Das Haus Hohenems und seine Bischöfe

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3. Marcus Sitticus II. von Hohenems

Am 7. März 1612 dankte Wolf Dietrich von Raitenau offiziell vor dem päpstlichen Nuntius ab. Er hatte in einem unglücklichen Krieg gegen Bayern Herrschaft und Freiheit verloren. Mit dieser Abdankung war der Weg für die Neuwahl eines Salzburger Bischofs frei. Daß sich die Domherren bereits am 18. März des gleichen Jahres einig waren, spricht dafür, daß sie schon vor der Abdankung Wolf Dietrichs nach einem geeigneten Kandidaten gesucht hatten. Sie fanden ihn in einem Verwandten des unglücklichen Erzbischofs, in seinem Cousin Marcus Sitticus II. von Hohenems.

Porträt des Marcus Sitticus von Hohenems.

Marcus Sitticus II. war der Sohn Jakob Hannibals I., des älteren Bruders von Marcus Sitticus I., welcher als erster Hohenemser das Amt eines Bischofs bekleidet hatte. Mütterlicherseits stammte der junge Mann aus der Familie der Borromäer. Der Bruder seiner Mutter war jener berühmte Bischof von Mailand, Karl Borromäus, der als Vorbild für alle Priester der Gegenreformation im Jahr 1610 heilig gesprochen wurde.
Diesem Mann verdankte Marcus Sitticus seine Ausbildung. Er hatte bereits als 4jähriger seine Mutter verloren. Karl Borromäus schickte ihm für die weitere Erziehung seinen Hofkaplan und holte seine beiden älteren Neffen 1582 nach Mailand, wo er selbst während der zwei Jahre, die ihm noch blieben, ihre Ausbildung überwachte. Der große Kirchenfürst muß auf den kleinen Marcus Sittiucs einen tiefen Eindruck gemacht haben. Der entschloß sich nämlich mit seinen 10 Jahren dafür, selbst ein Priester zu werden. Und wo konnte er das besser als in Rom? Dort saß schließlich sein Onkel väterlicherseits, nach dem er benannt worden war. Und der hatte Einfluß. Marcus Sitticus I. brachte den 11jährigen Priesterkandidaten am Collegium Germanicum in Rom unter. Ein Jahr später erhielt er bereits die niederen Weihen. Und wieder ein gutes Jahr darauf fühlte sich Marcus Sitticus II. ausgebildet genug, um nach Deutschland zurückzukehren, wo gerade ein anderer Verwandter, Wolf Dietrich von Raitenau, Bischof von Salzburg geworden war. Damit machte Wolf Dietrich einige andere kirchliche Pfründe frei, die nun auf seinen Verwandten übertragen wurden.
Marcus Sitticus II. hielt wie sein Namensvetter nichts davon, sich persönlich um die mit den Einkünften verbundenen geistlichen Aufgaben zu kümmern. Stattdessen studierte und reiste er. Zunächst nach Ingolstadt, dann nach Bologna, 1593/4 traf man ihn in Spanien. Der junge Mann liebte den Duft der großen weiten Welt und war ständig in Geldverlegenheiten, aus denen ihm dann sein Vetter Wolf Dietrich heraushelfen mußte. Marcus Sitticus II. dankte es ihm schlecht.

Salzburger Bischof
Ihn wählte das Salzburger Domkapitel nach der Abdankung Wolf Dietrichs zum neuen Bischof von Salzburg. Marcus Sitticus war dabei ein Kompromißkandidat, auf den man sich schnell einigte, da der Bayernherzog drohte, den Bischofsstuhl mit einem Mitglied seiner Familie zu besetzen. Marcus Sitticus wurde durch diese Wahl nicht nur Fürstbischof, sondern auch der Kerkermeister seines Vorgängers und Wohltäters. Der junge Mann kannte kein Erbarmen. Ob aus Angst vor einem Aufstand oder aus menschlicher Gleichgültigkeit, Marcus Sitticus tat nichts, um das schwere Los seines Verwandten zu erleichtern. Ja, er erlaubte ihm weder Kontakt mit seiner Geliebten Salome Alt aufzunehmen, noch daß die Brüder Wolf Dietrichs, die sich vehement für eine Freilassung des mittlerweile kranken Gefangenen einsetzten, diesen besuchten.

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SALZBURG. Marcus Sitticus II. von Hohenems, 1612-1619. Taler 1619. Wappen unter Legatenhut. Rv. Thronender hl. Rupertus. Probszt 973. Aus Auktion Numismatik Lanz 127 (2005), 336.
Aufgrund einer Silberknappheit, welche den Preis des Metalls so stark in die Höhe trieb, daß es für einen Münzherrn nicht mehr lukrativ war, Großsilbermünzen zu prägen, gab die Salzburger Münzstätte während der Regierung des Marcus Sitticus II. nur sehr kleine Taleremissionen heraus, die vor allem für repräsentative Zwecke gedacht waren.

