von Ursula Kampmann
10. Juli 2014 – Akragas genießt seit 1997 den besonderen Schutz der UNESCO als Weltkulturerbe. Das Resultat davon ist, dass täglich Zehntausende von Touristen durch das Tal der Tempel trampeln. Und wir waren auch dabei.
Ostermontag, 21. April 2014
Es war herrlichstes Wetter, als wir uns in Richtung Akragas auf den Weg machten. Wir fuhren noch einmal bei Castelvetrano und damit fast an Selinus vorbei, aber die Lust auf eine Wiederholung unseres durch den Regen abgebrochenen Besuchs in Selinus hielt sich in Grenzen. Stattdessen hatte eine kleine Kirche unsere Aufmerksamkeit erregt. Sie hieß Santissima Trinità und war irgendwo hinter Castelvetrano gelegen. Auf der Karte sah alles ganz einfach aus. In Castelvetrano selbst, war es nicht mehr ganz so einfach. Wir fuhren einmal um die Innenstadt, wir fuhren ein zweites Mal herum, immer gelockt von den braunen Wegweisern, die da so vielversprechend nach SS. Trinità di Delia zeigten. Irgendwann hatten wir genug und folgten den braunen Wegweisern nicht mehr. Und oh Wunder, wir kamen auf die Straße, die genau zur Kirche führte.
Santissima Trinità, ein Bijoux aus normannischer Zeit. Foto: KW.
Wobei es natürlich auch vor Ort noch eine Hürde zu überwinden galt. Wir standen vor einem übermannshohen Zaun, der nicht den kleinsten Durchblick gewährte. Ich machte mich auf die Suche und fand nach einer Viertelstunde ein Tor, das zu einer Art Ferienanlage führte. Der Durchgang war verboten, also ging ich hinein. Ein Mann, der anscheinend schlecht geschlafen hatte, versuchte mich wieder zu verscheuchen. Als ich auf Italienisch irgendwas von „Kirche Santissima Trinità di Delia“ und „Wo?“ und „Besichtigen“ plapperte, zeigte er ein Einsehen und erlaubte uns, das große, mit einem gewaltigen Hängeschloss gesicherte Tor zu öffnen, hinter dem einer der Schätze der normannischen Architektur zu finden ist.
Ein Blick in die Kuppel. Foto: KW.
Es ist eigentlich eine winzige Kirche, gerade mal 10 auf 10 Meter. Aber sie steht in einem lichtdurchfluteten Park mit riesigen Bäumen auf einer blühenden Blumenwiese. Und wir waren mutterseelenallein mit diesem Schatz (anscheinend hatten sich andere Touristen von den braunen Wegweisern in die Irre führen lassen).
Das Kirchlein gehört zu den frühesten überhaupt, die die Normannen auf Sizilien erbaut haben. Das dürfte wohl Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts gewesen sein. Sie war Teil eines Klosters, und zeigt byzantinische und islamische Einflüsse.
Das Grab des Giuseppe Saporito. Foto: KW.
Die eindrucksvollen Gräber stammen allerdings nicht aus dem Mittelalter, sondern aus dem 19. Jahrhundert. Errichtet wurden sie für die Mitglieder einer reichen sizilianischen Familie, die vor allem im Getreidehandel ein Vermögen machte. Giuseppe Saporito, dessen Grab auf diesem Bild zu sehen ist, war Gabellotu, das heißt, er pachtete vom alteingesessenen Adel Land, um es an sizilianische Kleinbauern weiter zu verpachten. Er stellte nicht nur Land zur Verfügung, sondern auch seinen Schutz. Männer wie er waren das Gesetz auf Sizilien, zumindest im 19. Jahrhundert. Heute nehmen viele Historiker an, dass es die Gabelloti waren, aus denen sich die Paten der Mafia entwickelten.
Wie auch immer, Giuseppe war so reich, dass er das Gesetz vom 10. Oktober 1862 nutzen konnte. Es verstaatlichte allen Kirchenbesitz auf Sizilien und ließ es zu, dass dieser zu mehr als günstigen Preisen gekauft werden konnte. So auch das wunderschöne normannische Kirchlein zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit samt Kloster.
Am liebsten wäre mir, man würde in Castelvetrano auch noch die anderen braunen Wegweiser abmontieren, um die himmlische Ruhe an diesem Platz nicht zu stören.
