Angela Merkel hat als deutsche Bundeskanzlerin ihre Pflichten. Ihr Tag dürfte bis zum Anschlag gefüllt sein. Und trotzdem reiste sie bei einem überquellenden Terminkalender zum Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 nach Rio. Vor dem großen WM-Debakel besuchte sie die deutsche Elf 2018 sogar in ihrem Trainingslager.
Sind wir uns ehrlich, die ältliche Kanzlerin im Kreise der jungen Sportler wirkt auf den Pressebildern mehr als merkwürdig – und dem deutschen Staatsbürger brachte dieser Termin auch nicht wirklich etwas. Als PR-Mittel aber für eine um Zustimmung ringende Politikerin war der Besuch bei „unseren Jungs“ unschlagbar, denn allen Betrugs- und Dopingskandalen zum Trotz ist Sport heute positiv belegt, so positiv, dass man damit nicht nur das Image von Politikern, sondern auch die Verkaufszahlen von Münzen in die Höhe treiben kann.
Wie alles begann: Olympia 1972 in München
Wenn wir uns die frühen deutschen Gedenkmünzen ansehen, wird klar, dass Deutschland sich bis in die 70er Jahre als Land der Dichter und Denker definierte. Die meisten Münzbilder sind Literaten gewidmet. Philosophen, Naturwissenschaftler und die bildende Kunst ließ man gerade noch am Rande zu. Und dann kam Olympia und sein Finanzierungsloch.
1,582 Milliarden Deutsche Mark kostete die Münchner Olympiade von 1972. Das Organisationskomitee beabsichtigte, diese Summe ohne den deutschen Steuerzahler aufzubringen. Man organisierte also mehrere Lotterien, verkaufte die Rechte zur Fernsehübertragung und sammelte Spenden. Doch selbst wenn man noch die Eintrittsgelder hinzurechnete, blieb ein Finanzierungsloch von 831 Millionen Mark. Das war in den ausgehenden 60er Jahren eine erhebliche Summe Geldes!
Natürlich hatte man auch Olympiamünzen projektiert. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Gedenkmünzen im klassischen Sinne, also um Münzen, die man für den Nennwert auf der Bank bekam und mit denen das Zahlen theoretisch überall möglich war. Der Gewinn, den der Staat aus solchen Prägungen bezieht, berechnet sich – noch heute – aus dem Nominalwert abzüglich Präge-, Material- und Logistikkosten. Als Gewinn für die geplanten 30 Mio. Olympiamünzen à 10 DM budgetierte man 100 Millionen.
Im Januar kamen die ersten 6 Mio. Olympiamünzen an die Bankschalter. Sie waren noch am Erscheinungstag ausverkauft. Und natürlich zahlte niemand damit! Sofort legte das Organisationskomitee nach: Jetzt sollten vier Serien mit einer Gesamtauflage von 100 Mio. Stück den Gewinn aus der Prägung auf 250 Mio. Deutsche Mark anschwellen lassen.
Ein diplomatischer Fauxpas beschert den Olympiamünzen beste Presse
Der Clou dabei war, dass die ersten 10 Mio. Olympiamünzen mit einer Aufschrift versehen waren, die umgehend geändert werden musste. 1972 zogen nämlich zum ersten Mal DDR und BRD getrennt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele ein und folglich protestierte die DDR gegen die Münzumschrift „Spiele der XX. Olympiade 1972 in Deutschland“. Die BRD sei nicht Deutschland, sondern nur ein Teil davon, argumentierte man. Deshalb seien die Umschriften zu ändern.
Dies wurde umgehend umgesetzt. Und bald berichteten viele deutsche Zeitschriften, dass Sammler für die ursprünglich mit 10 DM gekauften Münzen der ersten Serie inzwischen 25 DM zahlen würde. Ja, dass man für eine Serie mit allen vier Prägeorten 110 Mark bekäme! Kein Wunder, dass zu diesem Zeitpunkt jeder in die Spekulation mit den Olympiamünzen einstieg. 1969 hatte die BRD 60,46 Mio. Einwohner, das heißt mit anderen Worten, dass auf jeden Deutschen 1,65 Olympiamünzen trafen. Babys und Greise mitgerechnet.
