19. Mai 2016 – „Die Schweiz ist präzise. Selbst Tunnelbauer erlauben sich nur 0,00014 % Abweichung.“
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Oströhre des Gotthard-Basistunnels. Foto: Hannes Ortlieb / Wikipedia.
„Schweizerinnen sind gradlinig. Deshalb wählen sie die schnellste Verbindung.“
Ort des Tunneldurchbruchs. Foto: Cooper.ch / Wikipedia.
„Schweizer sind gerne pünktlich. Deshalb lieben sie kleine Abkürzungen.“
Karte der Gotthardbahn in der Schweiz. Von Pechristener auf Basis von Open Street Map und SBB 2015.svg / Wikipedia.
„Die Schweiz geht ihren eigenen Weg. Und verbindet damit ganz Europa.“
Mit solchen und ähnlichen Werbesprüchen feiert das Bundesamt für Verkehr der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine der technischen Großleistungen dieses Jahrhunderts, den Gotthard-Basistunnel. Und tatsächlich: Jeder Schweizer – und auch die meisten Wahlschweizerinnen wie ich – sind stolz darauf, was da in den vergangenen Jahren seit dem Baubeginn im November 1999 entstanden ist.
Der Anlass der Gedenkprägung
Mit 57 Kilometer ist der neue Eisenbahntunnel, der die Fahrzeit zwischen Zürich und Mailand um etwa eine Stunde verkürzen wird, der längste Eisenbahntunnel der Welt. Er ist gebaut, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, und er wird das Schweizer Volk wohl um die 12 Milliarden Franken kosten. Er steht für alles, worauf die moderne Schweiz stolz ist: Für Präzision und schweizerisches Ingenieurswesen, für Umweltbewusstsein und für die Bereitschaft, im Herzen Europas Verantwortung zu übernehmen. Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am 1. Juni 2016 wird ein gewaltiges Volksfest, an das sich jeder, der es miterlebt hat – sei es vor Ort oder vor dem Fernseher – sein Leben lang erinnern wird. Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels ist das, wovon jede Münzstätte träumt: Perfekt planbare Geschichte mit hohem Identifikationsfaktor.
Und natürlich hat die Swissmint Gedenkmünzen zu diesem Ereignis geprägt. Wir wollen die Entstehung dieser Gedenkmünzen verfolgen. Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt.
Schreiben an das Eidgenössische Finanzdepartement EFD vom 19. September 2014. © Swissmint.
Wer genehmigt die Gedenkmünze?
Die Idee, eine Gedenkmünze anlässlich der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels zu gestalten, ist relativ naheliegend. Aber in der Schweiz besitzt die Eidgenössische Münzprägeanstalt Swissmint nicht die Kompetenz, selbst über die Motive der Gedenkmünzen zu entscheiden. Dafür ist das Eidgenössische Finanzdepartement zuständig, und deshalb in letzter Konsequenz die für die Finanzen zuständige Bundesrätin, damals Eveline Widmer Schlumpf. Deshalb schlägt die Swissmint ihr, bzw. seit 2016 ihrem Nachfolger Ueli Maurer, vor, welche Themen man gerne verwirklichen möchte.
Vertrag zur Gestaltung der Gedenkmünzen „Eröffnung des Gotthard-Basistunnels“ vom 2. Februar 2015. © Swissmint.
Der Entwurf der Münzbilder
Es gab keine Gründe, die gegen dieses Thema gesprochen hätten. Die Bewilligung kam schnell und effektiv bereits am 24. September 2014. Damit war Zeit für den nächsten Schritt: Man suchte und fand einen Künstler, den man mit der Gestaltung des Münzbildes betraute: Fredy Trümpi, einen renommierten Graphiker aus dem nahe Zürich gelegenen Binz.
Der erste Entwurf – Ausgangsbasis für weitere Arbeiten. © Swissmint.
