Münzerhaltungen im US-System: Sheldon-Skala, Grading-Firmen und Holder

Foto: NGC
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Das klassische System der Erhaltungsgrade aus Europa wird in den USA kaum noch angewendet. Hier setzten sich seit den 1970er Jahren eine Reihe von neuen Entwicklungen durch, die den weltweiten Münzhandel stark verändert haben. Wir erklären, was es mit diesen Entwicklungen auf sich hat, und warum sie so erfolgreich sind.

 

Die USA revolutionieren das System

In den 1970er Jahren wurde das Sammeln von Münzen zu einem Massenphänomen. Es sammelten nicht mehr hauptsächlich Professoren und Wohlhabende. Das Sammeln von Münzen wurde ein weit verbreitetes Hobby – mit dem sich ordentlich Geld verdienen, aber auch verlieren ließ. Auch Anleger begannen bald darauf, sich für Münzen zu interessieren. Unter diesen neuen Voraussetzungen hinterfragte man in den USA die bisherigen Standards der bis dahin recht kleinen Welt des Münzhandels.

Das betraf vor allem die Erhaltungsgrade. Die im europäischen Münzhandel üblichen Erhaltung wurden von einigen Münzhändlern in den USA als zu unkonkret wahrgenommen. Etwas Messbares musste her. In diesem Zusammenhang setzte sich in den 1970er Jahren die Sheldon-Skala durch. Es handelt sich dabei um eine modifizierte Fassung einer in den 1940er Jahren von William H. Sheldon ausgearbeiteten Skala, die eigentlich nur für maschinengeprägte US-Münzen gedacht war.

Die Sheldon-Skala ersetzt die europäischen Erhaltungsgrade durch eine konkrete Zahl 1 bis 70, wobei 70 der bestmögliche Zustand ist. Die Zahlen entsprechen dabei folgenden Abstufungen des europäischen Systems:

  • 20-39 – Very Fine, Sehr schön
  • 40-49 – Extremely Fine, Vorzüglich
  • 50-58 – About Uncirculated, fast unzirkuliert
  • 60-70 – Mint State – unzirkuliert/stempelglanz

 

Third-party Grading

In den 1980er Jahren kam es zu einer weiteren Entwicklung in diesem Zusammenhang. Bisher stammten die Einschätzungen des Erhaltungsgrades der Münzen von den Händlern selbst. Jahrelange Sammler konnten erkennen, wenn deren Einschätzung unzutreffend war, aber Neueinsteiger und Anleger waren dazu oft nicht in der Lage. Sie liefen also Gefahr, getäuscht zu werden. Wie also dem Sammler glaubhaft machen, dass eine Münze tatsächlich dem angegebenen Erhaltungsgrad entspricht? Indem man die Einschätzung der Erhaltung nicht dem Verkäufer überlässt, sondern einer dritten Partei!

1986 und 1987 wurden die ersten professionellen Grading-Agenturen gegründet, die die Münzen unparteiisch nach der Sheldon-Skala bewerten. Man spricht dabei von Third-party Grading, der Einstufung durch einen Drittanbieter. Heute gibt es viele Firmen dieser Art, die Marktführer sind die NGC (Numismatic Guaranty Company) und PCGS (Professional Coin Grading Service).

 

Was bedeuten Abkürzungen wie „MS64 NGC“ und „VF25 PCGS“?

Mit diesen Informationen können wir nun entschlüsseln, was es mit Abkürzungen wie „VF25 PCGS“ in Auktionskatalogen auf sich hat. Diese Angabe bedeutet, dass die Erhaltung der Münze von der Grading-Firma PCGS mit einer 25 von 70 bewertet wurde. Sie entspricht damit dem Erhaltungszustand VF – Very fine, was in Deutschland einem sehr schön (ss) entspricht. MS64 NGC bedeutet dementsprechend, dass die Münze von der NGC als eine 64 von 70 eingestuft wurde, was dem Erhaltungsgrad Mint State entspricht, zu deutsch unzirkuliert. Bieten Sie auf eine Münze mit dieser Angabe, sollten Sie noch etwas wissen: Sie werden sie in einer Plastikverpackung bekommen.

 

Eine Münze in einem Holder von NGC. Bestimmung und Bewertung der Münze sind aufgedruckt, dazu kommt das Logo der Firma und eine individuelle Zertifikatsnummer, die auf der NGC-Website überprüfbar ist und zusätzliche Sicherheit bietet. Foto: NGC.