Nun waren in jenen Tagen 4.500 Journalisten als Olympia-Berichterstatter akkreditiert. Die 20.000 Exemplare des täglichen Olympia-Pressebulletins fanden reißenden Absatz. Und natürlich wurde auch damals nicht nur über die sportlichen Ereignisse berichtet. Alle suchten händeringend Themen, und das Münzthema war viel zu schön, um nicht darüber zu schreiben. Bald wusste die ganze Welt, wie erfolgreich die deutschen Olympiamünzen gewesen waren.
Deshalb sind seit 1972 Olympiamünzen ein wesentlicher Bestandteil der Finanzierung der Olympischen Spiele, bei dem natürlich auch das Olympische Komitee kräftig mitmischt. Nicht umsonst gibt es dafür in Lausanne eigens eine Olympische Kommission für Sammelobjekte. Die Münzen (und Briefmarken) haben nur deshalb an Bedeutung abgenommen, weil die Summen, die mit dem Verkauf der Fernsehrechte erwirtschaftet werden können, so exponentiell zugenommen haben.
Fußball? Wer interessiert sich denn für Fußball?
Dass man dasselbe mit einer Fußballweltmeisterschaft machen könnte, diese Idee hatte damals noch niemand. Als 1974 die deutsche Fußball-Elf die Weltmeisterschaft gewann, prägte die BRD ihre Gedenkmünzen zu Ehren des Jubiläums 25 Jahre BRD und Immanuel Kants. Die Fußball WM? Fehlanzeige.
Alles, was numismatisch von diesem Ereignis zeugt, sind die offiziellen FIFA-Medaillen und die Münzen, die aktive Münzverleger im Namen von Nationen wie Benin, Haiti oder Liberia anlässlich der WM herausgaben.
Und dann kam das Sommermärchen…
Und das war es dann. Sport fand auf deutschen Münzen rund drei Jahrzehnte lang nicht mehr statt. Während sich die deutsche Bundesliga zu einem Global Player entwickelte, hielt sich die Regierung mit Sportmotiven vornehm zurück.
Die Wende kam 2003. Für 2006 war wieder eine Fußballweltmeisterschaft auf deutschem Boden geplant, die zur Krönung in der Karriere eines intelligenten Protagonisten des deutschen Fußballs werden sollte. Wir sprechen von Franz Beckenbauer, dem Kapitän der siegreichen deutschen Elf des Jahres 1974. 1972 war er im richtigen Alter, um die Olympiamünzen mitbekommen zu haben. Wir wissen nicht, ob es tatsächlich Franz Beckenbauer war, der auf die Idee mit dem Münzen kam, aber wir trauen es ihm durchaus zu.
Das Organisationskomitee der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland hatte nämlich den Plan, mehr als ein sportliches Großevent zu veranstalten. Die WM sollte von einem umfassenden Kunst- und Kulturprogramm begleitet werden, dessen Kosten auf 30 Mio. Euro budgetiert waren. Doch dafür fehlte das Geld.
Erinnern wir uns an das Jahr 2003: Damals wurde in ganz Deutschland heftig diskutiert, wie man an den Ärmsten der Armen, den Langzeitarbeitslosen, von denen es nach der Wiedervereinigung leider viel zu viele gab, noch weiter sparen könnte. Hartz IV wurde am 24. Dezember 2003 Gesetz. In diesen Jahren legte ein Kanzler der SPD die Grundlage dafür, dass Deutschland heute ein Niedriglohnland ist, in dem es Beschäftigungen gibt, von denen man trotz Vollzeitarbeit nicht mehr leben kann. In dieser politisch aufgeheizten Situation darüber zu diskutieren, wie man mit Steuermitteln ein 30 Millionen Kunst- und Kulturprogramm finanzieren wolle, das war politisch einfach nicht vermittelbar.
