Zwischen Sammelobjekt, Investment und Glücksspiel: Die Privy-marked Proof 2020-W American Eagles

Diese kleine Punze macht den Unterschied: Die Golden Eagles mit der „privy mark“ V75 für das Jubiläum 75 Ende des Zweiten Weltkriegs lösten erst einen Massenansturm auf den Webshop der US Mint aus – und danach eine Lawine von Beschwerden von Sammlern, die keine Münzen kaufen konnten wegen der extrem niedrigen Auflagenhöhe. Foto: US-Mint (Detail).
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Rund 390.000 potentielle Kunden versuchten am 5. November 2020 gleichzeitig, eine US-amerikanische Goldmünze zu kaufen, die sich nur in einem winzigen Detail von der bekannten und beliebten Anlagemünze, dem American Eagle, unterschied: Den Privy-marked Proof 2020-W American Eagle. Er hebt sich von seinem Anlagebrüderchen optisch nur durch eine winzige Punze im Feld rechts ab: Das V steht für Victory und die 75 für das Jubiläum 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs.

Der Privy-marked Proof 2020-W American Eagle in Gold. Foto: US-Mint.

Passend zum Datum wurden 1.945 Stück der Goldmünze im Gewicht von einer Unze geprägt. Sie wurden zum Preis von 2.600 $ angeboten. Ebenfalls passend zum Jubiläum hatte die US Mint 75.000 Stück der Silbermünze im Gewicht von einer Unze hergestellt. Kunden konnten sie zum Preis von 83 $ kaufen.

Der Verkauf wurde ausschließlich über das Internet abgewickelt – und zwar ohne die Möglichkeit der Vorbestellung. Ob Sammler, ob Händler, ob langjähriger Kunde, ob neuer Investor, alle wurden bei dieser Form des Verkaufs gleich behandelt: Sie konnten sich am 5. November ab 12 Uhr auf der Münzstätten-eigenen Website einloggen, um ihre Bestellung zu tätigen. Jeder Besteller war auf ein einziges Exemplar von Gold- und Silbermünze beschränkt.

Höhere Prägezahlen bei Sammlermünzen

Nun ist dieser spezielle Goldadler natürlich nicht die einzige Goldmünze, die von der US Mint für den Sammlermarkt produziert wurde. Aktuell gibt es mehrere Gedenkmünzen in Gold im Angebot, so zum Beispiel die ebenfalls im Gewicht von einer Unze Gold ausgegebene American Liberty 225th Anniversary, die aktuell auf der Website der US Mint für 2.540 $ zu kaufen ist. Für sie hat der Kongress, wie für Gedenkmünzen in Gold durchaus üblich, ein Prägelimit von 100.000 Stücken ausgegeben. Solche hohen Limits sind üblich und werden häufig nur zu einem Teil ausgeschöpft. Die tatsächlichen Prägezahlen richten sich nach dem Verkauf.

Für Silbermünzen sieht das ähnlich aus. Für den Silberdollar, der anlässlich der 100-Jahrfeier des Wahlrechts für Frauen ausgegeben wurde, legte man ein Prägelimit von 400.000 Stück fest. Für den 2020 produzierten Half Dollar auf die Basketball Hall of Fame, der mit einem Farbauftrag versehen ist, wurde die Auflage bei 75.000 Stück fixiert. Insgesamt dürfen von der Prägung mit diesem Motiv 750.000 Stücke hergestellt werden.

Privy-marked Eagle mit extrem niedriger Auflage

Damit hatte der Privy-marked Proof 2020-W American Eagle sowohl in Gold als auch in Silber ein unglaubliches Alleinstellungsmerkmal: Die Auflage war für US-amerikanische Münzen enorm niedrig. Das verstand jeder, der sich für Münzen als Anlage interessiert. Die Goldmünzen waren nach sieben, die Silbermünzen nach 90 Minuten ausverkauft.

Zwei Objekte bei eBay: Wer 13.500 oder 17.000 Euro zu zahlen bereit ist, kann sich jederzeit den Privy-marked Proof 2020-W American Eagle in Gold kaufen. Anscheinend waren viele so vernünftig, das nicht zu tun. Das Angebot steht bereits länger im Netz.