Der Garant des Gradings: Holder

Wenn der Erhaltungsgrad einer Münze professionell ermittelt wurde, kommt der nächste Schritt des Gradings. Die Münze wird in eine durchsichtige Plastikhülle luftdicht eingeschweißt, auf der die Ergebnisse der Bewertung aufgedruckt sind. Bei diesen Hüllen spricht man von Holdern, umgangssprachlich auch von Slabs. Der Vorgang hat nachvollziehbare Gründe: So soll sichergestellt werden, dass der von der Firma garantierte Erhaltungsgrad der Münze nicht durch zukünftige Einwirkungen verändert wird. Gleichzeitig kann die Münze nicht ausgetauscht werden, und es bleibt klar zuordenbar, auf welche Münze sich die Zertifizierung bezieht. Öffnet man nämlich den Holder, verfällt die Zertifizierung.

 

Vor- und Nachteile

Mit diesem cleveren Prozess hat man aus den „unsicheren“ Münzen, deren Echtheit und Erhaltung stets erst überprüft werden musste, fest bewertete Stücke mit einem genau bezifferbaren, unveränderlichen Zustand gemacht. Damit schuf man die Grundlage dafür, dass der Münze als Anlageobjekt ein größeres Vertrauen entgegengebracht wird. Investoren sind daher eher bereit, große Summen für Münzen zu bezahlen – nicht umsonst erreichen Topstücke momentan ständig neue Spitzenpreise. Das Grading-Verfahren ist in den letzten Jahren so grundlegend für die Wertentwicklung der Münzen geworden, dass es sich vor allem in Amerika und Asien bei hochpreisigen Münzen durchgesetzt hat. Insgesamt wurden bisher über 80 Millionen Münzen gegradet und in Holder eingeschweißt.

Viele Sammler und Händler in Europa haben allerdings ihre Probleme mit dieser Entwicklung. Sie argumentieren, dass Gewicht und Rand einer Münze im Holder nicht mehr untersucht werden können und so die Echtheit der Münze von ihnen selbst nicht mehr ausreichend überprüft werden kann. Einige stört außerdem, dass sie ihre Münzen nicht in die Hand nehmen können und der „Plastiksarg“ die Ästhetik stört.

Natürlich steht es Ihnen frei, eine Münze, die Sie in einem Holder gekauft haben, aus diesem zu entfernen. Man sollte jedoch beachten, dass dabei nicht nur die in aller Regel preissteigernde Zertifizierung entfällt, sondern dass auch konservatorische Aspekte für die Holder sprechen. In der luftdicht eingeschweißten Hülle ist die Münze vor mechanischen und witterungsbedingten Schäden und Veränderungen weitgehend geschützt. Man kann auch einfacher mit ihr hantieren, ohne befürchten zu müssen, durch einen unachtsamen Handgriff die Münze fallen zu lassen und gleich einen schweren Randschaden verursacht zu haben.

 

In Auktionskatalogen werden Münzen normalweise nicht mit dem Holder gezeigt. Die vier weißen Halterungen in diesem Beispiel lassen schnell erkennen, dass sich die Münze in einem Holder befindet. Deutsch-Ostafrika, 15 Rupien 1916, Tabora. Aus Auktion Künker 350 (2021), Los 2158.

Wie lasse ich eine Münze graden? Was kostet mich das?

Wenn Sie Ihre Münzen graden und „slabben“ lassen wollen, können Sie sie bei den Grading-Firmen einreichen. Das geschieht in der Regel per Post. Es ist auch möglich, Münzen vor Ort in den Niederlassungen oder im Rahmen spezieller Grading-Tage auf Münz-Messen zur Bewertung einzureichen.

Die Kosten richtet sich nach dem Wert und der Art der Münze. Bei Münzen unter einem Wert von 3.000 Euro können Sie je nach Firma und Münze mit einem Preisspektrum von etwa 20 bis 50 Euro pro Stück rechnen. Genauere Informationen finden Sie auf den Seiten der entsprechenden Firmen.

 

In diesem englischsprachigen YouTube-Video zeigt die NGC den Weg der eingelieferten Münze durch die Etappen des NGC Einstufungsprozesses.

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