Im Jahre 1816 gründete Richard, siebter Viscount Fitzwilliam of Merrion das Fitzwilliam Museum ausdrücklich „zum Zwecke, die Vermehrung des Lernens zu fördern“. Er stiftete seine umfassenden Sammlungen sowie 100.000 Pfund, um ein prachtvolles Museum zu bauen.
Das Fitzwilliam Museum. Foto: Fitzwilliam Museum.
Im Jahre 1848 wurde der klassizistische Bau des Architekten George Basevi eröffnet. Rund 300.000 Besucher kommen derzeit jährlich und freuen sich darüber, daß das Fitzwilliam keinen Eintritt verlangt.
Der prachtvolle Eingang zu den Sammlungssälen. Foto: Fitzwilliam Museum.
Architektonisches Schmuckstück ist die prachtvolle Eingangstreppe. Sie wurde erst 1875 vollendet und hätte beinahe verhindert, daß die Sammlung Leake ins Münzkabinett des Fitzwilliam Museum kam.
William Martin Leake, Ölgemälde von Christian Albrecht Jensen. Quelle: Wikipedia.
Während seiner Bauzeit hatte das Fitzwilliam Museum nämlich kein Geld für Ankäufe. So waren es vor allem Privatsammlungen, die dem Museum geschenkt wurden. Im Jahre 1860 vermachte der bekannte Topograph und Archäologe William Martin Leake seine Münzsammlung testamentarisch dem Fitzwilliam Museum für die eher bescheidene Summe von 5.000 Pfund.
Man hätte nun das Geld aus dem Baufonds nehmen müssen, wogegen sich ein Mitglied des Museumsbeirats vehement wehrte. Sein Gegenspieler wurde der Archäologe Churchill Babington, der sich in einer Broschüre für den Kauf einsetzte. Er war ein Visionär, sah bereits voraus, daß ein aktives Münzkabinett weitere Privatsammlungen anziehen würde. Ja, er dachte auch an die vielen Sammlungen, die unbetreut in den verschiedenen Colleges lagen. Sie sollten irgendwann eine Heimat im Münzkabinett des Fitzwilliam Museum finden. Dies taten sie, auch wenn die letzte erst kürzlich als Leihgabe übergeben wurde.
Der vordere Studiensaal. Foto: UK.
Leakes Sammlung liegt heute noch getrennt von den anderen Münzen. Die Holzkästchen, in denen einzelne Privatsammlungen ins Museum kamen, sind Schmuckstücke, die den Studienräumen des Münzkabinetts seine unverwechselbare Atmosphäre geben.
Münzkabinett in Vasenform. Foto: UK.
Sie sind eine Attraktion für sich. Liebling der Verfasserin ist eine Vase…
Münzkabinett in Vasenform. Foto: UK.
… die sich beim näheren Hinsehen als Münzkästchen erweist. Allerdings dürfte das Einsortieren einer zusätzlich gekauften Münze hier mit ziemlichem Aufwand verbunden sein.
Münzkabinett in Tempelform. Foto: UK.
Mindestens genauso schön ist dieses Münzkabinett in Tempelform.
Münzkabinett in Tempelform. Foto: UK.
Der Schreiner hat noch einige Extras eingebaut, so zum Beispiel ein Geheimfach.
Münzkabinett aus Holz vom Münster in York. Foto: UK.
Ein Fall für den Kulturschutz wäre heute dieses Münzkästchen, das aus Holz und Metall vom mittelalterlichen Münster in York gefertigt wurde. Heute ist das Kästchen selbst schon wieder ein Kulturgut.
Der hintere Studiensaal. Foto: UK.
Im Fitzwilliam Museum finden Nostalgiker das, was früher alle Münzkabinette charakterisierte: Eine Einheit von Sammlung, Bibliothek und Forschung. Vollgestopft, die Arbeitsplätze auf engstem Raum, da möchte ein Besucher kaum glauben, daß Cambrige das weltweit wohl bedeutendste Forschungszentrum für mittelalterliche Numismatik ist.
Philip Grierson (1910-2006). Foto: Fitzwilliam Museum.
Entscheidend dafür wurde Philip Grierson und seine leidenschaftliche Liebe zur mittelalterlichen Numismatik. 1949 machten ihn die Verantwortlichen zum Kurator ehrenhalber. Er füllte diese Position rund 56 Jahre aus.
Münzen aus der Sammlung Philip Griersons. Foto: Fitzwilliam Museum.
Philip Grierson war ein begeisterter Münzsammler. Mehr als 20.000 mittelalterliche Prägungen konnte er in mehr als einem halben Jahrhundert zusammentragen. Er vermachte sie – zusammen mit seiner wissenschaftlichen Bibliothek – dem Fitzwilliam Museum.
Ein anderes Geschenk an diese Institution war aber noch größer. Er initiierte ein Projekt, das Cambridge in der ganzen numismatischen Welt bekannt machte, den MEC.
Der erste Band des MEC erschien 1986.
MEC – Medieval European Coinage, ähnlich wie der RIC soll dieses Katalogwerk die mittelalterliche Münzprägung erschließen und einer breiten Forschergemeinschaft zugänglich machen. Optimistisch plante Grierson, das Projekt in 6 Jahren abzuschließen: Er wollte insgesamt 12 Bände im Halbjahresrhythmus publizieren. Tatsächlich hat sich der MEC zu einem Großprojekt entwickelt, an dem Numismatiker aus aller Welt arbeiten. Von den derzeit geplanten 17 Bänden sind bisher zwei erschienen; an zehn weiteren wird gearbeitet.
