Es gibt Küsten in Spanien, die gelten geradezu als Inbegriff des Tourismus. Die Costa del Sol ist eine davon. Hunderte von Strandkilometern stehen im Schatten von Betonbettenburgen, so dass Torremolinos oder Marbella heute geradezu synonym geworden sind für Sonne, Strand und Sonnenbrand.
Wen der Ruf dieser Küste bisher von ihrem Besuch abgehalten hat, den wird es vielleicht überraschen zu erfahren, dass es einige sehr interessante Plätze dort gibt, die wir natürlich auf unserer Rundreise durch Südspanien besuchten. Begleiten Sie uns nach Algeciras, Tarifa (mit Blick auf die Säulen des Herakles), nach Baelo Claudia und ans Kap Trafalgar. Und für all diejenigen, die sich für die Vorgeschichte interessieren, passieren wir auf dem Weg zur Costa del Sol die Dolmen von Antequera. Sie gehören immerhin zu den größten europäischen Megalith-Anlagen und zum Weltkulturerbe mit Zertifikat.
Freitag, 31. März 2017
Heute früh verließen wir das wunderschöne Cordoba. Um den Parador tat es uns mittlerweile richtig leid. Wir hatten uns so an den Luxus des eigenen Balkons gewöhnt, und auch die Bar genossen wir mit jedem abendlichen Besuch mehr. Aber wir wollten ja ganz in den Süden, an die Costa del Sol. Natürlich nicht zum Baden, uns lockten die legendären Säulen des Herakles. Einmal von Spanien nach Afrika blicken, das war der Plan. Ein Problem: Leider war an diesem Freitag ganz Spanien auf dem Weg zur Costa del Sol (wohl eher nicht wegen der Säulen…). Das Resultat: Alle hübschen Hotels waren ausgebucht. Wir entschieden uns deshalb für ein weniger hübsches Hotel mitten in Algeciras, das sich wenigstens durch seine strategische Lage auszeichnete.
Wie gesagt, wir wählten unseren Weg so, dass wir an Antequera vorbeikamen. Dort kann man einige bedeutende Zeugnisse der Megalith-Kultur bewundern. Die drei Dolmen wurden in den Jahren zwischen 3.500 und 2.500 v. Chr. errichtet, also in der Periode, die wir als das Neolithikum kennen. Wir waren darauf gefasst, lange zu suchen und Meilen weit durch irgendwelche Felder stapfen zu müssen. Es ist ein Erfahrungswert, dass vorgeschichtliche Bauten in der Gunst der Touristen eher etwas weiter unten rangieren. Ein Phänomen, dem die Fremdenverkehrsämter durch konsequente Vernachlässigung Rechnung tragen. Doch wir waren angenehm überrascht: Selten habe ich so gut ausgeschilderte Megalith-Bauten gesehen.
Zuerst kamen wir zum Dolmen „El Romeral“. Dort erwartete uns ein großer Parkplatz, sowie ein Häuschen, an dem nicht etwa Eintrittskarten verkauft, sondern – Surprise, Surprise! – Informationsblätter in vier Sprachen verteilt wurden (natürlich wieder nicht in deutscher Sprache!). Dafür sprach die Dame am Empfang ausgezeichnet Deutsch. Das ist uns wirklich zum ersten Mal passiert!
„El Romeral“ ist eigentlich der jüngste von den drei Dolmen und soll um 2.500 v. Chr. – was sind ein paar Jahrhunderte hin oder her? – errichtet worden sein. Man geht durch einen langen Gang zu einem überkuppelten Rundbau, der ganz in der Art des mykenischen Schatzhauses des Atreus als falsches Gewölbe aufgeführt worden ist.
Der einzige Unterschied ist der gewaltige Stein, mit dem das Loch, das bei dieser Bauart oben übrig bleibt, abgedeckt wurde. Reste von menschlichen Skeletten und Grabbeigaben (inzwischen natürlich entfernt) stellten von archäologischer Seite sicher, dass es sich tatsächlich um eine Grabanlage handelte.
Die Dame am Empfang hatte darauf bestanden, uns ganz genau zu erklären, wie wir zu den anderen Dolmen kämen. Das wäre eigentlich nicht notwendig gewesen, denn auch die waren hervorragend beschildert. Diesmal gab es zwei große Parkplätze, dazu ein Besucherzentrum mit einer exquisiten Auswahl an Literatur. (Intendierter) Höhepunkt war ein Film über den Bau der gigantischen Grabanlagen, der mit schrecklicher Musik unterlegt war(, und dessen Version der neolithischen Bautechnik mir etwas zweifelhaft erschien).
