Erasmus von Rotterdam in Basel – Teil 2: Das Erbe des Bonifacius Amerbach

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Im ersten Teil haben wir Ihnen erzählt, warum Erasmus von Rotterdam Medaillen von sich anfertigen ließ, und dass sie Medaillen aus seinem Besitz heute noch im Historischen Museum von Basel bewundern können. Dies liegt daran, dass er als Erben und Testamentsvollstrecker den Basler Bürger Bonifacius Amerbach einsetzte.

Bonifacius Amerbach. Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren. Kunstmuseum Basel. Quelle: Wikipedia.

Memorabilien

Bonifacius Amerbach war ein getreuer Testamentsvollstrecker. Er sandte Vermächtnisse an die damit Bedachten, verwaltete das Vermögen des Erasmus in Höhe von 5.000 Gulden, und zahlte daraus die jährliche Unterstützung für Arme und die Stipendien für Studenten. Er wehrte sich aber auch gegen die Ansprüche derer, die Erasmus nicht bedacht hatte. Und vor allem hütete er die Objekte, die durch die Erbschaft in seinen Besitz übergegangen waren.

Erasmus-Truhe. Basel, 1539 (datiert). 1870.911. Historisches Museum Basel, Foto: P. Portner.

Er ließ für sie eine eigene Truhe bauen, die in der Dauerausstellung des Historischen Museums Basel zu sehen ist. Sie diente ausdrücklich dafür, den Nachlass des Erasmus aufzubewahren. Das kommt schon in der Gestaltung des prachtvollen Möbels zum Ausdruck. Ganz links sehen wir das Porträt des Erasmus in einem Medaillon. In ähnlichen Medaillons sind drei weitere Brustbilder zu sehen, die zwar ohne Bezeichnung sind, doch den großen Gelehrten der Griechen (Aristoteles), Hebräer (Salomon) und Römer (Vergil) zugeordnet werden können. Dazu passt die lateinische Inschrift: Für mich selbst und des Größten aus dem Kreis der Gelehrten innig gedenkend, habe ich dies herstellen lassen.

Erasmus ein Sammler?

Wir wissen sicher, dass schon Erasmus antike Münzen besaß: Ihm gehörte ein Goldstater des Koson, ein Aureus des Traian und ein Solidus des Gratian. Aber können wir deshalb sagen, dass Erasmus antike Münzen sammelte? Wohl eher nicht. Er hatte diese Stücke als mehr oder weniger zufällige Geschenke erhalten und bewahrte sie als kostbaren Besitz auf.
Basilius Amerbach dagegen war durchaus bereit, systematisch Objekte aus dem Nachlass seines verstorbenen Freundes zu kaufen. So zahlte er Aurelius Erasmius Froben zwei Gulden für ein Tischmesser, weil es „des D. D. Erasmj gewesen“ sei.

Globuspokal, angefertigt von Jakob Stampfer (1505/6-1579), Zürich um 1550/1552. © Historisches Museum Basel. 1882.103. Historisches Museum Basel, Foto: P. Portner.

Der Sammler

Doch das war nicht das einzige, was Bonifacius Amerbach zusammentrug. Er kaufte schöne, kostbare Objekte wie 1555 für 124 Gulden den prachtvollen Globuspokal, angefertigt von Jakob Stampfer, …

Taler des Gotteshausbundes o. J. (1565). Stempelschneider Jakob Stampfer. Aus Auktion LHS 94 (2005), 3617.

… den Münzsammler eher als den Künstler kennen, der die Stempel zu den schönsten Münzen der Schweiz schnitt.

Einhornrelief. Oberrhein (?), um 1500. Walroßzahn. 1884.142. Historisches Museum Basel, Foto: P. Portner.

Auch was wir heute eher als Kuriosum einordnen würden, begeisterte ihn, so das etwa Streichholzschachtel große geschnitzte Stück eines Walrosszahns, den man im 17. Jh. für den wundertätigen Zahn eines Einhorns hielt. Dieses Stück wurde im Münzverzeichnis des Bonifacius Amerbach von 1552 aufgeführt: „Item ein einhorn in einem Einhorn. kost X batzen.“
Wobei wir bei der Münzsammlung des Bonifacius Amerbach wären. Er besaß im Ganzen über 252 Stück: 103 echte und 6 abgegossene antike Münzen in unedlem Metall, 81 echte silberne, 10 goldene und 50 „nueve“ Stücke.