So schlug das Organisationskomitee vor, im Eilverfahren WM-Gedenkmünzen zu genehmigen und zu produzieren. Das für Münzen zuständige Referat ließ sich überzeugen, doch in Deutschland ist es letztverantwortlich der Finanzminister, der über die Ausgabe von (Gedenk-)Münzen entscheidet. So wurde die Angelegenheit zu einem Politikum. Um die Zustimmung der Politik zu erreichen, nahm das Gremium, das für das Kunst- und Kulturprogramm verantwortlich zeichnete, jeweils einen Vertreter der vier Fraktionen des deutschen Bundestags auf, damit die Steuergelder unter politischer Überwachung stünden. Und dann waren die Kulturpolitiker eingeschnappt, weil nicht sie, sondern die Kollegen aus dem Sportausschuss in diesem Gremium sitzen (und wahrscheinlich Fußballspiele gucken) durften.
Die vier Emissionen mit 16.550.000 geprägten Stücke spielten genug Geld ein, um die 30 Mio. Euro für das Kunst- und Kulturprogramm zu sprechen. Davon wurden 24 Mio. für die fast 50 Projekte eingesetzt, der Rest zurückgegeben.
Die 20 Mio. Euro Erlös, die aus dem Verkauf der 100 Euro-Goldmünze fließen sollten, kamen übrigens nicht in diesen Topf. Sie waren dezidiert dafür gedacht, die Gala am Beginn der Veranstaltung mitzufinanzieren.
Ein Blick auf die Motive
Sehen wir uns bei der Gelegenheit einmal die Motive genauer an, die auf den Münzen zu sehen sind. Oder besser nicht zu sehen sind. Was auf all den Darstellungen völlig fehlt, sind die Sportler. Zur WM wurden Motive gewählt, die wirken, als fände der Fußball nur mit Hilfe eines Balls statt und zwar ganz ohne einen Fuß, der ihn tritt.
Damit setzte sich die Ästhetik der Olympiamünzen von 1972 nahtlos fort: Bei ihnen waren nur auf einem einzigen Typ zwei stilisierte geschlechtslose Sportler dargestellt, bei denen man nicht entscheiden kann, welche Sportart sie eigentlich vertreten.
Der erste erkennbare Sportler ist eine Sportlerin
Und damit ist der erste, auf einer deutschen Münze eindeutig einer bestimmten Sportart zuzuweisende Sportler, eine Sportlerin. Eine Speerwerferin, um genau zu sein. Sie wurde 2009 auf der Gedenkmünze anlässlich der 12. Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin dargestellt.
Warum wechselte das Motiv auf einmal so drastisch? Ganz einfach: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hatte diesmal ganz klar die Öffentlichkeit gefragt, was sie denn gerne auf einer Sportmünze sehen würden. Die Antwort der 4.000 Sammler lautete, dass man sich – wie in der Zeitschrift prägefrisch zu lesen – „ein gegenständliches Motiv wünschen [würde], am liebsten einen Sportler oder eine Sportlerin beim Speerwurf und das Berliner Olympiastadion als Austragungsstätte“. Gesagt umgesetzt: Die Jury entschied sich für den Entwurf von Bodo Broschat, der genau diese Anforderungen erfüllte.
Wer verkaufen will, ist lernfähig
Und weil das Finanzministerium mittlerweile gelernt hat, dass man mit Gedenkmünzen das eine oder andere finanzieren kann, richtet man sich inzwischen gerne nach den Vorgaben der Sammler: So zeigt die Gedenkmünze „41. Alpine Ski-Weltmeisterschaft“ von 2011 einen Slalomläufer, die Gedenkmünze zu Ehren der „Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen“ aus dem gleichen Jahr eine Fußballspielerin und die Gedenkmünze auf „50 Jahre Deutsche Sporthilfe“ eine Gruppe von Läufern.
Ein Kotau vor Modesportarten
Dass man gerade mit den Sportmotiven auf ein junges Publikum abzielt, dafür ist die neue 10-Euro-Serie der BRD eine wunderbare Illustration. Unter dem Titel „Luft bewegt“ wird derzeit aktuellen Trendsportarten gehuldigt: Paragliding und Strandsegeln.
