Die Zürcher und ihr Geld 4: Raubritter in Zürich?

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mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum

In unserer Serie nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. Im Jahr 1371 war der Höhepunkt einer Krise des Adels, der verzweifelt um sein wirtschaftliches und politisches Überleben kämpfte. Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.

Oktober 1371. Konrad Biberli, der während einer Zwangsversteigerung die Vogteien des Eberhard Brun gekauft hat, unterhält sich mit dem Reichsvogt Gottfried Mülner. Gezeichnet von Dani Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.

Mülner: (ein wenig ironisch) Gratuliere. 300 Gulden für vier Vogteien, so billig kommt man nicht leicht zu einer Herrschaft. Hast du wenigstens ein schlechtes Gewissen?

Biberli: Auch wenn du es mir nicht glaubst, das habe ich wirklich. Es ist immer traurig, wenn man vom Ruin eines großen Geschlechts profitiert.

Ja, der Niedergang der Bruns schmerzt.

Ich hab’s kommen sehen. Denk doch dran, was die alles verkaufen mussten in den letzten Jahren.

Ich weiß, 1361 das Gut zu Altstetten, 1362 den Zins der Mühle vor der Stadtmauer, 1362 dann die ganze Mühle.

Und was haben sie dafür bekommen? Nur 189 Gulden!

Sei still, du hast für vier Vogteien noch nicht mal das Doppelte gezahlt.

Es ist schandbar wenig. Der Meyerhof zu Nöschikon hat mehr gebracht!

Ich weiß, 315 Gulden. Mein Gott, jedes Jahr mussten sie ein Stück von ihrem Besitz verkaufen!

Es sind schlimme Zeiten. Seit uns der Habsburger im Stich lässt, tanzen uns die Untertanen auf der Nase herum. Sie verweigern uns die Abgaben! Das ist doch wider göttliches Recht!

Hast du gehört, was kürzlich dem Heinrich von Schönenwerd passiert ist?

Nein.

Ein Bauer hat ihn mit der blanken Faust geschlagen, weil er sich weigerte, ihm den Lohn auszuzahlen, bevor das ganze Feld gemäht war.

Das ist nicht dein Ernst.

Doch.

Da sprechen diese Emporkömmlinge von Recht und Gerechtigkeit! Und meinen tun sie das Recht des Stärkeren!

Du hast so recht. Wie war es denn mit Bruno Brun, diesem ehrbaren Mann, und mit dem edlen Ritter Herdegen Brun.

Das ist wirklich ein trauriges Kapitel. Raubritter hat man sie genannt. Verbannt hat man sie und ihren Besitz eingezogen!

Dabei ist Bruno Brun nur seinem päpstlichen Auftrag nachgekommen, einen Schiedsspruch zu fällen in dieser Angelegenheit zu Luzern.

Das hat doch die Zünfte nicht interessiert. Die haben eine Möglichkeit gesehen, den Eigenleuten unseres österreichischen Herzogs eins auszuwischen. Und zuerst habe ich gedacht, bei Eberhard Brun sei es so ähnlich.

Nein, da konnte ich nicht anders. Es gab zu viele Zeugen dafür, dass er seinen Vetter tatsächlich ermorden ließ.

Ist das nicht furchtbar? Damit hat er den Namen der Bruns auf immer entehrt!

Ja, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bruns noch einmal eine Rolle im Rat der Stadt Zürich spielen werden.

Weißt du, Mülner, manchmal frage ich mich, wie lange wir Edlen noch eine Rolle spielen werden. Vielleicht ergeht es uns allen so wie den Bruns.

Rudolf IV. von Österreich. Um 1360/1365. Statue vom Südpfeiler des Stephansdoms. Foto: KW.