Auch die Queen, hier neben Mark Blackburn, besuchte das Münzkabinett. Foto: Fitzwilliam.
Der größte Glücksgriff Philip Griersons dürfte es gewesen sein, Mark Blackburn ans Münzkabinett des Fitzwilliam zu holen. Er ist heute Leiter des Kabinetts und hat die Leitung des MEC übernommen.
Corpus der frühmittelalterlichen Münzfunde.
Auf Blackburn geht die digitale Aufarbeitung frühmittelalterlicher Münzfunde zurück. Dank der großzügigen Fundregelung in Großbritannien sind hier zumeist die genauen Fundorte von Streu- und Hortfunden bekannt. Sie wurden von Mark Blackburn in digitalen Katalogen erfaßt und stehen Forschern aus aller Welt zur Verfügung.
Katalog der islamischen Münzen im Fitzwilliam Museum.
Mark Blackburn ist darüber hinaus ein genialer Mehrer der Sammlung. Er findet die Gebiete, die noch günstig sind, und der Forschung einen gewaltigen Zuwachs an Erkenntnis bieten. Unter ihm wuchs die islamische und indische Sammlung enorm. Er ist seit 1991 Keeper of the Coins; in diesen knapp 20 Jahren wuchs die Sammlung um mehr als 70.000 Objekte (sic!).
Ted Buttrey in seinem Katalograum. Foto: UK.
Nicht nur Mark Blackburn mehrt die Sammlung, auch Ted Buttrey, Keeper of the Coins von 1988 bis 1991, nutzt seinen „Ruhestand“, um das Fitzwilliam zu einem Zentrum der Forschung zu machen: Er sammelt Auktionskataloge, und zwar am liebsten gerade die, die andere in den Mülleimer werfen. Er will damit das gesamte Material, das durch den Handel läuft und lief, dokumentieren. 2009 feierte Ted Buttrey seinen 45.000 Katalog!
Ted Buttrey mit versandfertigen Katalogen. Foto: UK.
Der fröhliche Forscher ist darüber hinaus zu einer Verteilerzentrale geworden. Universitäten und Münzkabinette in aller Welt schicken ihm ihre Fehllisten von Auktionskatalogen. Ted Buttrey gibt seine Dubletten an sie weiter. Das Porto bezahlt er aus eigener Tasche.
Adi Popescu zeigt uns die Münzen, die in den Schauräumen des Fitzwilliam integriert sind. Foto: UK.
So weit der Blick hinter die Kulissen, aber natürlich kann ein Besucher auch in vielen Abteilungen des Museums Münzen sehen. Hier zeigt uns Adi Popescu, seines Zeichens „Senior Assistent Keeper“, den „griechischen“ Saal. Und natürlich entdeckt der Münzfreund jede Menge prachtvoller Stücke!
Münzfund aus Cambridge, ca. 1350 vergraben. Foto: UK.
Besonders liebevoll ist – wen wundert’s – die mittelalterliche Kunst in der Rothschildgalerie präsentiert. Hier liegen seltenste Prägungen neben kostbarem Schmuck. Eine ganz besondere Attraktion ist ein kleiner Hortfund, der um 1350 in Cambridge vergraben wurde. Er lag einst in einem hölzernen Kistchen, das für die Ausstellung rekonstruiert wurde.
Münzstempel. Foto: UK.
Mindestens ebenso interessant sind diese mittelalterlichen Münzstempel.
Goldenes Medaillon aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Foto: Fitzwilliam Museum.
Und hier noch ein paar Glanzlichter aus der Münzsammlung, so daß prachtvolle Goldmedaillon aus dem 3. Jahrhundert n. Chr.,
Denar des Brutus. Foto: Fitzwilliam Museum.
…der historisch so bedeutende Denar des Brutus,
Denar mit Porträt Karls des Großen. Foto: Fitzwilliam Museum.
…der Denar mit dem Porträt Karls des Großen
Medaille mit dem Porträt der Lucy Harrington. Foto: Fitzwilliam Museum.
…und die Medaille mit dem Porträt der Lucy Harrington (1580-1627), Gräfin von Bedford, einer berühmten Mäzenin englischer Dichter.
Virtuelle Ausstellung zum Thema Commodore Perry.
Wer so schnell nicht ins Fitzwilliam Museum kommt, der sollte wenigstens die hervorragende Internetpräsentation besuchen. Hier wurden einige Sonderausstellungen digital verewigt.
Wenn Sie sich nach diesem Artikel entschieden haben, sofort nach Cambridge zu fahren, um das Fitzwilliam Museum zu besuchen, dann klicken Sie hier für praktische Informationen rund ums Museum.
Direkt zum Münzkabinett geht es hier.
Wenn Sie mehr über die Persönlichkeit von Philip Grierson erfahren möchten, lesen Sie unbedingt die unterhaltsamen Schilderungen seines Lebens auf der Website des Fitzwilliam Museum. Hier kommen Sie hin.
Wenn Sie wissen wollen, wer beim MEC mitwirkt und welche Bände demnächst erscheinen, klicken Sie hier.
Wenn Sie etwas über die Karriere von Mark Blackburn erfahren wollen, klicken Sie hier.
Zum Corpus der frühmittelalterlichen Münzfunde geht es hier.
Für den Katalog der Hortfunde auf den Britischen Inseln von 450-1180 klicken Sie hier.
Den Katalog der islamischen Münzen im Fitzwilliam finden Sie hier.
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