von Ursula Kampmann
1. Oktober 2015 – Alle sechs Jahre findet der große internationale numismatische Kongress des International Numismatic Council statt. Alle sechs Jahre treffen sich Hunderte von Numismatikern aus aller Welt. Alle sechs Jahre einmal beherrscht die Numismatik das Stadtbild. So war es auch in Taormina, wo, organisiert von Maria Caccamo Caltabiano mit der Unterstützung von Mariangela Puglisi, der 15. Internationale Numismatische Kongress stattfand.
Die Eröffnungsfeier. Foto: UK.
Die Eröffnung
Das große Theater des Kongresszentrums von Taormina war gefüllt bis auf den letzten Platz, als Carmen Arnold-Biucchi, Noch-Präsidentin des International Numismatic Council (der Vorstand des INC wird traditionell vor Beginn des Kongresses gewählt), den 15. Internationalen Numismatischen Kongress in Taormina eröffnete. Sizilien zeigte sich von seiner schönsten Seite. Strahlende Sonne, freundliche Gesichter, alles funktionierte, irgendwie, manchmal nicht ganz so wie gedacht, aber das gab dem Kongress überhaupt erst seinen besonderen Charme. Die entspannte Atmosphäre machte die Besucher fröhlich. Und das war die beste Voraussetzung für ein numismatisches Familienfest der Sonderklasse.
Der Round Table von Icomon fand in einem mittelalterlichen Wohnturm statt. Und weil es drin heiß war, zog man für die Gruppenarbeit in den Garten um. Foto: UK.
Ein übervolles wissenschaftliches Programm
Wer am ersten Tag versuchte, einen Überblick zu bekommen, wer wann über was wo sprechen würde, der war erschlagen. Und das lag nicht etwa daran, dass das Programm nicht übersichtlich gestaltet war. An neun verschiedenen Orten fanden gleichzeitig die Vorträge zu den verschiedenen Themen statt. Rund 420 Präsentationen waren unterzubringen. Die Referenten wechselten im 20 Minuten-Takt.
Auch wenn die Antike (und dabei vor allem die römischen Münzprägung) wieder das Feld beherrschte, scheinen in der letzten Zeit tendenziell andere Themen ebenfalls in den Fokus zu rücken.
Ein Blick in einen Vortragssaal. Foto: Björn Schöpe.
Den bedeutendsten Interessenszuwachs hat dabei die Forschungsgeschichte zu verzeichnen, nicht zuletzt wegen der Gründung von FINA (= Fontes Inediti Numismaticae Antiquae). In einer formlosen Vereinigung widmet sich eine Gruppe von Wissenschaftlern der Herausgabe von numismatischen Korrespondenzen, die vor dem Jahr 1800 geschrieben wurden.
Auch die Forschung zur Numismatik des Nahen und Fernen Ostens scheint in den vergangenen sechs Jahren Auftrieb bekommen zu haben, jedenfalls wenn man nach der Zahl der Vorträge urteilt, die sich in Taormina mit diesem Thema beschäftigten.
Das Panel des Round Tables „Jobs, careers, professions for the young generation of coin enthusiasts“. Foto: Hadrian Rambach.
Round Tables zu brennenden Fragen des numismatischen Alltags
Brennende Fragen des numismatischen Alltags wurden im Rahmen der Round Tables diskutiert. Dazu gehörte vor allem der Austausch von Münzdaten im Internet: Wie baut man ein internationales, die Grenzen überschreitendes Netzwerk auf, das jeder benutzen kann, und dessen Daten so aufbereitet sind, dass sie sich mühelos in andere Datennetze transferieren lassen. Diese Frage ist alles andere als trivial. Wie kompliziert solche Verhandlungen sein können, zeigt vielleicht die Tatsache, dass man sich vor Jahren – im vordigitalen Zeitalter – lange und heiß darüber stritt, wie man die Rückseite von römischen Münzen beschreiben solle, was wegzulassen, was unbedingt zu nennen sei.
Ein anderes Problem sind die Bildrechte. Sie spielen für die Datenbanken eine entscheidende Rolle, auch dies eine wichtige Frage in einer Zeit, in der Museen sich nicht mehr in erster Linie als Forschungsinstitutionen begreifen, sondern als Profit-Center. Wer heute eine Stempelstudie machen will, muss sich trotz geringerer Reisekosten – es ist ja so viel schon im Internet publiziert – auf hohe Fotokosten einstellen. Gut, dass der Münzhandel seine Fotos kostenlos zur Verfügung stellt, eine Tatsache, die Wissenschaftler zu schätzen wissen.
Carmen Arnold-Biucchi, Noch-Präsidentin des International Numismatic Council, am Tisch der MünzenWoche. Foto: Björn Schöpe.
Überhaupt hat die Kulturgüterschutzdiskussion keine Gräben zwischen den verschiedenen Bereichen der Numismatik aufgerissen, im Gegenteil. Es gab keine Veranstaltung (jedenfalls keine, die von der Autorin besucht wurde), in der nicht die traditionelle Verbundenheit zwischen Wissenschaftlern, Händlern und Sammlern betont wurde. Vor allem während des von der IAPN und dem INC gemeinsam veranstalteten Round Table zu „Jobs, careers, professions for the young generation of coin enthusiasts“ gipfelte dieser Zusammenhalt in der Feststellung, dass es für junge Wissenschaftler keine bessere Möglichkeit gäbe, ein breites Wissen zu sammeln, als Erfahrungen im Münzhandel.
