Aleksanderia – Festschrift für Aleksander Bursche

Roksana Chowaniec und Renata Ciołek (Hrsg.), Aleksanderia. Studies on Items, Ideas and History. Dedicated to Professor Aleksander Bursche on the Occasion of his 65th Birthday. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2021. 446 Seiten, 221 farbige Abbildungen, 27 Karten und 23 Tabellen. Hardcover, 21,00 x 29,70 cm. ISBN 978-3-447-11554-4. 138,00 Euro.
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Als ich das erste Mal nach Warschau kam, kontaktierte ich Professor Aleksander Bursche, den ich während des Internationalen Numismatischen Kongresses in Taormina persönlich kennengelernt hatte. Ich erhoffte mir von ihm ein paar Hinweise, in welchen Museen ich interessante Münzsammlungen finden könnte, und welche Kollegen ich kontaktieren müsste, um Zugang zu bekommen. Was dann passierte, hatte ich so noch nie erlebt. Ein roter Teppich rollte sich vor mir aus: Polnische Kollegen, von denen ich vorher noch nie gehört hatte, schickten mir Mails, wann ich denn zu ihnen kommen möchte; Führungen wurden angeboten; Türen taten sich auf. Eine Empfehlung von Aleksander Bursche war die perfekte Eintrittskarte in die numismatische Welt Polens.

Die Ehrfurcht und Liebe, mit denen die vielen polnischen Kollegen den Namen Aleksander Bursches nannten, hat mich tief bewegt. Viele polnische Kollegen hatten das große Glück, einen Lehrer zu besitzen, der neben der Wissensvermittlung seine Aufgabe darin sieht, jeden fähigen und engagierten Studenten, jede fähige und engagierte Studentin – es ist bezeichnend, dass zwei Schülerinnen von ihm, Roksana Chowaniec und Renata Ciołek, die Herausgabe der Festschrift besorgt haben – während und nach dem Studium zu fördern. Dass die Geförderten dies zu schätzen wissen, davon zeugt die Festschrift, die anlässlich des 65. Geburtstags von Aleksander Bursche von seinen Schülern, Freunden und Kollegen gemeinsam veröffentlicht wurde. Sie gibt einen kleinen Einblick in die vielen Gebiete, die der so Geehrte nachhaltig geprägt hat.

Archäologe, Numismatiker, Historiker und Spezialist für das „Barbaricum“

Der deutsche Prähistoriker, Claus von Carnap-Bornheim, der in seiner Laudatio das Geburtstagskind vorzüglich charakterisiert, zeigt sich nicht ganz sicher, „ob sich Aleksander primär als Archäologe oder als Numismatiker bezeichnen würde. Seine Selbstwahrnehmung scheint tagesabhängig – oder besser – abhängig von jenen archäologischen bzw. numismatischen Aufgaben, denen er sich aktuell besonders intensiv widmet. Wichtiger ist jedoch das wissenschaftliche Selbstverständnis, das sich für ihn selbst aus dieser Konstellation ergibt. Er betrachtet die Kombination von Archäologie, Numismatik und Alter Geschichte als logische Konsequenz und wissenschaftliche Notwendigkeit sollen die Verhältnisse im europäischen Barbaricum der ersten Jahrhunderte n. Chr. … umfassend beschrieben werden.“ Damit ist das Besondere der wissenschaftlichen Arbeit von Aleksander Bursche hervorragend zusammengefasst. Er steht für das Überschreiten von Grenzen – zwischen den Disziplinen, den Nationen, den Sprachen.

Das zeigt sich auch an seiner Festschrift. Sie enthält eine Fülle von Beiträgen aus der Feder von renommierten Wissenschaftlern und Freunden, die nicht nur in Polen, sondern in der ganzen Welt daheim sind. Geordnet sind die Beiträge strikt nach dem Alphabet, nach dem Nachnahmen des Autoren – und zwar ohne jegliche Vita, die dem Leser die Stellung des Autors in der wissenschaftlichen Welt vor Augen führt. Das hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Man muss die Beiträge lesen und sich sein eigenes Bild von der Wichtigkeit des Inhalts machen. Der Nachteil: Man muss die Beiträge lesen, um zu sehen, ob sie für das eigene Gebiet von Interesse sind. Denn auch wenn die meisten Aufsätze sich mit dem so genannten „Barbaricum“ beschäftigen, werden durchaus andere Bereiche berührt, so die Münzprägung vor, während und nach der Herrschaft der Römer, die (zumeist) polnische Archäologie oder die Methodologie. Nicht zu vergessen Spezialgebiete wie die Papyrologie.

Schwerpunkt „Barbaricum“

Aber natürlich steht die Zeit der Völkerwanderung und die daran beteiligten Völker thematisch im Mittelpunkt. Es geht in vielen Beiträgen um das so genannte „Barbaricum“. Und wenn es heute einem Autoren schwer fällt, die Kulturen nördlich des römischen Limes als „Barbaricum“ zu bezeichnen, wie es die antiken Schriftsteller getan haben, dann liegt das auch daran, was Aleksander Bursche mit seinen Schülerinnen und Schülern über ihre Kultur veröffentlicht haben.

Deshalb ist diese Festschrift für jeden, der sich mit den „Randvölkern“ – auch das so ein wertender Begriff, den man sich fast nicht mehr zu benutzen traut – und der Völkerwanderung beschäftigt, ein absolutes „Muss“. Gerade der Numismatiker findet viel Interessantes, vor allem wenn er sich sich für die „barbarischen“ Imitationen interessiert.

Er muss sich allerdings bewusst sein, dass die meisten Beiträge kurz sind – der Durchschnitt liegt bei unter 10 Seiten – und als Beiträge zur aktuellen Forschung zu verstehen sind. Doch auch für diejenigen, die den Wert eines Buchs ausschließlich daran bemessen, ob man Münzen mit ihm bestimmen kann, ist etwas enthalten: Wolfgang Fischer-Bossert steuert einen sehr nützlichen Katalog der keltischen Drachmen von Kleinasien bei, und Ute Wartenberg stellt einen Hortfund der seltenen Obole von Ägina vor, der um 500 v. Chr. vergraben wurde.

Festschriften sollten im besten Fall mehr sein als eine Ansammlung von Artikeln. Sie sollten der wissenschaftlichen Bedeutung eines Jubilars Rechnung tragen. In den Aleksanderia ist dies gelungen und sogar noch mehr: Der Band offeriert ein lebensnahes Abbild des Menschen Aleksander Bursche und spiegelt die liebevolle Achtung, die viele vor seiner geradlinigen Persönlichkeit empfinden. Oder wie sonst soll sich die Rezensentin erklären, dass das in den Aleksanderia publizierte Bild von ihm nicht das übliche Porträt vom Fotographen ist, sondern die Fotomontage eines lächelnden Patriarchen, gekleidet in der Tracht eines römischen Kaisers?

Alles Gute zum Geburtstag, lieber Aleksander! Plurimos Annos!

 

Zu erwerben ist die Festschrift als gebundenes Buch oder als eBook beim Harassowitz Verlag.