Am 30. November 2010 wird in Genf vom Auktionshaus Numismatica Genevensis ein Exemplar einer bemerkenswerten Münze versteigert. Sie zeigt bis ins Detail genau – immerhin handelt es sich um das besterhaltene Exemplar in Privathand – Herakleios und seine drei Söhne, wurde aber von einem Bekenner des Islam geprägt. Abd al-Malik, der neunte Kalif, ließ diese Münze im Jahr 691/2 (72-73 AH) herstellen.
Herakleios als Weltenherrscher
In der 18. Sure des Koran wird die Geschichte des Dhu-l-Qarnayn erzählt. Dhu-l-Qarnayn, also der mit den zwei Hörnern (als Anspielung auf die Widderhörner des Ammon), besiegte die Völker Gog und Magog. Diese sagenhafte Gestalt soll – so Volker Popp in „Der frühe Islam“ (2007) – auf Alexander den Großen zurückgehen, allerdings nicht auf den historischen aus Makedonien, sondern auf den byzantinischen Alexander, auf Herakleios.
Kaiser Herakleios (610-641) war den Arabern kein Unbekannter. Schließlich kämpfte man gegen einen gemeinsamen Feind, die Sasaniden. Herakleios bemühte sich sehr um die arabischen Stämme. Besonders die dort ansässigen Christen versuchte er durch gezielte Propaganda von dem weltumspannenden Kampf Gut gegen Böse zu überzeugen, in dem sie als Verbündete des Herakleios ihre Rolle übernahmen. Das Bild Alexanders, der die Grenzen des Reichs gegen die Völker des Abgrunds aufrichtet, kam ihm dabei gut gelegen.
622 erfocht Herakleios ein entscheidender Sieg über die Sasaniden. Dadurch gewannen auch die arabischen Stämme ihre Unabhängigkeit.
Daß die Verbindung von Dhu-l-Qarnayn und Herakleios nicht aus der Luft gegriffen ist, können wir einer Hadith, einer Überlieferung, entnehmen. Sie weist darauf hin, daß man sich im 9. Jh. n. Chr. im arabischen Raum durchaus noch bewußt war, daß mit Dhu-l-Qarnayn nicht der makedonische Alexander, sondern der byzantinische Alexander-Herakleios gemeint war.
Mit dem Tod des Herakleios gingen zwar alle persönlichen Verbindungen zwischen byzantinischem Herrscher und arabischen Stämmen verloren, nichtsdestotrotz blieb dieser Sieger über die Sasaniden für viele „der“ gläubige Weltenherrscher, der die Feueranbeter vernichtet hatte.
Abd al-Malik bin Marwan, AH 65-86 (685-705), Solidus AH 72-73 (691-692), ohne Angabe der Münzstätte (Damaskus). Miles, „The earliest Arab gold Coinage“ in „Museum Notes“ 13 (1967), 10, Tf. XLV. Aus Auktion Numismatica Genevensis 6 (2010), 285.
Heraklius, 610-641, mit seinen Söhnen Heraklius Constantin und Heraklonas, 632-641. Solidus, Konstantinopel, 636/7. Sear 761. Aus Auktion Numismatica Genevensis 2 (2002), 181.
Abd al-Malik und Justinian II.
Zwei Männer traten im Jahr 685 (65 AH) die Herrschaft über ein Reich ein. Der eine saß in Konstantinopel, der andere in Damaskus. Der eine war 17 Jahre alt, der andere 39. Der eine war ein Vertreter einer Großmacht auf dem Rückzug, der andere stand für die islamische Expansion. Der eine hieß Justinian II., der andere Abd al-Malik.
Abd al-Malik war nach einer Periode des Bürgerkriegs an die Macht gekommen. Er hatte verstanden, daß er sein Reich mit Symbolen und einer hervorragenden Verwaltung zusammenschweißen mußte. Eine funktionierende Herrschaft über weite Gebiete verlangte Strukturen. Daß er sich dabei byzantinischer Vorbilder bediente, war nur natürlich.
Justinian dagegen plagte sich mit ganz anderen Sorgen. 691/2 war in der Trullanischen Synode – benannt nach einem Kuppelbau im Kaiserpalast – festgelegt worden, daß die Darstellung Jesu als Lamm Gottes untersagt sein solle. Stattdessen forderte man die Darstellung Christi in Menschengestalt. Dies führte zur Umgestaltung des byzantinischen Münzbildes: Der bärtige Christus wurde zum Vorderseitenmotiv.
Ob die Prägung der Solidi des Abd al-Malik mit der Änderung der Bilder auf den byzantinischen Münzen in Zusammenhang steht? Jedenfalls bringt die Übernahme der Ganzkörperdarstellung des Herakleios, des alten Siegers über die Sasaniden, mit seinen Söhnen, gekoppelt mit der Umschrift Bism Allah la ilah illa Allah wahdahu Muhammad rasul Allah (Im Namen Gottes. Es gibt keinen Gott außer Gott allein und Mohammed ist der Prophet Gottes) ein ganz anderes und völlig neues Weltbild zum Ausdruck.
Mit dieser Inschrift, bei der es sich wahrscheinlich um das älteste schriftliche Zeugnis für die Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis, handelt, ist diese Münze aus dem Jahr 691/2 (72/3 AH) ein Beispiel für die erste eigentlich islamische Goldmünzenemission überhaupt.
Die Darstellung eines byzantinischen Kaisers ist hier nicht mehr als Nachahmung zu verstehen. Abd al-Malik wählte Herakleios bewußt als Motiv aus. Er galt ihm als der Weltenherrscher, der die Araber von der Unterdrückung des persischen Pharao befreit hatte, und in dessen Nachfolge er sich stellen konnte.
Iustinian II, 685-695. Solidus, Konstantinopel, 692-695. Sear 1448. Aus Auktion Numismatica Genevensis 4 (2006), 291.
Abd al-Malik begann den Bau des Felsendoms von Jerusalem. Foto: Orientalist / Wikipedia.
Auch die Umayyaden-Moschee in Damaskus geht auf seine Initiative zurück. Foto: Jerzy Strzelecki / Wikipedia.
Die muslimische Ikonographie entwickelt sich
695 wurde Kaiser Iustinianus II. während einer Revolte abgesetzt. Damit war die Herrschaft des letzten Nachfolgers des Herakleios zu einem Ende gekommen. Dies bedeutete für viele Araber das Ende einer legalen Herrschaft über das byzantinische Reich. Eine Leerstelle war in der geistlichen Führung entstanden, die auch ein Vertreter des neuen Glaubens ausfüllen konnte.
Abd al-Malik versuchte, seinen neuen Führungsanspruch mit Inhalt zu füllen. Im Jahr 695 (74 AH) gab er seine programmatische Goldmünze heraus, deren Vorderseitenbild häufig als „Stehender Kalif“ beschrieben wird.
696 brach ein Aufstand aus. Zu seinen Gründen gehörte auch die Ablehnung der menschlichen Darstellungen im Münzbild. Abd al-Malik reagierte nicht nur militärisch, er änderte auch seine religiöse Propaganda. Bilder verschwanden völlig aus seiner Münzprägung. Stattdessen wurde seit dem Jahr 698 (77 AH) eine auf dem iranischen Gewichtsstandard des Mithqal fußende Goldmünze herausgegeben, die nichts anderes als Inschriften zeigte. Die Münzen mit bildlicher Darstellung wurden systematisch aus dem Verkehr gezogen, so daß nur wenige Beispiele für diese religionshistorisch so interessanten Emissionen überlebt haben.