Marcus Sitticus II. trat in Salzburg kein leichtes Erbe an. Er erreichte nie die Volkstümlichkeit seines Vorgängers. Und er steckte ständig in finanziellen Schwierigkeiten. Ganz abgesehen davon, daß der bayerische Herzog von ihm die Rückzahlung seiner Kriegskosten verlangte. In Salzburg standen die Grundmauern eines gewaltigen Doms, den Wolf Dietrich begonnen hatte. Der mußte mit aller Pracht fertiggestellt werden, was Unsummen an Geld verschlang. Natürlich erbrachten die Ländereien des Bistums Salzburg große Einkünfte, aber die reichten hinten und vorne nicht. Und Marcus Sitticus hatte nie gelernt, sein Geld weise einzuteilen. Dazu war er selbst ein zu begeisterter Bauherr.

SALZBURG. Marcus Sitticus II. von Hohenems, 1612-1619. Goldgulden 1619. Stifts- und Familienschild unter Legatenhut. Rv. Stehender hl. Rupert. Probszt 946. Aus Auktion 127 (2005), 332.

Das Wappentier der Hohenemser, der Steinbock, spielte in der Repräsentation des Marcus Sitticus eine entscheidende Rolle. Nicht nur, daß einige Steinböcke im Schloß von Hellbrunn gehalten wurden. Marcus Sitticus verwendete das Motiv immer wieder als persönliches Zeichen. Bei den von ihm eingeführten Fasnachtsumzügen dekorierte er einen Wagen mit einem Orangenbaum, unter dem Steinbock und Löwe gemeinsam zu sehen war.

Schloß Hellbrunn
Sein wohl bekanntestes Projekt, das Schloß Hellbrunn, gibt uns einen kleinen Einblick in die Seele dieses Salzburger Bischofs, der bereits nach kurzen sieben Jahren Herrschaft im Alter von 45 Jahren verstarb. Das obige Bild zeigt den Bauherrn mit zwei weiteren Bildern: Eines stellt den Salzburger Dom im Bau dar, ein anderes die Anlage des Schlosses Hellbrunn. Bemerkenswert sind die Rahmen der Bilder. Während das Bild des Doms im Vordergrund golden gerahmt ist, umgibt Hellbrunn ein schwarzer Rahmen. Gold stand im alchimistischen Gedankengut für das Helle, das Lichte, die Sonne. Schwarz oder Blei für das Dunkle, das Melancholische, das der Fürstbischof in seinem Schloß Hellbrunn bekämpfen wollte.
Marcus Sitticus II. war sich der Gegensätze, die sich in seiner Person vereinigten, bewußt. Er liebte Bilder, die sich damit beschäftigten – und nutzte sein oft auf Münzen gesehenes Wappen dazu, den Gegensatz bildlich umzusetzen: Das Wappentier der Hohenemser war der Steinbock, der als Sternzeichen die dunkelsten Tage des Jahres vom 22. Dezember bis zum 20. Januar beherrscht. Wer in diesen Tagen geboren war, galt als ein dunkles Kind des Saturn. Das Wappen von Salzburg war der Löwe, dessen Sternzeichen über den Sommertagen zwischen 23. Juli und 23. August wacht. „Löwen“ wurde als lichte Kinder der Sonne betrachtet.

Steinbock und Löwe in enger Umarmung. Ein Detail aus dem Schloßgarten von Hellbrunn.

Diese gegensätzlichen Wappentiere ließ der Kirchenfürst in engster Umarmung überall in und an den von ihm errichteten Bauten darstellen. Sie waren das sprechende Bild zu seinem Motto „Numen vel dissita iungit“ (= Eine göttliche Macht verbindet sogar das Entgegengesetzte).
Und ein Kind des Gegensätzlichen war Marcus Sitticus II. Obwohl er der Kerkermeister seines Cousins war, setzte er dessen anti-bayerische, neutrale Politik fort. Obwohl er ein Amt als geistlicher Hirte bekleidete, gab er während seiner kurzen Regierung 70.000 Gulden für Damenschmuck aus. Der sich selbst als melancholisch Empfindende, ist in seinem Festsaal dargestellt im höfischen Gewand, einer schönen Dame eine Rose überreichend. Mit seiner Wahl zum Bischof von Salzburg stand die Familie der Hohenemser im Zenit ihrer Macht, und doch sollte diese Macht schon bald verloren sein.
Nur ein Bruder des Marcus Sitticus setzte die Familie im Mannesstamm fort. Seine Söhne teilten die Herrschaft der Hohenemser in eine Linie zu Hohenems und eine zu Vaduz. Während die Hohenemser Linie im Jahr 1713 ausstarb, mußte der Vaduzer Zweig in den Jahren zwischen 1699 und 1719 seine Herrschaft Stück für Stück an den Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein verkaufen. Sie erhielten dafür die Herrschaft über das böhmische Bistrau, kein gleichwertiger Ersatz. Als eines von vielen kleinen Adelsgeschlechtern überlebten die Hohenemser mehr schlecht als recht die Jahrhunderte. Einen Bischof aber sollten sie nie mehr stellen können.

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