Eigentlich ein schönes Ergebnis, möchte man meinen. Doch den 1.945 Sammlern, die tatsächlich eine Goldmünze ergatterten und sie nun auf eBay für 15.000 bis 20.000 $ anbieten können, stehen Hunderttausende von verärgerten Sammlern gegenüber, die dieses Glück nicht hatten. Bei den Silbermünzen ist die Verärgerung nicht ganz so groß, vielleicht weil diese „nur“ auf 300-400 $ gestiegen sind.

Enttäuschte Sammler

Was die Sammler bewegt, fasst eine bekannte numismatische Zeitschrift in einem Beitrag mit dem Titel „Genug ist Genug…“ zusammen: Als Sammler würde man regelmäßig für hohe Preise Münzen direkt von Münzstätten kaufen, Münzen, die auf dem Zweitmarkt wesentlich weniger wert seien als sie beim Ankauf gekostet hätten. Und nun könne man die einmalige Chance auf eine Wertsteigerung nicht wahrnehmen, erstens weil zu wenig Münzen geprägt worden seien, und zweitens weil nicht nur die Sammler, sondern auch die Nicht-Sammler verstanden hätten, dass man mit dieser Münze einen Gewinn machen könne, und den Sammlern die Münzen weggekauft hätten.

Wir müssen uns nicht mit der Logik dieser Beschwerde auseinandersetzen, denn es geht dabei nicht um Logik, sondern um Enttäuschung, die Enttäuschung, die jeder Sammler fühlte, der zwar rechtzeitig vor dem Computer saß und damit alles tat, um die Münze zu bekommen, dann aber trotzdem leer ausging. Dass es bei einem gleichzeitigen Zugriff von 390.000(!) potentiellen Kunden auf ein einziges Produkt für keine Website der Welt einfach ist, den üblichen Service zu bieten, wollen die enttäuschten Käufer in diesem Moment nicht nachvollziehen. So berichtete ein Sammler der Zeitschrift Coin World: „Das war bis jetzt die schlimmste Erfahrung mit der Münzstätte. Ich kam durch den ganzen Prozess bis zur letzten Überprüfung und musste nur noch meine Bestellung bestätigen, um danach wieder auf „Checkout as a guest“ zurückgeworfen zu werden, um ganz von vorne zu beginnen. Ich muss diesen Prozess mehr als zehn Mal gemacht haben, bevor ich die Information erhielt, dass dieses Produkt nicht länger verfügbar sei.“

Und gleich danach ein Dejà-vu

10 $ 400 Jahre Mayflower in Gold. Foto: US-Mint.

Nicht einmal zwei Wochen danach ging am 17. November 2020 ein Set in den Verkauf, das die Royal Mint und die US-Mint gemeinsam anlässlich des Jubiläums 400 Jahre Mayflower hergestellt hatten. Es handelte sich um eine Kombination von Münzen und Medaillen, wobei die Auflage der Münzen ebenfalls mit 5.000 für die Goldmünze und 20.000 für die Silbermünze wesentlich niedriger lag, als für vergleichbare Produkte der US Mint. Eine Wiederholung des bereits Geschehenen war vorauszusehen.

Beginnt der Verkauf von US-Produkten normalerweise High Noon, also 12 Uhr EST, hatte man ihn speziell für diese Produkte auf 9 Uhr vorverlegt, eine Tatsache, die nur Stunden vor Verkaufsbeginn mittels einer nächtlichen Pressemeldung kommuniziert wurde. Man kann nun spekulieren, ob die US Mint die Vorverlegung deshalb beschloss, um auch Käufern aus dem United Kingdom die Möglichkeit zu geben, ein Stück zu einer akzeptablen Tageszeit – nämlich um 14.00 Uhr – zu kaufen. Oder ob die US Mint den erneuten digitalen Ansturm von 390.000 Käufern fürchtete, zu denen sicher auch noch all diejenigen gestoßen wären, die zahlreiche Presseberichte auf die Chance beim Münzkauf in ein paar Sekunden das große Geld zu machen, erst aufmerksam gemacht hatten.

Wie zu erwarten, waren die Münzen auch diesmal bereits eine Stunde später ausverkauft. Und die Empörung in Sammlerkreisen war so groß, dass sich Münzstätten-Direktor David Ryder veranlasst sah, einen Tag später einen offenen Brief an die Kunden der Münzstätte zu schreiben. Es ist ein guter Brief. Ein Brief, der vom ehrlichen Bemühen zeugt, den Sammler in seinen Wünschen ernst zu nehmen. Es ist aber auch ein Brief, der zeigt, dass – gleich, was eine Münzstätte tut – sie es nicht allen wird recht machen können.