Was man bisher vergebens auf deutschen Münzen sucht
Was bisher nie auf deutschen Münzen abgebildet wurde, sind reale Sportler – gleich ob noch lebende oder schon tote. Und das hat zumindest bei lebenden Sportlern einen guten Grund: Schließlich ist der Weg vom Idol zum Thema der Klatschspalten nicht weit.
Man denke nur an einen Tennisstar, der heute eher wegen seiner Affären als seines knallharten Aufschlags berühmt ist. Oder an jenen wegen Steuerhinterziehung straffällig gewordenen Fußballkönig. Nicht zu vergessen jener Fußballstar, der als Muster der Integration galt, und dann eine den an deutsche Demokratie gewohnten Bürgern dieses Landes nicht vermittelbare Affinität zur türkischen Regierung zeigte.
Mit anderen Worten: Zum Zeitpunkt, zu dem ein Sportstar ein Idol ist, ist er oder sie noch jung genug, um ein langes Leben vor sich zu haben. So ein langes Leben bietet genügend Gelegenheiten, peinliche Dinge zu tun. Und möchten wir wirklich einen drogenabhängigen, steuerbetrügerischen, dopenden, herumv… (nicht druckfähiges Wort, aber Sie wissen, was gemeint ist) Sportstar auf einer staatlichen deutschen Münze? So eine Münze kann man ja nicht mehr ungeschehen machen!
Ein Blick über den Zaun
Jenseits der Mauer spielte der Sport eine entscheidende Rolle dabei, die Überlegenheit des sozialistischen Systems im internationalen Wettbewerb zu manifestieren. Trotz Knappheit an Devisen war in der DDR für die Sportförderung immer genug Geld vorhanden. Man denke nur an die unglaublichen Erfolge des Landes bei Olympischen Spielen! 1972 zum Beispiel, als die DDR erstmals getrennt von der BRD antrat, gewann das Land mit seinen rund 17 Mio. Einwohnern 66 Medaillen (davon 20 Goldmedaillen) und lag damit an dritter Stelle des Medaillenspiegels hinter der Sowjetunion und den USA, aber vor dem Gastgeberland BRD mit 40 Medaillen (davon 13 Goldmedaillen).
Auf den Münzen der DDR dagegen fand Sport nicht statt, mit einer Ausnahme: 1988, kurz vor dem Ende der DDR, wurde eine einzige Münze mit einer Sportdarstellung geprägt: Sie war dem Jubiläum 40 Jahre Deutscher Sportausschuss gewidmet und zeigte drei Läuferinnen.
Was tat sich in Österreich?
Österreich definiert sich als Alpenrepublik. Hier findet Sport zumeist auf zwei Brettern statt. Und tatsächlich sind in der österreichischen Münzprägung die Skisportarten im Münzbild geradezu beherrschend.
1964 prägte das Österreichische Hauptmünzamt eine Olympiamünze anlässlich der IX. Olympischen Winterspiele in Innsbruck. Eine wohlgemerkt. Von dem Skispringer vor Tiroler Berglandschaft, der gerade von der Bergiselschanze abgesprungen ist, wurden 2.900.000 Exemplare à 50 Schilling (= 3,60 Euro) produziert.
Die XII. Winterspiele 1976 in Innsbruck wurden da schon anders zelebriert. Schließlich hatte man aus den Olympiamünzen in Deutschland gelernt, dass man mit diesen Prägungen zumindest einen Teil der Kosten der Olympischen Spiele bezahlen konnte. Die Regierung orderte 20,5 Mio. Münzen im Wert von je 100 Schillingen (= 14,2 DM = 7,1 Euro). Es gab vier Typen, von denen drei nicht nur im Wiener Hauptmünzamt geprägt wurden, sondern auch in der eigens für diesen Zweck reaktivierten Münzstätte Hall. Damit erhöhte man ohne große Kosten die Zahl, die ein Sammler kaufen musste, um alle Typen in seiner Sammlung zu haben, von vier auf sieben.
