14. Juli 2016 – Am 23. Juni 2016 beschloss der Bundestag, das neue Kulturgüterschutzgesetz, wie vom Ausschuss für Kultur und Medien vorgeschlagen, anzunehmen. Am 8. Juli 2016 stimmte der Bundesrat zu. Es steht nur noch die Prüfung des Bundespräsidenten zur Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes aus, um es in Kraft treten zu lassen.
Wir haben Ansgar Heveling, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien, einige Fragen über die Auswirkung des neuen Gesetzes gestellt.
MW: Herr Heveling, das neue Gesetz tritt am Tag nach der Verkündigung in Kraft. Wann wird das voraussichtlich sein?
Ansgar Heveling, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien stand uns Rede und Antwort zum genauen Inhalt des neuen Kulturgüterschutzgesetzes. Foto © Deutscher Bundestag / Thomas Imo, photonek.net.
Ansgar Heveling: Jetzt wird das Gesetz erst einmal dem Bundespräsidenten zugeleitet. Der prüft es formell auf seine Verfassungsmäßigkeit. Das Inkrafttreten erfolgt einen Tag, nachdem das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Dann ist es öffentlich. Ab dann gilt das Gesetz.
MW: Eine Umfrage vom Juli 2014 geht davon aus, dass etwa jeder dritte Deutsche sammelt. Nun hat das neue Kulturgüterschutzgesetz 91 Paragraphen, von denen selbst Juristen behaupten, sie seien schwer verständlich. Was unternehmen Sie von Seiten der Regierung, um die betroffenen Sammler und Händler über ein korrektes Verhalten aufzuklären?
Ansgar Heveling: Bereits im Gesetzgebungsverfahren konnte man auf der Internetseite des Kulturstaatsministeriums Informationen im Frage-und-Antwort-Stil zu den wesentlichen Punkten bekommen. Damit wird die in der Tat komplexe Materie erläutert. Ich gehe davon aus, dass nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat die Seite an die tatsächlich beschlossene Regelung angepasst wird.
MW: Und das ist dann auch rechtlich verbindlich?
Ansgar Heveling: Die Information gibt die Rechtslage wieder und muss sie korrekt wiedergeben, insofern ist es dann natürlich auch verbindlich.
MW: §4 fordert die Einrichtung eines Internetportals, das die nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen des Kulturgutschutzes dokumentiert, um Rechtssicherheit zu schaffen. Wird dieses Portal mit Inkrafttreten des Gesetzes verfügbar sein?
Ansgar Heveling: Das Portal wird so schnell wie möglich aufgebaut. Ich weiß nicht genau, ab wann es online verfügbar sein wird. Aber es war uns ein wichtiges Anliegen, gesetzlich zu regeln, dass dieses Portal zur entscheidenden Informationsquelle wird.
MW: Wird das überprüft, dass dieses Internetportal möglichst schnell eingerichtet wird?
Ansgar Heveling: Mit dem Beschluss des Gesetzes ist der Auftrag ergangen, dieses Portal einzurichten. Und ich weiß, dass die Beauftragte für Kultur und Medien auch ein eigenes Interesse hat, das so schnell wie möglich zu publizieren.
MW: Im nun beschlossenen Gesetz wird „archäologisches Kulturgut“ definiert als „bewegliche Sachen oder Sachgesamtheiten, die von Menschen geschaffen oder bearbeitet wurden oder Aufschluss über menschliches Leben in vergangener Zeit geben, sich im Boden oder in einem Gewässer befinden oder befunden haben oder bei denen aufgrund der Gesamtumstände dies zu vermuten ist“. Damit sind die Fossilien aus dem Gesetz draußen, oder?
Ansgar Heveling: Paläontologische Gegenstände sind jetzt in der Tat ausgenommen.