Wer wollte, konnte nicht nur kostenlos die beiden Dolmen besichtigen, sondern erhielt dazu auch noch eine Gratis-Führung in englischer oder spanischer Sprache. Wir machten den Besuch lieber allein. (Der Film hatte Zweifel geweckt, ob die Führung unsere Zeit wirklich wert wäre.) Wir wandten uns gleich dem Dolmen von Menga zu, einem wahrhaft beeindruckenden Bau, dessen großer Innenraum durch zwei gigantische Säulen unterteilt ist. Die Steine sollen bis zu 180 Tonnen wiegen und wurden über eine Entfernung von ca. einem Kilometer transportiert.
Der dritte Dolmen mit dem Namen „Dolmen de Viera“ ist eine Art langes Kammergrab, das mit einer viereckigen Grabkammer schließt.
Von Antequera ging es nach Malaga – natürlich nicht hinein, sondern nur bis zum Autobahnkreuz. Von dort führen gleich zwei Autobahnen nach Algeciras: Eine kostenpflichtige in größerem Abstand vom Meer und eine kostenlose direkt am Meer entlang. Wir entschieden uns für die kostenlose, nicht aus Ersparnisgründen, sondern weil wir uns auf die Fahrt am Meer freuten. Was für ein Fehler! Wir sahen das Meer gelegentlich, aber meistens waren die ca. 50 Meter Abstand von irgendwelchen Hotelbunkern überbaut. Ich wusste, dass die Costa del Sol eine Touristenhochburg ist, aber was das praktisch bedeutet, habe ich erst bei der Fahrt von Malaga nach Torremolinos verstanden. Unendlich viel Zement, eine wabenförmige Unterkunft mit Balkon (mit schönem Blick auf die malerische Autobahn) neben der anderen, dazwischen Restaurants, in denen man die Nationalgerichte aller Nationen speisen konnte: Von italienisch über japanisch bis zu deutsch, dazu echt britische Pubs. Der letzte Schrei scheinen derzeit Golfclubs zu sein. Wir kamen auf 10 Kilometern an gefühlt 20 Golfclubs vorbei. Einige davon verfügten über gigantische Plakate, auf denen glückliche Familien mit ihren Golfschlägern in die Kamera strahlten.
Bei der nächsten Möglichkeit wechselten wir auf die kostenpflichtige, dem Meer ferne Autobahn. Eine gute Entscheidung in jeder Hinsicht! Sie führte uns schnell und ohne Stau nach Algeciras, wo die Fähren nach Tanger (Marokko) und Ceuta (Spanien, aber in Afrika!) ablegen. Aus diesem Grund sind die Geschwindigkeitsanzeigen auch in arabischen Zahlen angeschrieben, was uns zunächst ein wenig verwirrte, weil wir dachten, wir hätten nicht genau hingeguckt…
Algeciras ist ein hässliches Hafenstädtchen, das über zahlreiche recht ordentliche Hotels verfügt, weil es verkehrstechnisch günstig gelegen ist. Wir fanden in einem AC Mariott ein Doppelzimmer für den (vor allem für das Wochenende) verblüffend günstigen Preis von 60 Euro. Das machte uns nervös. Alle anderen Hotels verlangten mindestens das Dreifache. Wir sollten nie erfahren, warum unser Hotel so günstig war. Es hatte modern eingerichtete Zimmer mit allem, was der Reisende braucht. Es gab ein sehr ordentliches Frühstück, und am Eingang klebten jede Menge Zettel von Trip Advisor, Michelin und anderen, die verkündeten, dass man in diesem Hotel gut schlafen und essen kann. Was übrigens auch stimmte.
Außer dem Hotel hatte Algeciras allerdings ziemlich wenig zu bieten, und das obwohl seine Geschichte immerhin bis 711 zurückreicht. Hier fassten die Mauren bei ihrem Eindringen in Spanien zuerst Fuß.
Es gibt sogar Münzen mit Bezug auf Algeciras, so einen Dinero, der während der Belagerung der Stadt durch Alfons XI. von Kastilien in Sevilla geprägt wurde. Der König eroberte Algeciras im Jahr 1344, während der Reconquista.