Um zu verstehen, wie hoch diese Zahl ist, müssen wir die geprägten Stücke noch einmal mit der Bevölkerung ins Verhältnis setzen. Während bei der Münchner Olympiade 1,65 Olympiamünzen auf jeden Bürger trafen, waren es bei den Innsbrucker Winterspielen von 1976 2,7 Stück.
Die Motive? Nun, alles nur keine Menschen. Der Abfahrtsläufer, der auf einem der Münztypen abgebildet ist, ist derart verfremdet, dass man ihn kaum als solchen erkennt.
Unter der Leitung der Österreichischen Nationalbank
Zum 1. Januar 1989 ging nicht nur die österreichische Münzstätte, sondern auch das Prägeprivileg an die Oesterreichische Nationalbank über. Und die machte aus ihrer Münzstätte ein Profitcenter, das sich weniger den parteipolitischen Parolen als vielmehr dem Sammler verpflichtet sehen sollte. Es dauerte dann auch nur sechs Jahre, bis man sich in Wien an Olympiamünzen versuchte. Natürlich nicht wegen eines im Land stattfindenden Ereignisses. 1995 versuchte die Münze Österreich an das beliebte Sammelgebiet anzuknüpfen, indem es eine Sammlerserie zum 100. Geburtstag der Olympischen Spiele herausgab.
Der wesentliche Unterschied zu allen bisherigen Olympiamünzen war die Tatsache, dass gleichzeitig keine Olympischen Spiele im Land stattfanden und es sich ausschließlich um Sammlerprodukte handelte, die in der Erhaltung Polierte Platte weit über dem Nominalwert vertrieben wurden. Das Ergebnis: Die relativ niedrige Auflage von 100.000 Exemplaren wurde nicht verkauft. Fast ein Drittel aller geprägten Stücke musste wieder eingeschmolzen werden. Zum Vergleich: von den Olympiamünzen 1976 war von jedem Münztyp eine Sammlerausgabe in PP produziert worden, und hier lag die Auflage der heiß begehrten Stücke zwischen 179.000 und 373.600.
Nichtsdestotrotz ist diese Serie von Bedeutung, denn auf ihr begegnen wir dem ersten namentlich bekannten Sportler, der auf einer Münze aus dem deutschsprachigen Raum dargestellt ist. Thomas Stangassinger, in den 90er Jahren ein Idol! 37mal landete er auf dem Podium. 1999 gewann er den Weltcup im Slalom, 1994 Olympia in derselben Disziplin. Aber achten Sie auf die Darstellung. Wenn man nicht weiß, wer auf der Münze dargestellt ist, könnte es sich um jeden beliebigen Skifahrer handeln. Die andere Münze derselben Serie zeigt eine namenlose Turnerin mit dem Band. Damit ist eine Assoziation der Münze mit der konkreten Person stark eingeschränkt: Sollte sich Herr Stangassinger, der mittlerweile rund 55 Jahre alt ist, noch einen medienträchtigen Skandal leisten, würde sich höchstens eine Minderheit daran erinnern, dass ihn die Oesterreichische Nationalbank einst für würdig hielt, Österreich zu vertreten.
Lektion gelernt
Seitdem findet Sport numismatisch gesehen in Österreich nur noch auf den 5 Euro-Stücken statt, die es auch zum Nennwert bei den Banken gibt: 2004 wurde eine Prägung auf „100 Jahre Österreichischer Fußballbund“ herausgegeben, 2005 auf „100 Jahre Österreichischer Skiverband“, 2008 zwei Münzen auf die „XIII. Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz“, 2010 zwei Münzen auf die „XXI. Olympischen Winterspiele in Vancouver“, und 2012 auf die 42. Alpine Ski-Weltmeisterschaft 2013 in Schladming“.