Making of:
Noch vor seinem Tod am 17. September 1360 trat der Adlige Rudolf Brun, Urheber des Ersten Geschworenen Briefs und langjähriger Alleinherrscher in Zürich, in die Dienste des habsburgischen Herzogs Rudolfs IV. Für seinen Dienst, seinen Rat und seine Hilfe erhielt der Bürgermeister von Zürich eine Leibrente in Höhe von 100 Gulden jährlich, dazu ein Pfand auf die Vogtei Glarus in Höhe von 1.000 Gulden, das ihm jährlich 100 Gulden Zins einbringen sollte. Damit ging Rudolf Brun einen Weg, den vor ihm viele Adlige gegangen waren. Er diente zwei Herren. Die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, zwang ihn zu einer Verpflichtung gegenüber dem österreichischen Herzog, der versuchte, seine Herrschaftsrechte in der Nordschweiz zu bündeln. Das Ziel der habsburgischen Politik war es auf weite Sicht, einen juristisch und steuerlich einheitlichen Territorialstaat zu entwickeln. Der andere „Herr“ war die Stadt Zürich, wo Rudolf Brun lebte und wirkte. Ihre Interessen waren denen der Habsburger diametral entgegengesetzt.

Den Zürchern ging es darum, größere Freiheiten zu erwerben. Habsburg und Zürich sollten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Art „Kalten Krieg“ austragen. Diese Auseinandersetzung wurde zum Teil auf dem Rücken von Adligen ausgetragen, die wie Rudolf Brun und seine Nachkommen in der Zwickmühle saßen zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und Treue gegenüber der Wirkungsstätte.

Rudolf Brun hinterließ bei seinem Tod vier Kinder, von denen uns in diesem Zusammenhang zwei interessieren: Der Kleriker Bruno Brun, unter anderem Propst zu Zürich, und sein Bruder Herdegen Brun, Vogt von Thalwil im Auftrag des österreichischen Herzogs. Sie gerieten bereits kurz nach dem Tod des Vaters in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die in unserem Hörspiel erwähnten Verkäufe sind alle urkundlich belegt. Ihre Dienstherren, der Papst und der österreichische Herzog, waren zu weit entfernt, um konkrete Hilfe zu leisten. So sprang der Rat von Zürich ein. Die Staatskasse bürgte 1367 auf Anweisung des Zürcher Rats für die Schulden der beiden Männer. Dies war eine ungewöhnliche Maßnahme. Die Stadt Zürich übernahm damit die Pflichten eines Lehnsherrn, das wirtschaftliche Überleben seiner Lehnsnehmer zu sichern. Damit rettete der Zürcher Rat auf der einen Seite die Reputation der Bruns und verpflichtete die beiden, ihre ausgezeichneten Verbindungen in den Dienst der Stadt zu stellen. Auf der anderen Seite erregte diese Zahlung sicher einiges an Aufsehen in der Bevölkerung. Vielleicht war das Darlehen der eigentliche Grund, dass die „Bürgerschaft Zürichs wider des Bürgermeisters und des Rates Willen“ am 13. September 1370 wegen der Brüder Brun in Aufruhr geriet.

Papst Urban V. Quelle: Wikipedia.

Vorausgegangen war etwas, das die Zürcher Zünfte als Friedensbruch bezeichneten: Herdegen Brun hatte zusammen mit mehreren Helfern den Luzerner Schultheißen Petermann von Gundoldingen und seinen Begleiter Johannes in der Au bei Wollishofen festgenommen. Diese Festnahme dürfte in Zusammenhang stehen mit einem Auftrag, den Papst Urban V. dem Bruno Brun erteilt hatte. Er sollte einen Streit zwischen dem Luzerner Leutpriester und dem dortigen Stift im Hof schlichten. So sahen der Bürgermeister und der Rat von Zürich keinen Anlass, gegen Bruno und Herdegen Brun vorzugehen. Doch die Bürgergemeinde nahm die Angelegenheit selbst in die Hand: Sie versammelte sich im Großmünster, zwang Propst Bruno Brun, den Gefangenen freizulassen und verbannte die beiden Brüder Brun auf ewig aus der Stadt. Ganz unumstritten war diese Entscheidung nicht. Bruno Brun rief als Kleriker ein geistliches Gericht an, und wollte, wie es mittelalterlichem Standesdenken entsprach, dort seine Position rechtfertigen. Darauf gingen die Zürcher nicht ein. Sie wussten genau, dass ein päpstlicher Richter zu einem anderen Spruch gekommen wäre als sie. Dies beweist die Tatsache, dass der Papst Zürich wohl im Zusammenhang mit den Vorkommnissen im Fall Brun exkommunizierte.

