Das unglückliche Leben des osmanischen Prinzen Dschem

[bsa_pro_ad_space id=4]


mit freundlicher Genehmigung von Gorny & Mosch

Am 3. Mai 1481 starb der Sieger von Konstantinopel, Mehmed II., genannt der Eroberer. Er hinterließ zwei Söhne, Bayezid, den er im Alter von 16 Jahren mit einer christlich-albanischen Sklavin gezeugt hatte, und Dschem, Spross Mehmeds, nachdem letzterer den Thron bestiegen hatte. Wer von beiden sollte der nächste Sultan sein? Bayezid, der sich in Amasia aufhielt, traditioneller Sitz des osmanischen Thronfolgers? Oder der jüngere Dschem, der in Konya als Statthalter amtierte?

Bayezid war tief gläubig, besaß einen Hang zum Mystizismus und deswegen die volle Unterstützung der sunnitischen Geistlichkeit und der traditionsbewussten Großgrundbesitzer. Dschem war ein Pragmatiker, Liebling der Armee und Günstling des Großwesirs. Kein Wunder, dass dieser versuchte, ihm die Nachricht vom Tod seines Vaters zuzuspielen, ehe sein Konkurrent davon erfuhr. Doch der Bote an Dschem wurde von den Männern Bayezids abgefangen, der Wesir hingerichtet. So traf der ältere Bruder bereits am 20. Mai 1481 in Istanbul ein und übernahm die Macht.

Mehmed II., der Eroberer (1451-1481). Einseitige Bronzemedaille des 19. Jahrhunderts. Aus Sammlung Dogan, Auktion Gorny & Mosch 172 (2008), 6009.

Dschem gelang es zwar kurzfristig, sich in Kleinasien eine Machtbasis aufzubauen. Damals prägte er auch Münzen, die heute eine begehrte Rarität darstellen. Er eroberte vorübergehend sogar Bursa, doch den vereinten Kräften des mächtigen Osmanenherrschers war er nicht gewachsen. Er musste fliehen. Die Johanniter von Rhodos, die ärgsten Feinde des Osmanischen Reiches boten ihm Schutz und Unterstützung.
Die hatten dafür natürlich ganz eigene Gründe: Was für eine Chance, einen beliebten osmanischen Prinzen in der Hinterhand zu haben, den man als Alternative zum herrschenden Sultan aufbauen konnte! Die frommen Ritter ließen sich von Bayezid kräftig dafür bezahlen, dass sie Dschem in ihrer Kommende in Savoyen gefangen hielten.

Auch andere Fürsten waren an dem Prinzen interessiert: Der ungarische König Matthias Corvinus hätte ihn zu gerne auf seinem Feldzug gegen die Türken mitgeführt, um die osmanischen Truppen dazu zu bringen, zu ihm überzulaufen. Auch der französische König hätte Dschem gerne gehabt und vor allem der Papst. Schließlich war es eben erst gelungen, türkische Truppen aus Italien zu vertreiben.

Sixtus IV. (Papst 1471-1484). Bronzemedaille 1481 von Andrea Guazzalotti anlässlich der Befreiung Italiens von den Türken. Aus Sammlung Dogan, Auktion Gorny & Mosch 172 (2008), 6014.

Im Frühling des Jahres 1480 war es türkischen Truppen gelungen, die Stadt Otranto zu erobern. Als „Erbe“ des byzantinischen Kaisers erhob Mehmed Anspruch auf Süditalien, das einst zum byzantinischen Reich gehört hatte. Alfons II., dem Sohn und späteren Nachfolger von Ferdinand I. von Aragon, König von Neapel, gelang es im Jahre 1481, die Stadt zurückzuerobern. Gewalt war dafür nicht notwendig. Die osmanischen Soldaten waren nur zu bereit, gegen freien Abzug die Stadt den christlichen Truppen zu übergeben.

Schließlich machte der Papst das Rennen. Er ließ sich Dschem übergeben, um ihn für einen Kreuzzug aller christlichen Mächte gegen das osmanische Reich zu benutzen.

Innozenz VIII. (Papst 1484-1492). Bronzemedaille o. J. (Stempel nach 1664 von G. Paladino). Rv. Dschem wirft sich demütig vor dem thronenden Innozenz nieder. Nachprägung aus dem 19. Jahrhundert. Aus Sammlung Dogan, Auktion Gorny & Mosch 172 (2008), 6015.

Während die christlichen Mächte um den osmanischen Prinzen rangelten, hatte der sich aufgegeben. Mit Haschisch und überreichlichem Essen versuchte er der Wirklichkeit zu entfliehen. Verfettet und gleichgültig ließ er sich von einem Gefängnis ins nächste schleppen. Wie viel mag er noch davon mitbekommen haben, dass Alexander VI. erst mit Bayezid verhandelte, um ihn dann König Karl VIII. von Frankreich zu überlassen, der 1494 nach Italien gezogen war, um das Königreich Neapel zu erobern? Dort starb Dschem, vermutlich an Gift.

Sein Halbbruder Bayezid, der weit weg in Istanbul residierte, war bestens über Dschems Schicksal informiert. Er unterhielt ein effektives Spionagenetz in Europa, das ihn auf dem Laufenden hielt. Dazu gehörten ein griechischer Mönch, ein professioneller Spion namens Antoni, Andreas Mila, Kaufmann aus Pera, und Gaspar Grimaldo, ein einflussreicher Genueser, der vielleicht sogar an der Beseitigung Dschems beteiligt war.

Der Großmeister der Johanniter, Pierre d’Aubusson bewirtet den türkischen Prinzen Dschem.

Dschem war also tot, aber nicht einmal das brachte ihm Ruhe. Karl VIII. forderte von Bayezid 5.000 Dukaten für den Leichnam des Prinzen. Bayezid reagierte, indem er seine Flotte aufbot und nach Neapel segeln ließ. Um einen Krieg zu verhindern, lieferte man ihm den Sarg aus, den Bayezid nach Bursa brachte, wo Dschem seine letzte Ruhestätte fand.

Bottombanner Künker Onlineshopd-de