Ist es Ihnen aufgefallen? 2010 wurde versucht, die allgemeine Olympiamünzen-Sammler-Hysterie auszunutzen, um ebenfalls ein Produkt zu vermarkten, das die damals gerade stattfindenden Olympischen Spiele thematisierte. Nun gilt aber die Münzprägung, die aus diesem Anlass entstand, als Wendepunkt im Sammelgebiet Olympia. Die (staatliche) Gier war zu groß geworden. Die Royal Canadian Mint produzierte so viele verschiedene Produkte, dass kein Sammler sich alle leisten konnte. Viele von ihnen hörten deshalb vollständig mit dem Sammeln von Olympiamünzen auf.
Und auch die Münze Österreich hat seitdem keine Münze mehr auf eine „Fremdolympiade“ geprägt.
Sport in der Schweiz
Ein Blick auf die Münzprägung der Eidgenossenschaft vervollständigt das Bild. Die erste „Sportmünze“ wurde erst 2003 geprägt, vorher waren all die Speere und Armbrüste, die auf Münzen zu sehen sind, nicht Sport-, sondern Kriegsgerät.
Die Motive der wenigen Stücke, die seitdem entstanden sind, orientieren sich an den Lieblingssportarten der Schweizer, am Abfahrtslauf, wie auf den beiden Gedenkmünzen anlässlich der 37. Alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Sankt Moritz von 2003, am heiß geliebten Eishockey (20 Franken 2008) und an so exotischen Freizeitvergnügungen wie „Schwingen“ oder „Hornussen“, bei denen der Nicht-Schweizer erst auf Wikipedia nachgucken muss, um zu erfahren, um was genau es sich handelt.
Ein echter Knüller zum Schluss
Anfang Dezember 2019 wurde bekannt, dass die Swissmint sich entschieden hat, einen lebenden und noch aktiven Sportler auf ihren 20 Franken-Gedenkmünzen zu ehren. Es handelt sich um den Schweizer Tennisstar Roger Federer, der ausdrücklich nicht nur wegen seiner sportlichen Erfolge, sondern auch wegen seines sozialen Engagements als vorbildlicher Botschafter der modernen Schweiz gesehen wird. Ihm zu Ehren wird es eine Silber- und eine Goldmünze geben.
Etwas Vergleichbares gab es bisher – jedenfalls nach Wissen der Autorin dieses Artikels – noch nicht. Der 2017 auf der niederländischen Gedenkmünze zu 5 Euro geehrte Fußballspieler Johan Cruijff war am 24. März 2016 verstorben, und das genauso wie der Motorradfahrer Marco Simoncelli, der im gleichen Jahr von der Republik San Marino auf eine Münze gesetzt wurde: den hatte ein Rennunfall 2011 das Leben gekostet.
Gesellschaftlicher Wandel
Roger Federer (*1981) hat hoffentlich noch viele Jahre Zeit, sein soziales Engagement zu leben und ist wahrscheinlich schon gereift genug, um keinen Skandal zu riskieren, der es die Schweiz bereuen lässt, ihn zu ihrem numismatischen Botschafter gemacht zu haben.
Eines aber zeigt die Entwicklung eindeutig: Der Sport ist nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Er hat eine viel entscheidendere Bedeutung übernommen: Die Sportler – und natürlich auch die Sportlerinnen – wurden die neuen nationalen Idole. Sie sind es, die mit ihrem Talent, ihrer Disziplin und unglaublich viel Arbeit von den untersten Gesellschaftsschichten an die Spitze aufsteigen und dank großzügiger Preisgelder reich werden. Wer früher davon träumte, einen Prinzen zu heiraten, dem werden heute die Knie schwach, wenn er einem berühmten Fußballspieler gegenüber steht.
Vorbei sind die Zeiten, als eine Agatha Christie glaubhaft einen Krimiplot auf einer Mesalliance zwischen reicher Erbin und erfolgreichem Tennisspieler aufbauen konnte. Denn noch kein Schweizer Manager, kein General, kein Autor, kein Maler hat es zu Lebzeiten auf eine Schweizer Münze geschafft. Das blieb einem Schweizer Sportler vorbehalten! Wie gesagt, ein echter Knüller zum Schluss.
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