Das Geld der Dichter

Frank Berger, Das Geld der Dichter in Goethezeit und Romantik. 71 biografische Skizzen über Einkommen und Auskommen. Waldemar Kramer, Wiesbaden 2020. 352 S. Paperback, 14 x 21 cm. ISBN: 978-3-7374-0486-0. 20 Euro.
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„Wie viel Euro sind ein Taler?“ – Bestimmt war auch Frank Berger, Autor des hier präsentierten, wunderbaren Buchs, von dieser ständig gestellten Frage genervt. Nicht, weil er sich nicht gerne mit den Fragen eines breiten Publikums beschäftigen würde. Im Gegenteil. Wenige Numismatiker haben einen pragmatischeren Umgang mit dem Populärhistorischen als er. Doch wie jeder Wissenschaftler weiß, sind die scheinbar harmlosen Fragen der Laien gar nicht so harmlos, weil sie nämlich äußerst schwierig zu beantworten sind. Wer berechnen will, welcher heutigen Summe ein Taler entspricht, muss die unterschiedlichen Lebensformen in ein stimmiges Verhältnis bringen. Geld spielte eben vor knapp zweihundert Jahren eine ganz andere Rolle als heute. Der Warenkorb war ein völlig anderer und die Bedürfnisse auch.

Es wäre schon genug, wenn der Leser als einzige Erkenntnis aus diesem Buch das Wissen um die Komplexität dieser Frage mitnehmen würde. Aber es gibt viel mehr zu entdecken!

Am Geld scheiden sich die Persönlichkeiten

Die „biographischen Skizzen“ vermitteln uns nämlich einen ganz neuen Zugang zu den großen Gestalten der Klassik und des Barock. Wer hätte geahnt, dass der ehrwürdige Herder finanziell eine echte Niete war? Oder dass Muttersöhnchen Hölderlin seiner Frau Mama bis zu ihrem Tod auf der Tasche lag! Und welch hohen Preis zahlte der Erfolgsautor August von Kotzebue für seinen enormen Bekanntheitsgrad! Schon der (amüsante) Titel jeder Geschichte lässt einen ahnen, was man zu erwarten hat. Der Autor scheut sich dabei nicht, ein eigenes Urteil zum Ausdruck zu bringen.

Frank Berger nimmt in seinen kleinen Essays das finanzielle Umfeld und Gebaren von Berühmtheiten der klassischen und romantischen Literaturgeschichte in den Fokus. Seine Geschichten sind bestens recherchiert und pointiert geschrieben, man merkt dem Autor seine Freude am Fabulieren an. Und wie für einen Numismatiker geradezu selbstverständlich, illustriert er nicht nur mit Porträts, Fotos und Kupferstichen, sondern gelegentlich auch mit den Münzen, mit denen seine Protagonisten bezahlt wurden.

Thema sind nicht nur die männlichen Dichter, sondern auch ihre (wenigen) weiblichen Kolleginnen, nicht zu vergessen die Denker, Verleger, Maler und Tondichter.

Sonderfall Wien

Ein eigenes Kapitel widmet Frank Berger der Künstlerstadt Wien, in der ein anderes Geldwesen und ein anderes Preis-Leistungsverhältnis existierten. Mozart, Schubert und Beethoven, Grillparzer und Raimund, hier lernen wir fünf weitere weltbekannte Künstler von einer ganz anderen Seite kennen.

Auswertung und Theorie

So dicht an Informationen sein Buch schon an diesem Punkt ist: Frank Berger ist ein zu guter Wissenschaftler, um es bei netten Biographien – so unterhaltsam sie auch sein mögen – zu belassen. Er schließt sein Buch mit einigen sozialgeschichtlichen Überlegungen, nämlich welchen Einfluss die Herkunft eines Künstlers auf sein späteres (finanzielles) Wohlergehen hatte. Dafür sieht er sich die Abstammung seiner Protagonisten an, beschäftigt sich mit den Kosten eines Studiums und diskutiert die (neben-)beruflichen Perspektiven. Schließlich fingen die wenigsten Schriftsteller als gut bezahlte Bestseller-Lieferanten an. Was musste ein Autor für seine Korrespondenz und seine Reisen aufwenden? Konnte er es sich leisten zu heiraten? Und wie kamen überhaupt Frauen zu diesem Beruf?

Geradezu unvermeidbar ist eine vorzügliche Zusammenfassung zu den Geldverhältnissen des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Sie wird kombiniert mit einer Zusammenstellung von Preisen, Löhnen und Vergleichsbeispielen, was ein armer Arbeiter und was ein reicher Kaufmann oder Adliger ausgeben konnte. Damit gewinnt die Zusammenstellung der Löhne von Mitgliedern der schreibenden Zunft noch einmal eine ganz andere Dimension.

Wie viel Euro sind ein Taler?

Und dann kommt es doch, das Kapitel mit Bergers Überlegungen zum Geldwert. Allerdings handelt es sich nicht um eine einfache Zahl, sondern um sieben Seiten sorgfältige statistische Berechnungen.

Zusammengefasst: Ich mag dieses Buch. Es ist wunderbar zu lesen, erzählt einem viel Neues und man kann sogar grundlegendes numismatisches Wissen daraus mitnehmen. Auch wenn es keine Hardcore-Numismatik ist, würde ich jedem, der Münzen liebt, dieses Buch empfehlen.

Und übrigens, um es nun doch zu sagen: Ein Taler entspricht ungefähr 200 Euro an Kaufkraft.

 

Sie können das Buch selbstverständlich über das Internet beziehen. Aber bitte kaufen Sie es, um in Zeiten von Corona gerade die kleineren Verlage zu unterstützen, direkt beim Verlagshaus Römerweg – versandkostenfrei für 20 Euro.