MW: Herkunftsstaat ist in dem Gesetz neu als „ein Mitgliedstaat oder Vertragsstaat“ definiert, „in dem das Kulturgut entstanden ist oder der eine so enge Beziehung zu dem Kulturgut hat, dass er es zum Zeitpunkt der Verbringung aus seinem Hoheitsgebiet als nationales Kulturgut unter Schutz gestellt hat.“ Das kann ich mir für ein italienisches Renaissance-Gemälde noch ganz gut vorstellen. Aber wie kann ein Sammler den Herkunftsstaat zum Beispiel einer Münze oder einer Terrakottaschale in Erfahrung bringen, die in der ganzen römischen Welt umgelaufen sind?
Ansgar Heveling: Dass es im einzelnen Abgrenzungsprobleme geben würde, weil sich über die Jahrhunderte Veränderungen ergeben haben, das war uns offensichtlich. Wir haben auch sehr lange darum gerungen, diese Definition so griffig wie möglich zu gestalten, und sind letztlich auf die Vorgaben der internationalen Vereinbarungen zurückgekehrt. Dass es aber an manchen Punkten nicht einfach wird, das zu beurteilen, muss ich zugestehen.
MW: Nehmen wir an, ein Sammler möchte bei einem Händler in den USA ein römisches Kaiserporträt kaufen. Dass dieses Kaiserporträt nicht in den Vereinigten Staaten entstanden ist, ist klar. Aber von welchem Ursprungsstaat braucht der Sammler jetzt Papiere, um es rechtmäßig in Deutschland einführen zu können?
Ansgar Heveling: Es ist ja für die Frage der rechtmäßigen Einfuhr notwendig, erst einmal zu klären, ob das Objekt in einem Staat überhaupt als nationales Kulturgut gelistet ist. Nur dann muss ich entsprechende Papiere vorlegen. §30 sagt, dass Nachweise nur dann vorgelegt werden müssen, wenn das betroffene Kulturgut in dem Mitglieds- oder Vertragsstaat als nationales Kulturgut eingestuft ist.
MW: Das heißt, wir kehren doch wieder zum Listenprinzip zurück?
Ansgar Heveling: Nein, es bedeutet, dass es in dem Land, aus dem es kommt, als nationales Kulturgut eingestuft sein muss. Das ist richtig. Nur dann muss eine ausführliche Dokumentation beim Import beiliegen.
MW: Und dazu gehört auch, dass dieses Kulturgut eindeutig anhand der Listung identifiziert werden kann.
Ansgar Heveling: Genau. Es muss natürlich klar sein, um welches Kulturgut es sich handelt.
MW: Während über das Gesetz diskutiert wurde, haben einzelne Museumskuratoren bereits gefordert, man müsse Spezialsammlungen als national wertvolles Kulturgut eintragen, um sie so für die Museen zu sichern. Ein Beispiel war die Sammlung der ehemaligen Preussag AG. Müssen Spezialsammler jetzt Angst haben, dass ihre Sammlung auf Initiative eines Museumskurators gegen ihren Willen als nationales Kulturgut eingetragen wird?
Ansgar Heveling: Wie groß das Risiko ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es besteht jetzt die Möglichkeit der Eintragung, nur ist dafür notwendig, dass es sich tatsächlich um national wertvolles Kulturgut handelt, dass es emblematisch ist und eine herausragende Bedeutung für das Nationalbewusstsein hat. Aber das wäre ja dann das Ergebnis einer Prüfung durch einen Sachverständigenausschuss.
MW: Kommen wir zu diesen Sachverständigenausschüssen. Das Gesetz ruft Verbände und Organisationen dezidiert auf, Vorschläge für die Berufung der Sachverständigen einzureichen. Wie muss ich mir das praktisch vorstellen? An wen sind diese Vorschläge zu richten?
Ansgar Heveling: Es bleibt ja dabei, dass die Kulturhoheit auch in Zukunft bei den Ländern liegt, und deshalb die entsprechenden Sachverständigengremien bei den Ländern geführt werden. Wo die Landeskulturverwaltungen angesiedelt sind, ist von Land zu Land verschieden, aber sie richten auf jeden Fall diese Ausschüsse ein.