Wir gingen in die Innenstadt, sahen dort die Reste einer mittelalterlichen und einer frühneuzeitlichen Befestigungsanlage. Der Hauptplatz zeichnete sich durch einen nicht-funktionierenden Springbrunnen mit hübschen Fliesen aus. Und das war es schon. Wir aßen (mal wieder) spät zu Mittag (oder früh zu Abend) und hatten dafür die Auswahl zwischen einer Pizzeria und einem italienischen Restaurant. Es dürfte wohl auch ein paar spanische Bodegas gegeben haben, aber die fanden wir auf die Schnelle nicht…
Samstag, 1. April 2017
Unser Ausflug führte uns heute zum südlichsten Punkt Europas, nach Tarifa, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf Afrika hat. Ein klein wenig machte es uns schon nervös, dass überall Kameras angebracht waren, und man uns aufwändig überwachte Parkplätze anpries. Wir stellten unser Auto trotzdem an der Straße ab, direkt vor einem kleinen Lebensmittelgeschäft. Wir wollten uns nicht vorstellen, dass ein Einbrecher so frech sein würde, direkt vor den Augen aller unser Auto aufzubrechen.
Der Dschebel Musa (dort, wohin auf Abb. 13 der Pfeil zeigt) und der Felsen von Gibraltar sind die berühmten Säulen des Herakles, die vom persönlichen Emblem Karls V. zum Zeichen für die spanische Weltmacht wurden. Dieses Emblem bekommt eine ganz eigene Bedeutung, wenn man seine geographischen Voraussetzungen sieht.
Der griechische Heros Herakles soll bei seinen Fahrten an genau dieser Stelle das Ende der (damals bekannten) Welt festgelegt haben. Die spanische Seemacht griff darüber hinaus und gab mit dem Motto „Plus ultra“ einer tiefen Sehnsucht der frühen Neuzeit Ausdruck. Die Renaissance machte den Blick dafür frei, dass es hinter jeder Grenze weitergeht.
Wir müssen an dieser Stelle wohl nicht erwähnen, dass die beiden Säulen des Herakles mit dem sie umwindenden Band noch heute allgegenwärtig sind – im Dollarzeichen.
Aber zurück nach Tarifa, das seinen Namen nach dem maurischen Eroberer Tarif ibn Malik trägt. Es ist ein entzückender kleiner Ausflugsort, der davon lebt, dass viele Badetouristen einmal am südlichsten Punkt Spaniens stehen wollen. Wobei das nicht einmal möglich ist. Den südlichsten Punkt blockiert nämlich eine Festung auf der Vogelinsel, wo in der Antike eine phönizische Handelsstation gewesen sein soll.
Man erreicht sie über einen Damm, der das Mittelmeer vom Atlantik trennt. Rechts und links liegen öffentliche Strände, die wegen der kühlen Temperatur nicht gerade überfüllt zu nennen waren. Aber Taucher und Windsurfer belebten die Szenerie. Schließlich macht das raue Wetter die Gegend zu einem Paradies für Surfer, und die – natürlich nur im Verhältnis zur sonstigen Costa del Sol – unberührte Natur zieht Taucher an. Es soll sogar regelmäßige Touren zur Beobachtung der vor der Küsten schwimmenden Wale geben…
Der Rest des Orts war auf Touristen ausgerichtet: Hübsche Restaurants, darunter viele Pizzerien (kann man in dieser touristischen Gegend auch spanisch essen?), dazu ein kleiner Markt für essbare Souvenirs.
Wir kauften nichts. Ein ganzer iberischer Schinken schien uns ein wenig übertrieben. Und aus Erfahrung weiß ich, dass selbst der beste Käse, wenn man ihn mühsam nach hause gebracht hat, nicht mehr richtig schmecken will.
Nicht allzu weit von Tarifa liegt Baelo Claudia, eine römische Siedlung, die einst vom Fischfang lebte, und heute als eine der besterhaltenen römischen Siedlungen von ganz Spanien gilt.
Durch die Meerenge von Gibraltar sollen zweimal im Jahr die riesigen Thunfischschwärme an Baelo vorbeigezogen sein. Wie wichtig sie für die Stadt waren, sagt uns die Tatsache, dass einer der beiden Münztypen der keltischen Siedlung sich auf die Thunfische bezieht.
Der zweite Münztyp könnte mit seiner Weizenähre darauf hinweisen, dass in Baelo auch die Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielte. Wie auch immer, die Fischer von Baelo sorgten dafür, dass ein Teil der großen Fischschwärme erst die eigene, später die römische Speisekarte bereicherte. Baelo Claudia, das unter Kaiser Claudius zum Municipium erhoben worden war, erlangte unter römischen Gourmets nämlich wegen seines herausragenden Garum Berühmtheit.