Wir fuhren weiter nach Akragas, und ich wurde immer nervöser. In all unseren Urlauben hatten wir uns unsere Unterkünfte immer vor Ort gesucht. Auf Sizilien merkten wir, dass das so nicht ging. All die hübschen Unterkünfte lagen so weit ab von der Straße, dass man keine Chance hatte, sie allein mit Glück zu entdecken. Wir mussten also im Internet buchen. Und so hatte ich noch in Balata di Baida ein Zimmer in Akragas reserviert. Diesmal nicht in einem Agriturismo, sondern in einem ganz normalen Hotel. Das Problem dabei war nur, dass ich die Wegbeschreibung lediglich in groben Zügen abgeschrieben hatte. Ich dachte, es könne ja nicht so schwer sein, in dieser kleinen Stadt ein Hotel zu finden. Ich überdachte meine Meinung, als wir durch das gigantische Porto Empedocle fuhren. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass das überschaubare Akragas meiner Erinnerung eben auch nur dort existierte, in meiner Erinnerung.
So kurvten wir also herum. Das Hotel entzog sich uns, dafür entdeckten wir ein Quartier der Adventisten. Oder waren es doch Neuapostoliker? Wie auch immer, sie sangen so laut, dass man sie bis auf die Straße hörte. Wir kamen ans Ufer des Mittelmeers und strichen unseren Plan, wie im Internet beschrieben, am Hotelstrand zu baden.
Irgendwann wurde es uns zu dumm, und ich ging in irgendein Hotel, um dort nachzufragen. Und das war dann typisch Sizilien: Statt genervt zu sein, ließ der Mann an der Rezeption alles liegen und stehen, und eilte hinaus, um mir auch ganz genau zu zeigen, wo wir an der nächsten Ampel abbiegen mussten. Es war dann letztendlich gar nicht so schwer, die „Antica Perla“ zu finden. Und der Empfang war freundlichst. Die Zimmer waren sizilianisch. Wunderschön, da gerade erst erbaut, aber mit jeder Menge Potential, kaputt zu gehen. Der Wind spielte ein Lied auf unserer Tür, und zwar nicht nur leise, sondern so laut, dass es uns im Schlaf stören sollte.
Wir brauchten also die nötige Bettschwere, und die holten wir uns mit einem gargantuesken Essen in der Pizzeria Mediterranea. Wobei diese Pizzeria auch nicht im Ansatz das war, was wir darunter in Deutschland verstehen würden. Es war ein wunderbares Restaurant mit den feinsten sizilianischen Spezialitäten. Sie war bevölkert mit gigantischen, aus mehreren Generationen bestehenden Familiensippen, die hier den Ostermontag feierten. Wir speisten in vier Gängen, tranken mehr Prosecco und Wein als eigentlich geplant, wurden hervorragend von unserem Cameriere umsorgt und waren eigentlich sehr froh, dass es auf dem kleinen Stück Straße zwischen Restaurant und Hotel keine Alkoholkontrolle gab…
Dienstag, 22. April 2014
Und heute stand Akragas auf dem Programm. Wir saßen unten beim Frühstück, als wir einen ersten Vorgeschmack auf dieses Erlebnis erhielten. Außer uns übernachteten noch drei Reisegruppen im Hotel. Eine war aus Österreich, und so verstanden wir (leider), worüber ihre Mitglieder sich unterhielten. Der sinnvollste Kommentar war, dass man ja eigentlich nicht mehr in dieses Tal der Tempel müsse, weil hier im Frühstücksraum so viele Bilder davon herumhingen, dass man eh schon alles gesehen habe. Also ich persönlich hätte diese Idee wirklich unterstützt.
Das Odeion oder Ekklesiasterion. Foto: KW.
Das Wetter tendierte zum Regen, und so entschieden wir uns zuerst für das Museum von Akragas. Man erreicht es, nach einem kleinen Gang durch das Odeion – griechisch Ekklesiasterion, also den Tagungsort der Ekklesia, der Volksversammlung –, und das so genannte Oratorium des Phalaris.
Das so genannte Oratorium des Phalaris. Foto: KW.
Oratorium heißt es deshalb, weil das unbedeutende Tempelchen, das im 1. Jh. n. Chr. zum Grabmal umfunktioniert wurde, einst ein klösterlicher Gebetsraum war, und dem Phalaris schreibt man es zu, weil der nicht allzu spektakuläre Bau für die frühen Touristen ein wenig aufgemotzt werden musste. Und der Tyrann Phalaris machte halt was her. Der berüchtigte Erfinder des bronzenen Stiers, in dem die Feinde des Regimes langsam geröstet wurden, ließ eben selbst bei dieser unbedeutenden Ruine ein angenehmes Schauern aufkommen.