MW: Das ist dann eine Bringschuld von den Verbänden?
Ansgar Heveling: Das ist jetzt eine Frage, wie die einzelnen Bundesländer das handhaben. Das liegt in ihrer eigenen Hoheit.
MW: In der letzten Version des Gesetzes wurde eine Änderung bezüglich Münzen eingefügt, und zwar: „Münzen gelten nicht als archäologische Gegenstände nach Kategorie 1 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 116/2009, wenn es sie in großer Stückzahl gibt, sie für die Archäologie keinen relevanten Erkenntniswert haben und nicht von einem Mitgliedsstaat als individualisierbare Einzelobjekte unter Schutz gestellt sind.“ Was heißt das nun praktisch für den Im- und Export von Münzen.
Ansgar Heveling: In der Diskussion um das Kulturgutschutzgesetz haben sich die Münzsammler und der Münzhandel sehr frühzeitig gemeldet und ihre Anliegen gegenüber der Politik artikuliert. Wir haben das auch sehr aufmerksam wahrgenommen und hätten auch gerne vorne im Gesetz, bei den Begriffsbestimmungen eine Ausnahme für die Münzen untergebracht. Das ist aber aus systematischen Gründen schwierig gewesen. Deswegen ist bei zwei Punkten explizit eine Ausnahme formuliert worden, nämlich einmal bezüglich der Genehmigungspflicht bei der Ausfuhr, die für Münzen nicht gilt. Und dann gibt es beim gewerbsmäßigen Inverkehrbringen von Münzen keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Wir haben an der Stelle das, was die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs schon vorgegeben hat, in das Gesetz übernommen, dass nämlich Münzen als Massenware ausgenommen sind. Zumindest wenn es sie in großer Stückzahl gibt, und wenn sie keinen Erkenntniswert haben. Das ist natürlich auch wieder eine Auslegungsfrage. Aber dadurch, dass die Rechtsprechung diese Begriffe schon eingeführt hat, scheint mir das eine brauchbare Kategorisierung zu sein. Daher gehe ich davon aus, dass das Gros der Münzen zukünftig gar nicht vom Gesetz betroffen sein wird.
MW: Viele Sammler haben Angst um die Objekte, die sie nach dem alten Recht erworben haben, ohne sich um die notwendige Dokumentation zu kümmern. Wie steht es um die Rückwirkung des neuen Kulturgüterschutzgesetzes auf Gegenstände, die sich bereits im Besitz eines Sammlers befinden?
Ansgar Heveling: Auch da haben wir noch eine klarstellende Änderung im Gesetz vorgenommen. Denn es geht ja um die Frage des Nachweises der Rechtmäßigkeit, also dass sich ein Kulturgut zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes rechtmäßig in der Bundesrepublik befunden hat. Da war ursprünglich eine Nachweispflicht vorgesehen. Jetzt haben wir das so geändert, dass an der Stelle der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, also dass ein Gericht oder eine Behörde verpflichtet sind, von ihrer Seite aus den Sachverhalt zu untersuchen. Die Beweispflicht liegt damit nicht mehr beim Besitzer oder beim Eigentümer. Im Zweifelsfall müsste die Behörde die Zusammenhänge ermitteln. Das ist aus meiner Sicht eine deutliche Entlastung von Händlern und Sammlern und minimiert die Unsicherheit.
MW: Sicher. Denn das war ja die große Angst vieler Sammler, dass sie Dokumente vorweisen müssen, die sie nie besessen haben.
Ansgar Heveling: Schauen Sie sich §29 Nr.1 an, da wurde aus „nachweislich rechtmäßig im Bundesgebiet befunden hat“ „rechtmäßig im Bundesgebiet befunden hat“. Und das bedeutet, dass die Nachweispflicht nicht mehr beim Eigentümer oder dem Besitzer liegt.
