenleben innerhalb der Stadt nicht zu verlieren, gab der Stadtrat von Leyden eine ganze Reihe von Edikten heraus, unter anderem etliche Verordnungen, die sich damit beschäftigten, wie man weiterhin für ein geordnetes Wirtschaftsleben sorgen konnte.
Am 12. November 1573 wurde das Hospital von St. Katharina autorisiert, Kupfermünzen zu prägen, die dem Gegenwert von einem 1/4 Stüver entsprachen. Am 19. und am 24. Dezember 1573 entschied der Rat, daß man weitere Münzen benötigte. Da nicht genügend Edelmaterial zur Verfügung stand, sollte Papiergeld im Wert von 1 und 1/4 Gulden ausgegeben werden. Um den Fälschern die Arbeit zu erschweren, wurde dieses Papier mit den Münzstempeln „beprägt“. Doch selbst in einer belagerten Stadt scheint Papiergeld nicht besonders beliebt gewesen zu sein. Deshalb zog man schon am 27. März 1574 das Papiergeld wieder ein und tauschte es gegen Kupfermünzen.
Kurz darauf konnte Leyden aufatmen. Ludwig von Nassau, der Bruder Wilhelms von Oranien hatte mit französischen Subsidien ein Heer angeworben, um die bedrängte Stadt zu entsetzen. Die Spanier gaben tatsächlich ihre Belagerung auf und zogen dem frisch ausgehobenen Heer entgegen und vernichteten die unerfahrenen Söldner am 14. April 1574 bis auf den letzten Mann. Ludwig selbst kam in der Schlacht ums Leben. Leyden hatte durch dieses kurze Zwischenspiel nur eine winzige Atempause gewonnen, die noch dazu von den Stadtvätern nicht dazu genutzt worden war, um frische Vorräte in die Stadt zu bringen.
LEYDEN. Emission vom 10. Juli 1574. Doppeltaler. Stadtwappen in Kartusche, darum NOVLS – GIPAC (Nummus obsidionalis urbis Lugdunensis sub gubernatione illustrissimi principis Auraici = Notmünze der Stadt Leyden unter der Herrschaft des hervorragenden Fürsten von Oranien) / GODT BEHOEDE LEYDEN. Rv. Löwe n. l. gehend, in beiden Pranken Speer, auf dem ein Freiheitshut thront, darum Jahreszahl 15-74; Umschrift HAEC LIBERTATIS ERGO (= Dies folglich wegen der Freiheit). Aus Hess-Divo 300 (2004), 1211.
Es war also alles beim Alten, als die Spanier Leyden wieder einschlossen. Keine neue Nahrung stand zur Verfügung. Der Hunger wütete, die Pest grassierte und die Stadtväter mußten auf das Kirchensilber zurückgreifen, um eine neue Münzemission herauszugeben, zu der die hier abgebildete Münze gehört. Der Wert der Notmünzen lag für einfache Taler bei 28, für halbe Taler bei 14 Stüver. Unser Beispiel wurde auf einem Schrötling im Gewicht eines Doppeltalers mit den Stempeln des Talers geprägt.
Ende September war die Lage so verzweifelt, daß die Stadtväter sich entschlossen, zu einem letzten Mittel zu greifen. Sie durchstachen die Deiche und setzten damit die Umgebung der Stadt unter Wasser. Damit waren die Ländereien zwar für Jahre unfruchtbar geworden, aber die Spanier waren nicht mehr in der Lage, ihre Belagerung aufrecht zu erhalten. Sie mußten abziehen und am 3. Oktober 1574 konnte Leyden die Geusen als Befreier einlassen. Ein Drittel der 18.000 Einwohner war während der Belagerung gestorben. Für den tapferen Widerstand verlieh Wilhelm von Oranien der Stadt den Rang einer Universitätsstadt. Leyden bekam damit 1575 die erste Universität der Niederlande. Und noch heute feiern die Bewohner Leydens jedes Jahr am 3. Oktober ihre Befreiung mit einem riesigen Volksfest.
Für die freundliche Bereitstellung der Kupferstiche und für die Erlaubnis, diese zu reproduzieren, sei der Zentralbibliothek Zürich gedankt. Ein besonderer Dank für seine unermüdliche Hilfe beim Heraussuchen dieser Stiche geht an Herrn lic. phil. Michael Kotrba, Chefbibliothekar der Spezialsammlungen in der Zentralbibliothek.