Ein Blick in das Museum von Akragas. Foto: KW.
Das mit griechischer Keramik vollgestopfte Museum hat so etwas gar nicht nötig. Wenn man all das Durchschnittliche aus den Vitrinen entfernen würde, dann blieben immer noch genügend Highlights, vor denen der Besucher staunend stehen könnte. (Dann würde der durchschnittliche Besucher wenigstens merken, wo die Highlights versteckt sind.)
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Die älteste Abbildung Siziliens als Triskelis. Foto: KW.
Wie zum Beispiel diese einfache Schale, bei der es sich immerhin um die älteste Abbildung der Insel Sizilien in Form einer Triskelis handeln soll.
Goldenes Haarnetz. Foto: KW.
Dass die wundervollen Frisuren auf den Münzen mit der Arethusa aus Syrakus keine Phantasie sind, dafür zeugt dieses entzückende goldene Haarnetz, das einst die Haarpracht einer Bewohnerin der Stadt Akragas zähmte.
Ein Hort von Schwergeld. Foto: KW.
Für die Geldgeschichte äußerst interessant ist dieser in den 1960er Jahren im Demeterheiligtum ausgegrabene Hort von Aes rude, das doch sehr ans benachbarte italienische Festland erinnert.
Ephebe von Agrigent. Foto: KW.
Stolz des Museums ist der Ephebe von Agrigent, hergestellt zwischen 480 und 470 v. Chr.
Detail eines römischen Kindersargs aus dem 2. Jh. n. Chr. Foto: KW.
Und ein römischer Kindersarg, der anrührende Szenen aus dem Leben des verstorbenen Kindes zeigt. Hier sitzt der betrauerte Nachwuchs in der römischen Variante eines Go-Karts.
Der Niobiden-Krater. Foto: KW.
Nicht zu vergessen, der Krater des Niobidenmalers.
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Einer von den Giganten, die einst den Tempel des Olympischen Zeus schmückte. Foto: KW.
Einen weiteren Schatz fanden wir, weil wir etwas ganz anderes suchten. Nach dem Frühstück plagte uns ein Entsorgungsproblem. Und – wie so oft – war die Numismatik direkt neben der Toilette untergebracht. Die Hinweistafel war auch nur dann zu sehen, wenn man von den Museumsräumen in das Untergeschoss zur Toilette hinunterstieg. Und nun raten Sie. Richtig. Die numismatische Abteilung war geschlossen.
Hinweistafel zu den Münzen. Foto: KW.
Ich also zu den Aufsehern. Die findet man meistens nicht etwa verteilt im Museum, sondern geballt, sich hingebungsvoll unterhaltend in der Nähe der Kasse. Mit strahlendem Lächeln verkündete ich meinen Wunsch. Bedächtig wurde der Kopf gewiegt. Schwierig, schwierig, schließlich sei gestern Ostermontag gewesen. Da habe man alles offen gehalten. Heute seien alle erschöpft, manche nicht da. Deshalb müsse man halt die Numismatik schließen. Ich strahle zurück, mache Komplimente zum Museum, schwärme über die Schönheit sizilischer Münzen… Endlich gelingt es mir, den Stolz der Aufseher anzustacheln. Und tatsächlich ging eine der Damen los, um die Schlüssel zu holen, und wenig später standen wir im numismatischen Allerheiligsten.
Ein Blick in die Sammlung. Foto: KW.
Unterschätzen Sie es nicht. Akragas hat eine hervorragende Sammlung, die dazu auch veröffentlicht ist. 1999 erschien der zugehörige Syllogeband.
Zwei Münzen aus dem Goldfund von Agrigento. Foto: KW.
Und dazu der 1987 gefundene Hortfund von Agrigento mit seinen 52 republikanischen Goldmünzen: 60, 40 und 20 As-Stücke, der in der Debatte um die Einführung der Denare eine nicht unbedeutende Rolle spielt.
Die Villa Aurea des Sir Alexander Hardcastle. Foto: KW.
Nach dem Museum gingen wir schon etwas erschöpft in Richtung Tal der Tempel. Das ist bereits seit Jahrhunderten eine touristische Sensation. Mit verantwortlich dafür ist Sir Alexander Hardcastle (1872-1933). Dieser englische Kapitän, der sich nach seiner aktiven Dienstzeit in Akragas ansiedelte, hat übrigens deutsche Wurzeln. Er ist der Enkel des berühmten deutschen Astronomen Wilhelm Herschel. Hardcastle finanzierte aus eigenen Mitteln die ersten Grabungen und beherbergte in seiner direkt neben den Tempeln gelegenen Villa Aurea bedeutende Reisende wie Johann Wolfgang von Goethe.