Wie viel Überlegung hinter so einem Entwurf steht, zeigt ein Blick in ein Statement des Künstlers vom 5. März 2015. Er legt darin Wert darauf, dass aus dem Münzbild klar ersichtlich sein muss, dass es sich um einen modernen Eisenbahntunnel handelt, und dass alles Zug-Rollmaterial auf dem aktuellsten Stand ist.
Ein alternativer Entwurf – diese Version wurde nicht weiter verfolgt. © Trümpi & Partner.
Dafür machte Fredy Trümpi eine Ortsbegehung, sah sich nicht nur Nord- und Südportal an, sondern warf auch einen genauen Blick auf die Landschaft, die ihm ein wichtiges Anliegen war.
Natürlich waren dies nicht die einzigen Entwürfe, die zur Auswahl standen. © Trümpi & Partner.
Allerdings war er hier bereit, kleine Kompromisse einzugehen: „Leichte Verzüge durch andere Blickwinkel sind … tolerierbar. … Prinzip: Je weiter weg, umso weniger Details bzw. umso einfacher dargestellt.“
Varianten nach der ersten Überarbeitung. © Trümpi & Partner.
Die Entwürfe nach der ersten Stufe der Überarbeitung waren einander bereits so ähnlich, dass es fast schon einem Suchspiel gleicht, wenn man die Unterschiede finden will.
Der endgültige Entwurf. © Swissmint.
Nach einem weiteren Bearbeitungs-Durchgang, bei dem vor allem Lage und Gestaltung der Schrift reflektiert wurde, stand nach nicht einmal zwei Monaten Arbeitszeit der endgültige Entwurf fest.
Genehmigung des Entwurfs vom 25. März 2015. © Swissmint.
Der musste zur Genehmigung an den Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung geschickt werden, der sich die letzte Entscheidung über alle Münzbilder der Gedenkmünzen vorbehält.
Strichzeichnung des endgültigen Entwurfs. © Swissmint.
Vom Entwurf zum Stempel
Der nächste Schritt ist die Umwandlung der zweidimensionalen Graphik in eine dreidimensionale Münze. Dafür wird zunächst eine Strichzeichnung angefertigt und der Computer angeschaltet.
Die Gestaltungsschritte am Computer. © Swissmint.
Wer heute noch davon ausgeht, dass das wichtigste Werkzeug des Graveurs der Stichel ist, der hat die moderne Entwicklung der Prägetechnologie verschlafen. Der Computer spielt mittlerweile eine mindestens genauso große Rolle. Und niemand möge glauben, es gehöre weniger künstlerisches und handwerkliches Können dazu als früher, einen Entwurf mittels des Computers in ein dreidimensionales Modell umzusetzen.
Das Fräsmodell – theoretisch für den Produktionsprozess gar nicht mehr notwendig. © Swissmint.
Eigentlich würde es genügen, mit Hilfe des Computers ein virtuelles 3D-Modell herzustellen. Allerdings ist es eine zusätzliche Sicherheit, als Zwischenschritt ein Fräsmodell in Kunststoff ausgeben zu lassen.
Digitale Variante der alten Reduziermaschine. © Swissmint.
Dieses Fräsmodell dient in erster Linie der Vergewisserung, ob das, was auf dem Computer zu sehen ist, dreidimensional tatsächlich so wirkt, wie der Künstler es sich vorgestellt hat. Ist dies der Fall, dann können die Computerdaten unverändert übernommen werden. Muss an dem Fräsmodell noch etwas korrigiert werden, dann werden mit einem dreidimensionalen Scanner die neuen Daten in den Computer eingelesen. Nun wird am Computer das Münzbild auf Münzgröße reduziert und in 8 bis 14 Stunden in einen ungehärteten Stahlzylinder gefräst. Der so entstandene Urstempel wird Reduktion genannt.
Größenvergleich: in der Mitte ist ein Haar zu sehen, dessen Durchmesser nur um ein weniges kleiner ist als die Spitze des Bohrers, der die Daten in ein Münzbild umwandelt. © Swissmint.