MW: §89 legt fest, dass das für Kultur und Medien zuständige Mitglied der Bundesregierung den Deutschen Bundestag und den Bundesrat über die Anwendung des Gesetzes nach fünf Jahren informiert. Für die letzte Evaluation wurde kein einziger Verband von Händlern und Sammlern angefragt. Dürfen wir davon ausgehen, dass dies in fünf Jahren nicht so sein wird?
Ansgar Heveling: Also ich gehe davon aus, dass es im Interesse des Bundestages liegt, die Wirksamkeit und die Schwierigkeiten des Gesetzes in Erfahrung zu bringen. Dafür sind natürlich Informationen notwendig. Insofern gehe ich davon aus, dass die beteiligten Kreise gehört werden.
Es sind übrigens zwei Evaluationen vorgesehen: Einmal nach zwei Jahren bezüglich der Bürokratiekosten und nach fünf Jahren die allgemeine Evaluation.
MW: Abteilungsleiter Kultur Günter Winands hat in einer der Anhörungen das Gesetz als ein pädagogisches Gesetz bezeichnet. Dieses Wort wurde von vielen so verstanden, dass niemand alle Vorschriften des Gesetzes beachten kann, so dass damit eine Art rechtfreier Raum für Sammler und Händler entstehen wird. Würden Sie das auch so sehen?
Ansgar Heveling: Das sehe ich natürlich nicht so. Bei Gesetzen geht es nicht um pädagogische Hinweise, sondern darum die Rechtslage zu klären. Im Kern werden mit dem Kulturgutschutzgesetz drei Gesetze zusammengeführt und durch Neuregelungen ergänzt. Damit wird zum ersten Mal ein einheitliches Kulturgutschutzrecht geschaffen. Das halte ich auf jeden Fall für eine positive Entwicklung. Genauso wie ich es positiv sehe, dass zum ersten Mal der Begriff des national wertvollen Kulturguts gesetzlich definiert wird. Das hat es bisher so nicht gegeben.
MW: Herr Heveling, sind Sie Sammler?
Ansgar Heveling: Nein, dazu lässt mir meine momentane Tätigkeit leider nicht genug Zeit. Aber mein Großonkel war Maler, gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts zur Künstlergruppe „junges Rheinland“, und seine Gemälde, die sammle ich schon.
MW: Also können Sie die Psyche eines Sammlers verstehen?
Ansgar Heveling: Voll und ganz verstehen, ja. Gerade deshalb habe ich in meinem Wortbeitrag im Bundestag ja auch gesagt, dass es immer ein Spannungsverhältnis zwischen dem Eigentum und dem Interesse des Staates an Kulturgutschutz gibt. Das ist ganz klar, und das muss man auch ausbalancieren.
MW: Wir bedanken uns, dass Sie sich unseren Fragen gestellt haben.
Ansgar Heveling, MdB, (*1972), Abgeordneter für Jüchen, Kaarst, Korschenbroich, Meerbusch und Teile der Stadt Krefeld, ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags, Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestags und stellvertretendes Mitglied des Rechtsausschusses. Wir sprachen mit ihm in seiner Funktion als Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien.
Herr Heveling hat das 1. und 2. Staatsexamen der Rechtswissenschaften abgelegt und war zwischen 2001 und 2002 als Rechtsanwalt tätig.
Das Interview führte Ursula Kampmann
Hier kommen Sie zur Website von Ansgar Heveling.
Dort finden Sie auch seinen ausführlichen Lebenslauf.
Natürlich hat Herr Heveling auch einen Wikipedia-Eintrag, den es auch auf Estnisch und Russisch gibt.
Und natürlich ist Ansgar Heveling auch bei Facebook.
Die MünzenWoche berichtete über die Diskussion im Bundesrat zur neuen Kulturgutschutzgesetzgebung.
Und hier ist der Link zur endgültigen Fassung des neuen Kulturgüterschutzgesetzes.