Akragas. Tetradrachme, ca. 471-430. Aus Auktion Gorny & Mosch 211 (2013), 48.
Akragas wurde um 582 von Siedlern aus Gela und Rhodos gegründet. Wahrscheinlich hatte zu diesem Zeitpunkt an gleicher Stelle bereits ein Handelsstützpunkt Gelas bestanden, der nun zu einer richtigen Stadt ausgebaut wurde. Nur wenige Jahre später gelang es dem schon erwähnten Phalaris, die Herrschaft über die Stadt an sich zu reißen. Er war in der Antike berüchtigt für seine Grausamkeit. Wir wissen nicht sicher, wie er ums Leben kam, aber es gibt eine ganze Reihe von Sagen, in denen von einem Aufstand der Bürger die Rede ist. Ob das ein Wunsch war oder Realität lässt sich nach all den Jahrhunderten nicht mehr feststellen.
Theron, ein zweiter Tyrann von Akragas, den wir namentlich kennen, machte Akragas zur zweitwichtigsten Stadt von Sizilien. Seine Eroberung von Himera führte zur gleichnamigen Schlacht gegen die Karthager im Jahr 480 v. Chr. Er hatte nämlich den Tyrann von Himera vertrieben, der seinerseits die Karthager um Hilfe bat. Nun standen auf der einen Seite die Karthager, auf der anderen Theron und sein Schwiegerson Gelon von Syrakus. Die Griechen siegten, und die Kriegsbeute mehrte den Reichtum von Akragas beträchtlich.
Akragas. Trias, um 450. Aus Auktion Gorny & Mosch 204 (2012), 1091.
Nach dem Sieg begann die Blüte der Stadt. 472 v. Chr. wurde Akragas zur Demokratie. Man baute die berühmtesten der Tempel und verfügte sogar über einen bedeutenden Philosophen, den Dichter Empedokles. Heutzutage ist er vor allem dadurch bekannt, dass er Selbstmord beging, indem er in den Ätna sprang, eine Sage, die mit Sicherheit nicht die historische Wahrheit spiegelt.
Akragas. Tetradrachmon, 411 v. Chr. Aus Auktion Künker 248 (2014), 7050.
Und dann kam der große Krieg zwischen Selinus und Segesta, in den auch all die anderen Städte hineingezogen wurden. Akragas wurde erobert und zerstört. Erst 406 durften die Überlebenden zurückkehren. Die kleine Gemeinschaft, die sich in den folgenden Jahren entwickelte, mussten den Karthagern Tribut zahlen.
Akragas. Phintias, 287-279. Aus Auktion Gorny & Mosch 216 (2013), 2130.
Ab dem Jahr 340, als es Timoleon von Syrakus gelang, die Karthager zurückzudrängen, versuchte der korinthische Leihgeneral den Westen Siziliens zu sichern, indem er die Stadt Akragas wieder zu einer funktionierenden Stadt machte. Dies funktionierte und zu Beginn des 3. Jahrhunderts war Akragas schon wieder so mächtig, dass sein Tyrann Phintias das benachbarte Gela erobern und zerstören konnte.
Akragas. Halbschekel, 213-210. Aus Auktion Künker 158 (2009), 86.
Das endgültige Ende der Unabhängigkeit brachte der zweite punische Krieg. Die Karthager hatten die Stadt besetzt, als die Römer sie im Jahr 210 v. Chr. eroberten. Agrigentum, wie es die Römer nannten, wurde zu einer tributpflichtigen civitas. Ihr antikes Erbe verschaffte ihr im Mittelalter den Namen Gergent (= Ort der Riesen), später Girgenti, unter dem sie immerhin noch bis 1927 in den Karten Siziliens geführt wurde, ehe Mussolini sich auf das antike Erbe der Faschisten berief, indem er einfach eine Reihe von Städten nach ihren Ruinen umbenannte. Diese Umbenennungen gehören in den gleichen politischen Zusammenhang wie die Neugestaltung der Via dei Fori Imperiali.
Das Tal der Tempel, Ölgemälde von Jacob Philipp Hackert (1737-1807). Quelle: Wikipedia.