Wie hoch die Detailgenauigkeit ist, mit der diese Arbeit getan wird, zeigt ein Blick durchs Mikroskop. Der Bohrer, der verwendet wird, um das Metall abzutragen, hat einen nur um ein geringes größeren Durchmesser als ein Haar. Ginge es um noch feinere Strukturen, wie sie notwendig sind, um Mikroschrift oder diverse Farbeffekte zu erzeugen, müsste man in dieser Phase auf eine Lasergravur zurückgreifen.
Der unbearbeitete Urstempel. © Swissmint.
Damit erhält man den Urstempel, von dem man später weiterarbeiten kann.
Mit dem Gravurstichel bearbeitet der Graveur den Urstempel. © Swissmint.
Und an dieser Stelle ist immer noch die gute, alte Handarbeit gefragt. Keine Maschine der Welt ist in der Lage, einem Münzstempel so viel Leben einzuhauchen, wie ein geübter Graveur mit seinem Gravurstichel.
Mit dem gehärteten Urstempel wird die Urmatrize angefertigt. © Swissmint.
Und jetzt beginnt das Umsenken. Dies ist notwendig, um den eigentlichen Ausgangsstempel so wenig wie möglich zu benutzen. Schließlich will niemand mitten in der Produktion einer Emission auf einmal einen neuen Urstempel herstellen müssen, der – o schlimmstes aller Unglücke – auch noch eine Abweichung zu dem vorher benutzten Urstempel darstellt. Deshalb wird aus dem gehärteten Urstempel die Urmatrize angefertigt, …
Der Senkstempel ist zu nichts anderem da, als damit Münzstempel herzustellen. © Swissmint.
…mit der man, nachdem man auch sie gehärtet hat, den Senkstempel herstellt.
Polierter Stempelrohling. © Swissmint.
Für den nächsten Schritt braucht es erst einmal einen polierten Stempelrohling.
Drehmaschine. © Swissmint.
Dafür ist eine Drehmaschine notwendig, …
Schleifen des Stempels. © Swissmint.
… und eine Schleifmaschine.
Die Presse zum Einsenken der Stempel. © Swissmint.
Eine Presse, die einen extrem hohen Druck erzeugen kann – wie diese ölhydraulische Presse von Sack & Kiesselbach, macht mit Hilfe des gehärteten Senkstempels aus einem Stempelrohling den Prägestempel. Für die Prägung einer Gedenkmünze aus Silber (Auflage: 5000 PP und 30.000 unzirkuliert) werden inklusive Reserve 15-18 Stempelpaare angefertigt.
Einige Prägestempel werden gehärtet. © Swissmint.
Und auch dieser Prägestempel muss gehärtet werden, ehe er zum Prägen eingesetzt werden kann. Das galvanische Hartverchromen sorgt dafür, dass mit einem Stempel mehr Münzen geprägt werden können als dies ohne die zusätzliche Härtung möglich wäre.
Endlich: Der Prägestempel. © Swissmint.
Endlich ist der Prägestempel fertig. Wobei es immer viele Prägestempel braucht. Denn kein Prägestempel hält ewig. Und sobald ein Stempel auch nur die geringsten Anzeichen von Verschleiß zeigt, wird er ersetzt.
Ronden und Polierkörper werden in eine Art „Rondenwaschmaschine“ eingeladen. © Swissmint.
Die Rondenproduktion
Damit wären die Stempel parat, was jetzt noch fehlt, sind die Ronden. Diese werden von der Swissmint zugekauft, was heutzutage fast alle Münzstätten machen. Je nachdem, ob Münzen in der Qualität „Normalprägung“ oder „Polierte Platte“ hergestellt werden sollen, ist eine unterschiedliche Rondenvorbereitung erforderlich.
Ein Blick in eine Poliertrommel. © Swissmint.
