Stellen Sie sich vor, es ist Münzbörse und eine junge Frau gehört zu den Besuchern. Sie fühlt sich nicht verloren, weil viele andere Frauen vor und hinter den Tischen stehen. Erst sucht sie ein wenig herum, dann entscheidet sie sich und blättert einen höheren Betrag hin, um die Münze ihrer Wahl zu kaufen.
Der feministische Wunschtraum einer weiblichen Numismatikerin? Nein, Realität in Singapur.
Wir müssen vieles vergessen, wenn es in Singapur ums Münzsammeln geht. Natürlich, auch hier gibt es die wissenden, eingefleischten Sammler, die seit Jahrzehnten Münzen kaufen und genau wissen, wie selten das Stück ist, das sie da in einem Händlertablett sehen. Es gibt aber auch genau das, was wir bei vielen europäischen und amerikanischen Münzenmessen vermissen, die vielen neuen Sammler, die von einem Plakat oder Zeitungsinserat angelockt einfach mal so durch die Messehalle schlendern. Und sie sind kauffreudig. So bleibt es meist nicht beim Schauen: Sie greifen gerne zu, um eine besonders attraktive Münze mitzunehmen.
Das ist Politik. Kitty Quan, Veranstalterin der Singapore International Coin Fair, legt Wert darauf, dass gerade die Nicht-Sammler zu dem Event kommen, um vielleicht irgendwann dem Reiz der Numismatik zu erliegen. Vielleicht weil sie selbst Quereinsteigerin war. Heute ist Kitty, auch wenn sie es nie durchblicken lässt, ein numismatisches Schwergewicht. Sie ist Chefin von Panda America, einer amerikanischen Direct-Marketing Gesellschaft für Münzen mit Sitz in Los Angeles. Sie sucht und findet ihre Kunden vor allem im asiatischen Raum. Ihr Anliegen ist es, möglichst vielen Menschen zu vermitteln, wie spannend die Numismatik sein kann, und deshalb ist der Eintritt zur Singapore International Coin Fair für alle Besucher kostenlos, was nach ihren Aussagen pro Messe bis zu 9.000 Besucher in die Hallen bringt.
Die entdecken ein Angebot, das sich ebenfalls stark von westlichen Münzbörsen unterscheidet. Die Aussteller kommen aus 24 Nationen, darunter für unsere Verhältnisse so exotische Plätze wie Brunei oder Malaysia.
Wer zum ersten Mal die Halle betritt, stellt überrascht fest, welche Fülle von Banknoten auf den Tischen liegt. Banknoten werden hier fast noch mehr gesammelt als Münzen, gute Chancen für Banknoten-Händler also. Vor allem wenn sie nicht nur ihre großen Seltenheiten mitbringen, sondern die Banknoten, die eine „lucky number“ aufweisen, eine Glückszahl. Solche Banknoten werden im asiatischen Raum gerne zu besonderen Anlässen verschenkt und deshalb mit einem gehörigen Aufpreis gehandelt.
Natürlich gibt es die üblichen Neuheiten. Und man sieht viele Händler aus den umliegenden Ländern – Malaysia, Indonesien, Thailand, Kambodscha und Vietnam – im Saal herumgehen. Sie sprechen zwar kein Englisch, dafür haben sie auf ihrem Handy die Fotos aller Neuerscheinungen gespeichert, die sie gerne erwerben möchten. Die Verhandlungen werden mittels eines Blocks geführt, auf den die Verhandlungspartner abwechselnd ihre Zahlen schreiben. Und die Verhandlungen sind hart. Den angeschriebenen Preis will niemand zahlen.
Gefragt, ob sich die lange Reise nach Singapur denn lohne, hört man immer wieder: Ja, die Gewinnspannen seien erfreulich hoch und die Nachfrage ausgezeichnet, wenn man das richtige Material dabei habe.