Wir erinnern uns: Man produzierte Garum, indem man ganze Fische – am liebsten Thunfisch oder Sardelle – mit Salzlake vermischte und in offenen, nach unten gut abgedichteten Bottichen monatelang der Sonne aussetzte. Eine Fabrik, in der genau dies gemacht wurde, grub man in Baelo Claudia aus – und wir waren äußerst dankbar dafür, dass sie schon seit knapp 2.000 Jahren den Betrieb eingestellt hatte. Der Gestank, der entstand, wenn das Fischeiweiß durch das in den Innereien enthaltene Enzym fermentiert wurde, muss unbeschreiblich gewesen sein.
Das fertige Produkt, das man erhielt, indem man den Fischmatsch auspresste, mehrfach filterte und lange, lange lagerte, soll übrigens ganz annehmbar gerochen haben…
Die Ausgrabung von Baelo ist als sehr hübsche Touristenattraktion hergerichtet. Sie besitzt einen großen Parkplatz und ein kleines Museum. Der Eintritt ist für Einwohner der EU gratis. Alle anderen müssen 1,50 Euro Eintritt zahlen. Wir freuten uns, dass die Spanier die Weigerung der Schweiz, der EU beizutreten, einfach ignorierten. Für sie war mein schweizerischer Ehemann ein Europäer und musste deswegen keinen Eintritt zahlen.
Das Museum von Baelo versuchte, sich digital zu geben; der einzige Ausweg, wenn einem nur ein paar mediokre Exponate zur Verfügung stehen. Denn seine größten Schätze musste Baelo an die archäologischen Museen von Cadiz und Madrid abgeben.
Dafür ist das Ausgrabungsgelände ziemlich beeindruckend mit einem schönen Stück rekonstruierter römischer Straße, einem kleinen Theater, von dem allerdings nicht allzu viel übrig geblieben ist, einem Tempel und ziemlich viel Ruinen von kleinen Lädchen und Häuschen.
Damit wäre eigentlich unser heutiges Programm beendet gewesen, hätte ich nicht auf der Landkarte entdeckt, dass das Cap Trafalgar sich ganz in der Nähe befand.
Ich bitte Sie! Trafalgar! Das gehört dank des Londoner Trafalgar Square nun wirklich zum Allgemeinwissen – ganz im Gegensatz zu der Frage, wo denn nun Trafalgar eigentlich liegt. Nachdem wir dies auf der Karte entdeckt hatten, war es Ehrensache, der historischen Location einen kleinen Besuch abzustatten.
Sagen wir es einmal so, anscheinend gehört dieser so historische Ort nicht unbedingt zu den Sehenswürdigkeiten, die man in Spanien propagieren möchte. So schlecht beschildert wie dieses Kap habe ich selten irgendetwas erlebt. Es war die hohe Schule, den Weg zu finden. Selten mussten wir so oft umkehren und so viele unterschiedliche Wegvarianten probieren!
Doch eine Fehlfahrt lohnte sich: Als wir bei Vejer de la Frontera die falsche Abzweigung nahmen, kamen wir an einem Restaurant vorbei, das uns gerade für unser verspätetes Mittagessen zurecht kam: Venta Pinto in La Barca de Vejer. Merken Sie sich den Namen, falls Sie sich jemals nahe Trafalgar verfahren wollen. Erst waren wir ja ein bisschen überrascht über die für spanische Verhältnisse doch ziemlich hohen Preise (vor allem bei den aufwändigen Fischgerichten ging es sogar in den unteren dreistelligen Bereich!!!), aber das Essen war jeden Cent wert. Wir bestellten Muscheln nach Art des Hauses, eine Kasserolle mit Gambas und ein im Ofen geschmortes Wildschwein (natürlich kein ganzes, ich heiße ja nicht Obelix!), und das Essen war köstlich!
Frisch gestärkt fanden wir dann nach einer guten halben Stunde endlich das Kap Trafalgar: hinter einem Campingplatz mit gleichem Namen, ohne irgendein Denkmal oder eine Tafel, nur der Name und ein Leuchtturm zeugten von den einstigen welthistorischen Ereignissen.
Und das war’s dann schon wieder für heute. Wir fuhren zurück nach Algeciras. Dort werden wir in der nächsten Folge daran scheitern, Gibraltar zu besuchen. Vollwertiger Ersatz ist allerdings das spektakuläre Ronda.
Alle Folgen des numismatischen Tagebuchs „Auf nach Südspanien“ finden Sie hier.