Grundsätzlich kann man sagen, je höher der Preis für ein Produkt, umso mehr Zeit und Arbeit wurden in die Vorbereitung der Ronden investiert. Hier werden Ronden mit Hilfe von Polierkörpern und einer speziellen Reinigungsflüssigkeit mechanisch so behandelt, dass allfällige Kratzer oder Vertiefungen verschwinden.
Ronden werden für die Spülung fertig gemacht. © Swissmint.
Danach packt man die Ronden einzeln in eine Art automatische Spülmaschine, …
Waschstraße für Ronden. © Swissmint.
… wo die Rückstände der Beiz- und Poliermittel aus dem Polierprozess entfernt werden.
Eine Prägepresse von der Firma Gräbener. Foto: UK.
Das Prägen
Erst jetzt kommt das Prägen.
Ein Blick ins Innere der Prägepresse. Foto: UK.
Und das geht im Großen und Ganzen immer noch genau so wie vor mehr als 100 Jahren, nur wesentlich schneller. Eingelassen in der Maschine ist der Unterstempel, von oben kommt der Oberstempel, und von den Seiten wird der Ronde die Randumschrift appliziert.
Jede Münze in „Polierter Platte“ wird einzeln aus der Presse geschoben. © Swissmint.
Während die Münzen in „Normalqualität“ einfach in einen großen Behälter fallen, werden die Stücke in der Qualität „Polierte Platte“ sorgfältig einzeln aus der Presse geschoben, …
Das menschliche Auge sieht immer noch am meisten. © Swissmint.
… wo sie Andreas Leu untersucht, ob nicht doch eines nicht ganz perfekt geworden ist.
Ausschuss – diese Münzen schaffen es nie in den Umlauf. Foto: UK.
Was ihm nicht gefällt, wandert in den Ausschuss.
Eine moderne Verpackungsanlage. Foto: UK.
Das Verpacken der Gedenkmünzen
Und noch immer sind wir nicht fertig. Jetzt werden die Stücke verpackt.
Die Münzen werden ausgerichtet. © Swissmint.
Mittels eines optischen Systems wird überprüft, ob die Stücke richtig liegen. Falls sie dies nicht tun, wird sie der Automat nach dem gewünschten Vorbild ausrichten.
Für die „Normalprägung“ ist eine Verpackung in Noppenfolie vorgesehen. © Swissmint.
Danach werden die Stücke in der Qualität „Normalprägung“ in Folie eingeschweißt.
Die Jubiläumsmünze in Kapsel und Schatulle. © Swissmint.
Die kleinere Auflage in „Polierter Platte“, von der nur 5.000 Stück geprägt wurden, wird aufwändig in Kapsel und Schatulle verpackt, ehe sie für die Kunden zur Verfügung steht.
Erst jetzt kann die Münze in den Vertrieb gehen. Wobei, die am 28. Januar 2016 ausgegebene Silbermünze zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels ist schon längst ausverkauft. Nur ein kleiner Restbestand wird noch anlässlich der Festlichkeiten rund um die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels bei Erstfeld und Bodio am 4. und 5. Juni 2016 zur Verfügung stehen. Es gilt also, schnell zu sein.
Übrigens, kurz vor der Eröffnung des Tunnels, am 26. Mai 2016, ist dann auch noch der Erstverkaufstag der Goldmünze, die anlässlich dieses schweizerischen Großereignisses geprägt wurde. Und die zeigt dann nicht das Nord-, sondern das Südportal.
Zur Seite der Swissmint kommen Sie hier.
Da gibt es eine noch ausführlichere Beschreibung, wie Münzen produziert werden.
Die Website zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels finden Sie hier.
Zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels stellt eine Ausstellung des Schweizerischen Nationalmuseums die Geschichte des Tunnelbaus in der Schweiz dar. Über die Ausstellung lesen Sie mehr in diesem Artikel.