Und damit wären wir beim Kern des Problems angelangt. Es ging den Zürchern nicht um den Luzerner Schultheißen, sondern um die Durchsetzung des Gewaltmonopols in dem, was sie als ihr Territorium auffassten. Unmittelbar nach den Auseinandersetzungen mit den Bruns initiierten die Zürcher den sogenannten Pfaffenbrief, der am 7. Oktober 1370 auch von anderen eidgenössischen Orten angenommen wurde. Darin wurde festgelegt, dass die in der Eidgenossenschaft wohnenden Vasallen Österreichs den Eidgenossen den Huldigungseid leisten sollten. Dieser Eid solle im Konfliktfall allen anderen vorgezogen werden. Den in der Eidgenossenschaft wohnenden Klerikern wurde es verboten, ein fremdes Gericht anzurufen. Damit wurde den wirtschaftlich immer mehr unter Druck geratenden Adligen, die aus Geldnot in den Dienst auswärtiger Lehnsherren traten, politisch jeder Rückhalt genommen.

Nicht einmal ein Jahr später traf es einen zweiten Dienstmann Habsburgs aus dem Geschlecht der Brun. Es handelte sich um Eberhard Brun, Neffe des Rudolf Brun. Er hatte wohl aus Geldnot in einem Erbschaftsstreit mit seinem Vetter keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als seinen Verwandten zu ermorden. Der Reichsvogt Gottfried Mülner, der in unserem Hörspiel zu Worte kommt, beauftragte den Zürcher Rat, Untersuchungen einzuleiten. Eberhard Brun wurde schuldig befunden und verbannt, sein Besitz eingezogen und versteigert. Doch auch hier scheint die Sachlage nicht völlig unumstritten gewesen zu sein. Im Jahr 1376 hing der kaiserliche Bann wegen des Falls Brun über der Stadt Zürich.

In der nationalistisch beeinflussten Geschichtsschreibung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Bruns zu Frevlern und ihre Form der Rechtswahrnehmung zu einer Gewalttat. Tatsächlich waren sie wohl eher die Verlierer in einem Kampf um die Macht, den die reichen Zürcher Zünfte gewannen: Hatten im Jahr 1336 noch sechs Ritter und Ritterbürtige einen Sitz im Rat gehabt, so ging diese Zahl im Jahr 1371 auf vier und drei, 1375 auf drei und zwei, 1378 auf zwei zurück. Seit dem Jahr 1410 wurde kein Ritter mehr in den Stadtrat gewählt.
Übrigens, die Geschichte vom geohrfeigten Ritter ist historisch, auch wenn wir sie der Wirkung halber ein wenig vordatiert haben. Tatsächlich ereignete sie sich im Jahr 1405. Der beleidigte Heinrich von Schönenwerd klagte den Bauer vor dem Zürcher Rat an. Ein besseres Beispiel dafür, in welchem Ausmaß es den Zürchern gelang, das Gewaltmonopol unter ihre Kontrolle zu bringen, könnte es wohl nicht geben.

Zwei Jahrhunderte später flüchtet sich ein Hauptmann ins Gemach der Äbtissin der Fraumünsterabtei: Seine eigenen Soldaten wollen ihn töten, weil er ihren Sold unterschlagen haben soll. Verpassen Sie nicht diese dramatische Fortsetzung!

Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.

Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.

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