Francesco I. Gattilusio war im 14. Jahrhundert ein Bürger der Republik Genua und entstammte einer dort ansässigen Patrizierfamilie. Die Hafenstadt Genua war reich geworden durch den Handel mit den Ländern am östlichen Mittelmeer, wo die orientalischen Karawanenstraßen endeten. Genua hatte auch Schiffe an die Kreuzzugsheere vermietet und die Lieferung von Nachschub an Lebensmitteln und Kriegsmaterial organisiert und besaß mehrere Handelsniederlassungen. Francesco Gattilusio begann seine Karriere deshalb in der Levante. Er arbeitete dort als Söldner und Seeräuber.
Als der byzantinische Kaiser Johannes V. Palaiologos Hilfe im Kampf gegen den Gegenkaiser Johannes VI. Kantakuzenos suchte, bot Francesco Gattilusio ihm seine Unterstützung an. Nach dem Sieg über Johannes VI. Kantakuzenos erhielt er dafür die Insel Lesbos als erbliches Lehen. Im Jahr 1355 trat er in der Inselhauptstadt Mytilene seine Herrschaft an. Um 1357 heiratete er eine byzantinische Prinzessin, die Schwester des Kaisers, und er unternahm mehrere Feldzüge und Reisen gemeinsam mit dem Kaiser. Einen großen Teil seiner Einkünfte erzielte er auch weiterhin durch Seeräuberei. 1384 kam er bei einem Erdbeben auf der Insel Lesbos ums Leben.
Aus schriftlichen Quellen ist bekannt, dass Francesco Gattilusio Münzen prägen ließ. Der Venezianer Rafainon Coresini unterrichtete den Senat von Genua darüber, dass der Herr von Lesbos, der immer noch Bürger Genuas sei, die venezianischen Dukaten in Mytilene nachgeprägt habe. Am 8. August 1357 schickte die Regierung Genuas einen Brief an Gattilusio, in dem er aufgefordert wurde, die Prägung der falschen venezianischen Dukaten zu unterlassen (siehe G. Schlumberger S. 436). Heute können wir diese gefälschten Dukaten nicht identifizieren. G. Schlumberger kannte noch keine Gold- oder Silbermünzen, die er Francesco I. Gattilusio hätte zuschreiben können. Er beschrieb in seinem Werk Numismatique de l’Orient Latin (Paris 1878) nur einige Kupfermünzen. Sie nennen Francescos Namen und Titel und bilden auf der einen Seite das Wappen Gattilusio, auf der anderen das Wappen Palaiologos ab.
Doch seit 1878 sind neue Funde auf den Markt gekommen, und so kennen wir heute Goldmünzen von Francesco I. Gattilusio. E. Oberländer-Târnoveanu publizierte in Revue numismatique, 6e série, Tome 160, 2004, S. 223-240, einen Dukaten aus dem Fund von Dudaçu Schelei (Rumänien), der die Umschriften FRANCISCUS – DNS – METELINI und, in griechischer Sprache, „O Christus, schütze den Kaiser Johann Palaiologos“ trägt.
Es gibt jedoch auch Silbermünzen von Francesco Gattilusio, von denen wir hier das zweite bekannte Exemplar vorstellen können. Der Gigliato trägt ein Lilienkreuz, an dessen Balkenenden kleine Wappenschilde der Gattilusii zu sehen sind. Die lateinische Umschrift ist: +FRANC: GAT: DOMINUS METELINI: Auf der Rückseite sieht man einen thronenden Herrscher mit Kreuzzepter und Reichsapfel und die griechische Umschrift: +Iω Xω Tω Θω AγT(ligiert) BSΛεΟ ΠΑΛΟΛΟΓΟS (= Johannes durch Christus und Gott Autokrator und König Palaiologos).
Von dieser Münze war bisher nur ein Exemplar bekannt, das bei B. Peus Nachf., Frankfurt am Main, Auktion 328, 2.-4. Mai 1990, Nr. 1255, versteigert wurde. Das Exemplar bei Peus stammte aus anderen Stempeln, und die griechische Umschrift wurde als entstelltes CONRADV REX ROMANORUM gelesen. G. Giacosa veröffentlichte das Peus-Exemplar in den Quaderni Ticinese, Vol. 19, 1990, S. 337-344, beschrieb die griechische Umschrift jedoch noch als „una serie di caratteri latini deformati e privi di ogni senso“.
E. Oberländer-Târnoveanu erwähnte in seiner Veröffentlichung des Dukaten 2004 den bei Peus vorgekommenen Gigliato als „un gillat bilingue récement publié et mentionnant le nom et le titre de Jean V“. Er bezog sich dabei auf den Aufsatz G. Giacosas und auf einen Beitrag von S. Kophopoulos und A. Mazarakis in griechischer Sprache in I Gattilusio: Revisioni generalogiche e numismatiche, ed. A. Mazarakis, Athen 1996.
Die Seltenheit der Silber- und Goldprägungen mit Namen und Titel des Francesco Gattilusio lässt darauf schließen, dass diese Münzen nicht so sehr für den Geldumlauf geprägt wurden, sondern mehr der Repräsentation dienten. Francesco Gattilusio bewies mit der Prägung dieser Münzen nicht nur seine Stellung als Herr von Lesbos, sondern er verwies gleichzeitig auf seine guten Beziehungen zum byzantinischen Kaiser. Das Lilienkreuz mit den vier kleinen Wappen der Gattilusii an den Balkenenden folgt dem Vorbild der Gigliati der Johanniter auf Rhodos, die auch Wappenschilde mit dem Ordenskreuz an die Balkenenden setzten.
Das hier vorgestellte zweite bekannte Exemplar dieses Münztyps wurde im April 1987 als unbestimmter levantinischer Beischlag aus dem Lager von Spink Zürich gekauft. Es wird am 23. Mai 2019 im Rahmen der Sammlung Erich Wäckerlin, Münzen der Kreuzfahrerstaaten und ihrer Nachfolger, in Auktion 47 der Münzen & Medaillen GmbH in Weil am Rhein versteigert.
Einen detaillierten Vorbericht der Auktion 47 der Münzen & Medaillen GmbH finden Sie in der MünzenWoche.
Wikipedia bietet einige weitere Informationen über Gattilusio.