Plus Minus 16 Milliarden – Die Missing Millions von Liberia

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Alles roch nach einem Korruptionsskandal, wie ihn das arme südwestafrikanische Land schon oft hat erleben müssen. Aber dieses Ausmaß war selbst in Liberia neu.

Im Jahr 2018 wurde bekannt, dass eine druckfrische Ladung Geldscheine nicht aufzufinden sei. Dabei handelte es sich nicht etwa um „Peanuts“. Es ging um 16 Milliarden Liberianischer Dollars, umgerechnet etwa 100 Millionen USD.

Die ganze Sache war höchst undurchsichtig. Die vorherige Regierung hatte die Herstellung der Geldscheine bei der US-Firma Crane bzw. dem schwedischen Ableger Crane Currency AB in Auftrag gegeben. Ende 2017, während des Regierungswechsels, war die Lieferung geplant. Ob die Scheine tatsächlich ankamen oder nicht und wenn ja wann – darüber herrschte Verwirrung.

Korruption?

Zunächst hieß es, sie seien im Hafen gestohlen worden. Ein Aufschrei ging durchs Land. Man erhob Vorwürfe gegen Ellen Johnson Sirleaf, ehemalige Regierungschefin. Sie, immerhin die erste Frau, die in Afrika als gewähltes Staatsoberhaupt regierte, genoss lange Zeit einen sehr guten Ruf. Sie hatte dem Land Stabilität verschafft und dafür den Friedensnobelpreis erhalten. Doch Korruption blieb auch unter ihrer Regierung ein Thema.

Die neue Regierung von Präsident George Weah, der seinen hohen Bekanntheitsgrad einer Karriere als Profi-Fußballspieler verdankt, sagte aus, nicht über die Lieferung des Geldes informiert gewesen zu sein. So kam es zu Verhaftungen unter den führenden Managern der Central Bank of Liberia. Unter ihnen war sogar der Zentralbankchef und sein Stellvertreter Charles Sirleaf, Sohn der ehemaligen Präsidentin. Als „missing millions“ ging die Story von den verschwundenen Geldscheinen um die Welt.

Das Hauptgebäude der Central Bank of Liberia. Die Bank stand im Mittelpunkt des Skandals. Bild/Image: Jefferson Krua / CC BY SA 4.0

Der Kroll Report oder: Was für ein Plot Twist!

Um den Fall zu lösen, wurde Hilfe im Ausland angefordert. Die United States Agency for International Development (USAID) und die von ihr beauftragte Consulting-Firma Kroll kamen nach umfangreichen Untersuchungen in ihrem Bericht vom Februar 2019 zu einem verblüffenden Ergebnis: Das Geld hatte nie gefehlt! Doch wie genau man etwa 100 Millionen Dollar verlegen kann, nun, die Antwort blieb der Bericht schuldig.

Der Bericht zeichnet das Bild einer heillosen Schlamperei. So wurde mehr Geld geliefert, als bisher vermisst wurde. Bei der Bestellung der Central Bank of Liberia fehlte die formelle Zustimmung der Regierung, und es wurde anscheinend mehr bestellt als genehmigt. Auch waren die Angaben darüber, wie viel eigentlich geliefert und bestellt wurde, sehr undurchsichtig, genauso wie die Frachtpapiere und die interne Buchführung der Bank hinsichtlich Geldbewegung zwischen den Tresorräumen. Umgerechnet scheinen etwa 15 Millionen Dollar mehr geliefert worden zu sein als gedacht.

Dazu wurden nicht ansatzweise genug alte Geldscheine aus dem Verkehr gezogen. Plötzlich kursierte viel zu viel Bargeld mit schweren Folgen für die Wirtschaft von Liberia. Es roch weiterhin nach Korruption.

Die Regierung in Liberia sah vor allem den Hersteller Crane in der Verantwortung. Es wurden schwere Vorwürfe erhoben: Wirtschaftssabotage, kriminelle Verschwörung, und Begünstigung von Kriminalität. Liberia stufte Crane als unerwünscht ein. Selbstverständlich wehrte sich Crane gegen diese Vorwürfe.

Viel Lärm um nichts?

Doch dann, einige Monate später, ein plötzlicher Sinneswandel: Die Anschuldigungen gegen Crane wurden fallengelassen. Die Regierung stellte fest, dass man, nachdem man sich die Fakten angeschaut habe, zur Überzeugung gelangt sei, Crane hätte nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Auch die Anklagen gegen die Zentralbank-Mitarbeiter wurden im Mai 2020 fallengelassen.

Inzwischen hat die Regierung einen neuen Auftrag erteilt. Wieder sollen große Mengen an liberianischen Dollars geprägt werden. Und wieder ging der Auftrag an Crane.

Laut Medienberichten betonte die Central Bank of Liberia, man werde in enger Zusammenarbeit mit Kroll ein neues Tracking-System für Geldscheine entwickeln, um so in Zukunft ihren Verbleib jederzeit nachvollziehen zu können.

 

Dem Bericht von Kroll finden Sie hier.

Hier finden Sie eine Stellungnahme von Crane zu den Vorwürfen.

Ein populäres liberianisches Lied aus der Zeit trägt den Titel „Bring our Container back“ Gemeint wird damit der Frachtcontainer, in dem man die „Missing Millions“ verschwunden wähnte.