Denn ist die Auflage zu hoch, verkaufen sich Münzen auf dem Zweitmarkt unter dem Einstandspreis. Ist die Auflage zu niedrig, schnellen die Preise in die Höhe, aber all die treuen Kunden, die kein Stück abbekommen haben, sind empört. Wir müssen uns das ein bisschen so vorstellen wie eine Lotterie, bei der jedes Los einen Gewinn darstellt, und bei der die von der Münzstätte zur Verfügung gestellte Technik den größten Teil der Kunden daran hinderte, ein Los zu erwerben.

Unzufriedenheit gibt es bei jedem Bestellsystem

Teil des Problems ist eine Entscheidung der US Mint. Sie schließt aus, dass Vorbestellungen platziert werden, was übrigens andere Länder – wie Deutschland oder die Schweiz zum Beispiel – ermöglichen. Gehen dort mehr Bestellungen ein, als Münzen vorhanden sind, werden sie unter allen Bestellern verlost.

Natürlich gibt es auch in Deutschland und der Schweiz Unzufriedenheit mit dem System, vor allem bei Sammlern, die sehr loyal alle Produkte kaufen, und dann empört sind, dass der Neukunde – vielleicht sogar kein Sammler, sondern ein Investor! – exakt gleich behandelt wird wie sie. Ohne Unzufriedenheit geht es eben nicht.

Und eines muss jedem klar sein: Trotz aller Kritik, die die US-Münzstätte in beiden Fällen einsteckte, war die unglaubliche Nachfrage ein echter PR-Coup. Viele Medien haben den hohen Gewinn, den Käufer praktisch über Nacht machen konnten, thematisiert. Diese Erzählung passt perfekt zum Sammlermythos, dass man nur die richtige Münze kaufen muss, um damit so richtig Geld zu verdienen. Für die wenigen Sammler, die sich verärgert von der Münzstätte abgewendet haben, werden viele neue Sammler dazu kommen, die auf das schnelle Geld hoffen.

Menschen stehen während der World Fair of Money in Chicago an, um einen Kennedy Half Dollar in Gold kaufen zu dürfen. Foto: Dirk Löbbers.

PR-Coup oder Nachhaltigkeit? Beides geht nicht.

Wobei PR und Nachhaltigkeit zwei unterschiedliche Dinge sind, die gegeneinander abgewogen werden müssen.

Die Aufmerksamkeitsspanne der Medien ist nämlich extrem kurz. Es werden also nur dann Gewinne in den Medien gefeiert, wenn diese extrem schnell eingefahren werden können. Was danach mit den Münzen geschieht, interessiert niemanden.

Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an den US-amerikanischen Kennedy Half Dollar in Gold von 2014? Damals wurden die ersten 2.500 Stücke der Prägung im Rahmen der World Fair of Money in Chicago für 1.240 $ abgegeben. Drei amerikanische Gradingfirmen boten bei dieser Gelegenheit an, die „ersten“ Dollars der Serie einem Ersttagsgrading zu unterziehen, also in ein Plastikkästchen einzuschweißen, auf dem zu lesen stand, dass es sich um die ersten verkauften Stücke dieser Emission handelte.

Ein Münzhändler zahlte damals den ersten vier stolzen Käufern für ihre Half Dollars unglaubliche 20.000 $ – und ließ die Stücke graden. Darüber berichtete selbst das Fernsehen – und die Polizei musste tags darauf die Menschenmengen regeln, die sich in gewaltigen Schlangen um das Ausstellungsgelände wanden. Schließlich musste der Verkauf aus Sicherheitsbedenken eingestellt werden, was keine Rolle mehr spielte. Die Medienberichte hatten dafür gesorgt, dass 61.700 goldene Kennedy Half Dollars bereits am zweiten Verkaufstag über das Internet bestellt worden waren. Ausnahmsweise wurde das Kontingent der 75.000 vom Kongress genehmigten Stücke damals ausgeschöpft.

Übrigens, heute können Sie so einen Kennedy Half Dollar immer noch für 1.375 Euro – und zwar jederzeit – kaufen. Und das, obwohl 2014 der Goldpreis bei nur 1266,40 $ pro Feinunze lag.

Darüber scheint sich noch kein Sammler empört zu haben.