MenschenGesichter Teil 29: Der Doge, machtloser Herrscher eines mächtigen Reichs

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mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Venedig. Nicolò Tron, Doge (1471-1473). Lira Tron. Büste des Nicolò Tron n. l. in voller Standestracht mit rotem, hermelingeschmücktem Mantel und Dogenmütze (Cornu ducale). Rs. Geflügelter Löwe des heiligen Marcus, das Evangelium in seinen Pranken haltend, darum Kranz. © MoneyMuseum, Zürich.

Nicolò Tron, Doge und damit oberster Beamter von Venedig von 1471 bis 1473, ließ sich auf „seinen“ Münzen im vollen Ornat darstellen: mit rotem, goldbesticktem Mantel mit Hermelinbesatz und – wie die Dogen seit dem 14. Jahrhundert – mit dem „corno ducale“, der hornförmigen Dogenmütze. Diese prachtvolle Gewandung täuscht allerdings darüber hinweg, dass der Doge zur Zeit Nicolò Trons bereits alle Macht verloren hatte.

Vorderansicht des Dogenpalastes. Foto: Moritz Werthschulte / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.

Ursprünglich von Byzanz zum Verwalter der Inselrepublik bestimmt, wurde der „dux“ oder Doge – wie er jetzt hieß – von den Venezianern seit der Jahrtausendwende selbst gewählt; ein Recht, dass sie sich hart erkämpft hatten. Alleinherrscher war der Doge schon damals nicht und es war ihm nicht möglich, das Amt in seiner Familie erblich zu machen. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurden ihm nach und nach mehrere beratende Gremien beigesellt, die die eigentliche Macht ausübten. Unser Nicolò Tron war folglich nur der oberste Bürokrat eines Staates, dessen Politik fünf Correctores überwachten, die durchaus die Kompetenz besaßen, selbst den Dogen in seine Schranken zu weisen.

Wappen Nicolò Trons. Quelle: Wikicommons.

Unter Nicolò Tron nun entschloss sich der Staat von Venedig, eine der bedeutendsten Münzreformen seiner Geschichte durchzuführen. Die Händler der Stadt hatten nämlich ein Problem: In Venedig selbst liefen die Piccoli um, Billon-Kleinmünzen von geringem Wert. Mit diesen Nachkommen des karolingischen Denars konnte man im alltäglichen Handel nichts mehr anfangen. Schon um sich nur ein Glas Wein zu kaufen, brauchte man mehrere von ihnen. Der Handel benötigte also dringend wieder eine Silbermünze von einigem Wert, die die Lücke zwischen dem Kleingeld und den goldenen Zecchinen schließen sollte. Der Rat entschloss sich im Mai 1472, so eine Silbermünze zu prägen. Genannt wird sie heute Lira Tron: „Lira“ nach dem italienischen Wort für „Pfund“, da die Münze 240 der alten Piccoli oder dem Äquivalent der damaligen Recheneinheit Pfund entsprach, und „Tron“ nach dem Dogen, dessen Konterfei ihre Vorderseite zierte.

Nicolò Tron, dieser unbedeutende Mann, blieb der einzige Doge, dessen erkennbares Antlitz die Münzen der Inselrepublik schmückte. Nach seinem Tode wurden alle umlaufenden Lire eingezogen und durch neue ersetzt, die wieder das alte Bild des vor dem heiligen Marcus knienden Dogen zeigten. Ohne irgendwelche individuellen Züge, lediglich als symbolischer Vertreter der Stadt, und vor allem ohne Bedeutung, so wollten die Handelsherren ihr nominelles Oberhaupt sehen, das eben nur Erster unter Gleichen war und nie persönlichen Ehrgeiz entwickeln sollte.

In der nächsten Folge besuchen wir einen Namensvetter Nicolò Trons. Dann erfahren Sie warum Nicolò d’Este so begeistert von Hercules war, dass er gleich seinen Sohn nach ihm benannte.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.

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