Schon bei den reichen Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts war das Tal der Tempel etwas, das man gesehen haben musste. Und so ist es noch heute. Akragas steht auf jedem Reiseprogramm. Dazu leidet Akragas unter Porto Empedokle, wo Kreuzfahrtschiffe problemlos ankern können, um ihre gewaltige Schar an Gästen zu Hunderten ins Tal der Tempel zu schicken. Wer sich also einen geruhsamen Spaziergang durch Ruinen vorgestellt haben mag, der wird hier selbst in der Nebensaison eines Besseren belehrt.
Concordiatempel. Foto: KW.
Der bekannteste Tempel des Geländes ist der Concordiatempel, der seinen Namen etwas willkürlich nach einer in der Nähe aufgefundenen Inschrift erhalten hat. Er wurde etwa zwischen 440 und 430 erbaut und gehört zu den besterhaltenen Tempeln der Antike, da er im Jahr 597 in eine Kirche umgebaut wurde.
Blick durch die Fassade ins Innere des Concordiatempels. Foto: KW.
Als der Tourismus zu einem Wirtschaftsfaktor wurde, verzichtete man im Jahre 1748 auf die Kirche und versetzte sie wieder in ihren ursprünglichen Zustand.
Einen Cent für jedes Bild aus dieser Perspektive – und ich wäre innerhalb eines Jahres reich. Foto: KW.
Praktisch jeder, der Akragas besucht, macht von hier aus sein Bild. Je nach Vorliebe mit oder ohne die Begleitperson seiner Wahl im Vordergrund. Und auch was all diese Personen beim Posieren tun, zeugt nicht von allzu viel Individualität. Die Höflichen greifen dem gefallenen Ikarus an die Wange. Die anderen an andere Körperteile. Ach ja.
Der Tempel der Iuno Lacinia. Foto: KW.
Auch der Tempel der Iuno Lacinia war wahrscheinlich nie dieser Gottheit geweiht. Er wurde zwischen 460 und 450 errichtet und hatte passenderweise vor seinem Eingang einen gemauerten Opferaltar, auf dem heute ganze Scharen von Touristen sitzen, um ihre müden Füße zu entlasten. So auch wir.
Der Tempel des Herakles. Foto: KW.
Vor dem Ausgang entdeckt man den Tempel des Herakles, den größten und ältesten Tempel des Ensembles. Er wurde zu Beginn des 5. Jh. errichtet, und die Chance ist groß, dass er vielleicht sogar tatsächlich dem Herakles geweiht war. Immerhin hat Cicero in seinen Reden gegen Verres unter diesem Namen einen Tempel erwähnt, dessen geographische Lage mit dem ausgegrabenen übereinstimmt. Oder besser gesagt, er beschuldigte Verres, sich die riesige Bronzestatue in dessen Inneren, mit fadenscheinigen Ausreden aneignen zu wollen.
Das Olympieion. Foto: KW.
Denken Sie nicht, Sie hätten damit schon alles gesehen! Direkt gegenüber gibt es ein zweites archäologisches Gelände, in dem sich der Tempel des Olympischen Zeus befindet. Er muss gigantisch gewesen sein. Vielleicht hat da jemand versucht, sich als religiöses Zentrum zu etablieren. Denn neben dem Tempelkomplex soll man die Reste von Sportanlagen gefunden haben, die einst Olympia selbst in den Schatten stellten. (Ob man im Baukomitee einen antiken Vorfahren des Sepp Blatter hatte?)
Mandeln. Foto: KW.
Mir fiel auf einmal auf, dass ich allmählich mehr Blumen und Bäume fotografierte als Steine, ein deutliches Zeichen dafür, dass es langsam genug war.
Wir gingen also noch einmal in unsere hervorragende Pizzeria, gönnten uns ein gutes Spätnachmittagsessen und nahmen im Hotel das Projekt „Nächste Unterkunft“ in Angriff. Gar nicht so leicht. Wir wollten nämlich nach Syrakus und hatten einen italienischen Feiertag übersehen.
Es wäre nie etwas geworden, hätten wir nicht einen so reizenden Hotelier gehabt. Wir hatten ihn wegen der Telefonnummern befragt, die sich einfach meiner Logik entzogen. Ich endete immer irgendwo im nirgendwo und bekam keine Verbindung. Er sah mein Problem, wählte nicht nur selbst, sondern fragte sogar für uns in den relevanten Unterkünften nach. So kamen wir zu einem Quartier mit dem idyllischen Namen „Villa dei Papiri“. Aber darüber mehr das nächste Mal, wenn wir Halt machen in der berühmtesten Stadt des antiken Sizilien: Syrakus.
Sie finden hier alle Teile der Reihe „Blühendes Sizilien“.