Beklagt wurde allerdings der Mangel an Kontakt zwischen Handel und Universitäten. Aus diesem Grund hat die IAPN in Zusammenarbeit mit der MünzenWoche die Initiative ergriffen: Es wird auf der MünzenWoche eine neue Plattform geben, auf der in Zukunft Stellenausschreibungen und Bewerbungen zu finden sein werden.
Andrew Burnett: Der „Star“ der Präsentation des dritten Bands des RPC. Er erhielt an diesem Anlass seine eigene Festschrift. Foto: UK.
Social Events
Wer glaubt, dass die wissenschaftlichen Vorträge das Entscheidende an einem Kongress sind, der hat noch nie einen besucht. Wesentlich wichtiger sind die berühmten Social Events, also die Kaffeepause, die Abendessen, nicht zu vergessen die zahlreichen Empfänge und was nicht noch alles. Hier werden die Projekte der nächsten Jahre mit einem Weinglas in der Hand geplant. Hier entsteht die fruchtbarste internationale Zusammenarbeit.
Der Empfang zu Ehren der Stipendiaten. Foto: UK.
Anlass für Treffen und Empfänge gab es genug. Am ersten Abend fand der Welcome Cocktail statt, bei dem sich alle näher kamen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Raum war derart voll von Numismatikern, dass wohl niemand mehr hinein gepasst hätte. Anschließend folgte eine würdige, wenn auch etwas kühle (ja, Sizilien kann am Abend durchaus kühl werden) Inaugurationszeremonie im Theater mit großem Musikprogramm. Der nächste Abend brachte einen Empfang zu Ehren der Stipendiaten der deutschen, österreichischen und schweizerischen numismatischen Gesellschaften.
Der malerische Giardino Pubblico, wo der Empfang der ANS abgehalten wurde. Foto: UK.
Am Dienstag Abend kamen alle 700 Numismatiker zusammen, um im malerischen Giardino Pubblico zwei Männer zu ehren, die beide viel für die Numismatik getan haben. Die ANS hat je eine Festschrift zu Ehren von Basil Demetriadi und in Angedenken an Richard B. Witschonke herausgegeben. Die gewichtigen Bände wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. Wobei nur ein Teil der anwesenden Öffentlichkeit die Vorstellung mitbekam. Für diejenigen, die zu spät gekommen waren, blieb nur ein Platz ganz hinten, wo man weder sah noch hörte, was vorne geschah. (Deshalb an dieser Stelle auch lediglich ein Foto des malerischen Giardino Pubblico.)
Naxos: Wenig Spektakuläres, dafür der Genius Loci. Foto: UK.
Mittwoch gab es am Nachmittag Ausflüge, nach Katania oder Naxos. Und dann blieb nur noch der Donnerstag.
Abschiedszeremonie mit dem neuen Präsidenten des International Numismatic Council. Foto: UK.
Offiziell endete der Kongress mit der Abschiedszeremonie am späten Nachmittag. Der nun amtierende Präsident des INC, Michael Alram / Wien, hatte das letzte Wort, und er nutzte es, um noch einmal die Zusammengehörigkeit von Wissenschaftlern, Münzhändlern und Sammlern zu beschwören.
Deutsche Wissenschaftler, Münzsammler und Münzhändler an einem Tisch beim festlichen Abschiedsessen vereint: Dr. Bernhard Weisser / Berlin (links außen), Dr. Helmut Schubert / Frankfurt mit seiner Frau (rechts außen), dazwischen die Mitglieder des Bremer Numismatischen Mittagstischs. Foto: UK.
Es waren keine leeren Worte. Während des gesamten Kongresses war es zu spüren, dass dieses Miteinander gelebt wird. Schade, dass relativ wenige Sammler diese Veranstaltung für sich entdeckt haben. Diejenigen aber, die kommen, kommen immer wieder. Denn es gibt keinen besseren Platz dafür, die Größen der Numismatik auch einmal „live“ zu erleben.
Frauenpower in der Numismatik – Von links nach rechts: Maria Caccamo Caltabiano, Organisatorin des Kongresses, Ursula Kampmann und Cécile Morrisson, Grande Dame der byzantinischen Numismatik. Foto: Björn Schöpe.
Wir von der MünzenWoche durften uns über viele Kollegen freuen, die an unserem Stand vorbei kamen, um uns mitzuteilen, dass auch sie die MünzenWoche lesen. Wir haben von unseren prominenten Lesern so viele Bilder gemacht, dass wir sie gar nicht alle veröffentlichen können. Deshalb – und weil viele Kollegen gerne die Fotos vom Kongress in Taormina haben würden – haben wir eine Dropbox angelegt, deren Bilder Sie gerne bis zum 15. Oktober 2015 herunterladen und auch benutzen können, solange Sie als Quelle MünzenWoche / CoinsWeekly angeben.
Hier kommen Sie zur Dropbox mit den Bildern. Sie können dort bis zum 15. Oktober 2015 Bilder herunterladen.
Mehr über das International Numismatic Council erfahren Sie hier.
Wenn Sie Twitter mögen, hier haben Sie zwei Feeds zum Kongress mit vielen, vielen Bildern. Den offiziellen Feed sowie den von Andrew McCabe.
Den anlässlich des Kongresses publizierten Survey of Numismatic Research zum neuesten Forschungsstand der Numismatik, können Sie hier kaufen.
Der nächste Kongress findet 2021 in Warschau statt. Alexander Bursche lädt jetzt schon herzlich zu diesem Ereignis ein. Es gibt sogar einen Werbefilm, den können Sie hier sehen.