Ein Quantensprung der Katalogisierung Eidgenössischer Goldmünzen

Olivier Chaponnière, Goldmünzen der Schweiz 1851-2022. Gold, Platin, Palladium: Schweiz und Liechtenstein. Beschreibungen, Bewertungen, Zertifizierungen. Chaponnière & Firmenich, Genf 2022. 157 S., farbige Abbildungen. Paperback, 6,5 x 23 cm. ISBN: 978-2-940574-09-4. 25 Euro.
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Warum sind US-Münzen so teuer?

Münzen der Vereinigten Staaten von Amerika sind die teuersten der Welt – jedenfalls wenn es um Toperhaltungen geht. Das hat einen guten Grund. Der amerikanische Markt ist ein Investorenmarkt. Das bringt es mit sich, dass es sich ein Händler nicht leisten kann, eine herausragend erhaltene Münze nicht von einem der bekannten Grading-Institute bewerten zu lassen. Denn so eine Münze würde einen wesentlich niedrigeren Preis erzielen. Das hängt damit zusammen, dass mit dem Greysheet ein unabhängiger Marktbeobachter existiert, der regelmäßig für alle Erhaltungen der Sheldon-Skala einen Durchschnittspreis festlegt. Der Investor kann also genau sehen, ob der Trend aktuell nach oben oder nach unten zeigt. Sachkenntnisse sind damit bei einem Münzkauf nicht mehr notwendig. Die liefern das Greysheet und das Grading-Institut. Mit anderen Worten: Jeder, der in Münzen investieren will, findet bei US-Münzen einen extrem durchsichtigen Markt vor. Und das mögen Investoren.

Warum waren Schweizer Münzen so billig?

Das war bis zu Olivier Chaponnières Katalog der eidgenössischen Goldmünzen in der Schweiz anders. Der weit verbreitete HMZ-Katalog nannte nur für einige wenige, grob unterteilte Erhaltungsstufen konkrete Preise. Darüber hinaus gaben die Autoren gerade bei seltenen Münzen in überdurchschnittlicher Erhaltung gar keinen konkreten Preis an, sondern sprachen von einem Liebhaberpreis. Das war nicht gerade verkaufsfördernd. Denn gerade bei den Münzen, die für Investoren am interessantesten sind, brauchte es Sachkenntnis, um einen marktgerechten Preis zu zahlen. Für einen Sammler kein Problem. Für einen Investor ein Ding der Unmöglichkeit. Folglich hielt sich der klassische Investor von diesem Markt fern. Mit Ausnahme von einigen Spekulanten, die auf eine Wertsteigerung der besonders seltenen Stücke rechneten, blieb der Markt der eidgenössischen Goldmünzen fest in Sammlerhand.

Was ist das Revolutionäre an Olivier Chaponnières Werk?

Diese „gute alte Zeit“ gehört mit Olivier Chaponnières Werk der Vergangenheit an. Er legt den ersten Katalog vor, der eidgenössische Münzen wie US-Münzen behandelt. Er nennt gerade für die höchsten Erhaltungsgrade die Zahl der Stücke, die von NGC resp. PCGS gegradet wurden, zusammen mit einer Schätzung. Noch gibt es wenige eidgenössische Goldmünzen mit Grading, aber das wird sich schlagartig ändern. Denn mit den exakten Preisangaben und vor allem den großen Preisunterschieden zwischen MS60 und MS70 ist die Versuchung, seine Goldmünze zum Zweck der Gewinnoptimierung graden zu lassen, enorm.

Schauen wir uns das an einem konkreten Beispiel an. Es gibt die berühmten Gondo-Goldmünzen, die in den Jahren 1893 bis 1895 in winzigsten Auflagen hergestellt wurden. War Gondo-Gold bisher Gondo-Gold, gibt es jetzt einen erheblichen Preisunterschied zwischen der Erhaltung MS60/61 (geschätzter Marktwert 75.000 Euro) und MS67 (geschätzter Marktwert 200.000). Wobei das erst einmal eine Schätzung ist. Bisher wurden nämlich nur zwei 20 Franken-Stücke aus Gondo-Gold gegradet (beide mit MS62).

Aber was nicht ist, wird bald werden! Denn der Mensch ist ein gieriges Wesen, und wenn die Chance besteht, beim Verkauf mehr Geld aus den eigenen Münzen herauszuholen, investiert man gerne die verhältnismäßig niedrige Summe, die ein Grading kostet.

Der Schweizer Markt verliert seine Unschuld

Ich weiß es jetzt schon: Es wird Leserbriefe hageln, in denen sich Münzbegeisterte über die amerikanische Unsitte, Münzen in Plastiksärge einzuschweißen, echauffieren werden. Ich gebe es zu, ich amüsiere mich ein bisschen über diese Naivität. Als würde uns jemand fragen, ob wir eine Entwicklung, die weltweit stattfindet, gut oder schlecht finden! Wir werden die Slabs nicht aufhalten – zumindest im Bereich der maschinengeprägten Münzen des 19. und des 20. Jahrhunderts. Denn diejenigen, die aus Überzeugung bei diesem Spiel nicht mitmachen, werden bei einer Auktion für ihre Münzen einen erheblich niedrigeren Zuschlag erhalten, weil der internationale Investorenmarkt nicht mitbietet. Der neue Besitzer wird das Stück graden lassen und danach einen erheblich höheren Verkaufspreis erhalten, weil der internationale Investorenmarkt nun mal lieber gegradete Stücke kauft. Und dann wird sich derjenige, der seine Münze nicht in einen Plastiksarg legen wollte, ziemlich dumm vorkommen.

Kein Wunder, dass eminente Persönlichkeiten wie Mark Salzberg, CEO von NGC, Stephanie Sabine, Präsidentin von PCGS, und Marius Haldimann, Geschäftsführer der Swissmint, je ein Grußwort zum Katalog von Olivier Chaponnière beigesteuert haben. Sie sind die großen Gewinner seiner Arbeit, zusammen mit all denen, die heute bereits herausragend erhaltene eidgenössische Goldmünzen besitzen, und mit allen Münzhändlern, die bei höheren Preisen mehr Kommission für die gleiche Arbeit einheimsen.

Und seien Sie sich sicher: Die Preise für eidgenössische Goldmünzen werden steigen, wenn sie der internationale Investorenmarkt für sich entdeckt. Nicht umsonst ließ Olivier Chaponnière seinen Katalog für eine internationale Klientel aus dem Französischen ins Deutsche und Englische übersetzen.

Es bleibt nun zu warten, ob es den amerikanischen Grading-Instituten gelingt, Bewertungszentren in Europa einzurichten. Die langen Wartezeiten, die aktuell damit verbunden sind, die Münzen ins Headquarter nach Sarasota zu schicken, sind bei den kurzen Fristen zwischen Einlieferung und Auktion kontraproduktiv. Das könnte die Entwicklung verlangsamen, nicht verhindern.

Investorenmärkte bedeuten extreme Kursschwankungen

Nur eines sollte man sich bei Investoren getriebenen Märkten immer vor Augen halten: So schnell wie Preise steigen, können sie auch fallen. Münzen vom Sammelobjekt zum Investitionsgut zu machen, bedeutet extreme Preisschwankungen. Und deshalb hat der Markt für Schweizer Goldmünzen mit diesem Quantensprung der Katalogisierung seine Unschuld verloren.

Das Buch kann direkt über Chaponnière & Firmenich bezogen werden.