Und was das richtige Material ist? Nun, sicher nicht die unansehnliche numismatische Rarität, sondern große, attraktive Stücke, die dem Käufer die Hoffnung auf eine Wertsteigerung bieten. Es ist auf jeden Fall nicht der schnelle Gewinn, der einen nach Asien führen sollte, sondern der sorgfältige und langjährige Aufbau einer eigenen Klientel. Marcel Häberling, dem ehemaligen Präsidenten der Schweizer Berufsnumismatiker, ist das gelungen. Er reist seit Jahren nach Singapur und Hongkong und hat eine reiche Auswahl Schweizer Schützenmedaillen dabei. Er hat seinen Kunden immer wieder erklärt, wie interessant die Stücke sind – und wie billig, verglichen zu ihrer Schönheit und ihrer Seltenheit. Heute gibt es für diesen Bereich Käufer. Und es gibt sogar einen auf Schweizer Schützenmedaillen spezialisierten Händler in Singapur, Mr. Keh, erst Sammler und Kunde von Marcel Häberling, heute selbst Händler und Freund des Hauses. Es berührt durchaus, wenn man seine Website sieht, auf der er potentiellen Käufern aus Asien erklärt, was dem Schweizer sein Schützenfest bedeutet.
Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass in Singapur auf Münzen, die nicht reine Anlageprodukte sind, GST fällig wird. Die Goods and Service Taxe (GST) in Höhe von 7 % wird beim Import erst einmal in Vorauszahlung fällig. Wer ein wenig Angst vor den Behörden von Singapur hat, dem sei gesagt, dass er seine Fragen in perfektem Englisch beantwortet bekommt, und zwar äußerst korrekt und im Interesse des „Kunden“. Kitty Quan und ihr Team, die Veranstalter der Messe, sind gerne bei allen Verwaltungsangelegenheiten behilflich.
Dafür bietet sich dem anreisenden Händler die Möglichkeit, mit Sammlern und Kollegen in Verbindung zu kommen, die er auf den Börsen Europas und der U.S.A. nicht regelmäßig trifft. So hatte zum Beispiel die japanische Traditionsmünzhandlung Taisei einen gemeinsamen Stand mit ihrem koreanischen Äquivalent Poongsan Hwadong, einer Münzhandlung mit Auktionshaus, die 2012 von dem bekannten Rondenproduzenten Poongsan gekauft worden ist. Poongsan ist bei uns deshalb so bekannt, weil viele Euromünzen auf seine Ronden geprägt wurden.
Ich kann mich bei meinen neuen Freunden aus Singapur, Korea und Japan eigentlich nur für die Gastfreundschaft bedanken, mit der ich in Singapur aufgenommen wurde.
Und mich entschuldigen bei allen, die ich mit meiner westlichen Vorliebe, dem Gesprächspartner ins Wort zu fallen, verärgert habe. Denn Achtung: Es gelten andere Regeln in Asien – und ich möchte nicht wissen, in wie viele Fettnäpfchen ich im Laufe meines Aufenthalts fröhlich getreten bin, ohne es zu merken. Nachdem ich entdeckt habe, dass es eigene Wikipedia-Einträge zur japanischen und koreanischen Essensetikette gibt, habe ich mir vorgenommen, mich das nächste Mal VOR der Einladung zu informieren, was als höflich gilt.
Wobei ich wahrscheinlich das Glück gehabt habe, dass man in Singapur durch die lange Kolonialvergangenheit an westliche Fauxpas gewöhnt ist.
Wie auch immer, früher, so wurde mir erzählt, seien nicht nur die ersten, sondern auch die letzten Stunden einer Münzbörse unglaublich hektisch gewesen. Denn in den letzten Stunden versuchte jeder potentielle Käufer, den Händler davon zu überzeugen, ihm das gewünschte Stück für einen billigeren Preis zu überlassen. Freunde haben mir erzählt, dass in den letzten Jahren diese Hektik ständig abgenommen habe, da diese potentiellen Käufer nun eine der wichtigsten Lektionen im Münzhandel gelernt hätten. Wie der Schweizer sagen würde: S’hät solangs hät. Die besten Münzen sind eben am schnellsten weg. Und manchmal hat es in der letzten Stunde überhaupt nichts mehr. Die Royal Australian Mint konnte sich darüber freuen, dass sie nichts einpacken musste, um es wieder nach hause mitzunehmen!
Ich bin mir ziemlich sicher: Das Team der Royal Australian Mint dürfte auch nächstes Jahr wieder nach Singapur zur Singapore International Coin Show fahren, so wie viele andere, die ich 2019 hier getroffen habe.
Nächstes Jahr feiert die Singapore International Coin Show ihren 10. Geburtstag. Kitty Quan wird sich ein paar ganz besondere Attraktionen dafür ausdenken.
Mehr über die Singapore International Coin Fair erfahren Sie auf der Website.
Die Coin Couch berichtete über die Singapore International Coin Fair 2016.
Und hier gibt es noch weitere fotographische Impressionen von der Singapore International 2019.