Das Kunstkabinett

Das war nichts, verglichen mit dem, was Basilius Amerbach, drittes Kind des Bonifacius und sein einziger Sohn, zusammentragen sollte. Um nur ein Beispiel zu nennen, in dessen Inventar der druckgraphischen Werke sind rund 4.000 Holzschnitte, Kupferstiche und illustrierte Bücher erwähnt. Und das war nur eines der vielen Gebiete, für die sich Basilius interessierte.
Er war wie sein Vater Professor für Jurisprudenz an der Universität Basel. Innert drei Wochen verlor der noch nicht einmal Dreißigjährige seine Ehefrau im Kindbett, den gerade geborenen Sohn und den geliebten Vater. Es war eine tiefe Zäsur im Leben des letzten Amerbach. Er zog sich in seine Studierstube zurück, verzichtete auf familiäres Glück und suchte Geborgenheit in der wohl geordneten Welt seiner immer größer werdenden Sammlung.
Die brachte er in seinem Haus, genannt zum Kaiserstuhl, unter, das in Kleinbasel an der Rheingasse lag. Als das, was Amerbach als „mine Stuben“ oder „studierstuben“ bezeichnete, nicht mehr ausreichte, baute er sich zwischen 1578 und 1580 ein eigenes Kabinett, die „nüwe Cammer“, um die Objekte optimal unterzubringen. Es war kein fürstliches Gemach und nicht auf Schau ausgerichtet, sondern ein bürgerlich-praktisches, wovon ein Münzschränkchen, das einzige Einrichtungsstück, das wir heute noch besitzen, Zeugnis ablegt.

Münzkasten von Basilius Amerbach. Basel, um 1578. 1908.16. Historisches Museum Basel, Foto: P. Portner.

Amerbachs Münzschränkchen

In der Mitte des Raumes stand auf einem Fuß Amerbachs Münzschränkchen frei und von jeder Seite begehbar. Die fein gearbeiteten Schubladen, die rund herum aus dem Kasten gezogen werden können, sind verblendet und mit Nürnberger Schlössern geschützt. Der Kasten bot Platz für die 3.870 Münzen, Medaillen und anderen Objekte, die Basilius vor allem in seinen letzten Lebensjahren zusammen trug. In den Schubladen rechts waren die griechischen und römischen Münzen in chronologischer Reihenfolge untergebracht. Hinten verstaute Amerbach die Medaillen. Links lagen Raritäten, Gold- und Silbermünzen, Arbeiten in Perlmutt, Gemmen, Kameen, geschliffene und ungeschliffene Steine und alles, was sonst noch klein und bemerkenswert war.
Die Vorderseite nahmen drei antike Statuen ein, von denen heute nur noch zwei erhalten sind. in der Mitte eine Venus, die Amerbach zwischen 1576 und 1578 von Demoulin de Rochfort kaufte, zu ihrer Rechten Merkur, über dessen Herkunft wir heute nichts mehr wissen. Das heute leere Fach füllte eine Iuppiterstatue aus, die der Basler Arzt Theodor Zwinger Amerbach geschenkt hatte.
Dieses Kleinmöbel ist eines der ältesten Münzschränkchen, die uns heute noch erhalten sind. Und es grenzt an ein Wunder, dass sein Inhalt und diese gesamte bürgerliche Sammlung nicht wie so viele andere in aller Herren Länder zerstreut wurde, sondern heute noch in den verschiedenen Museen von Basel bewundert werden kann.

Das älteste Museum in Europa

1591 starb Basilius Amerbach ohne Sohn. Er hinterließ seinen gesamten Besitz dem Sohn seiner Schwester, Ludwig Iselin-Ryhiner. Der und dessen Sohn hüteten die Sammlung, ohne etwas hinzuzufügen, aber auch ohne etwas wegzunehmen. Doch 1648 starb mit Basilius Iselin der letzte männliche Spross der Familie. Und sofort gab es einen Rechtsstreit über seinen Nachlass, in den sich die Basler Regierung kräftig einmischte.
1648 hatte nämlich der Basler Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein im Westfälischen Frieden für die Eidgenossenschaft die Loslösung vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation durchgesetzt. Und damit ging natürlich ein gesteigertes Selbstverständnis der Basler Bürgerschaft einher. Man wollte mit diesen Fürstenhäusern gleichziehen, die so stolz auf ihre großen Sammlungen waren. Man hatte ja schließlich auch innerhalb der Stadtmauern Sammlungen, die es durchaus mit manchen fürstlichen aufnehmen konnten …
Auch wenn es Stimmen gab, die alles am liebsten veräußert hätten, Wettstein setzte sich für den Erhalt des einmaligen Ensembles ein: „Ich bedauerte es sehr, wenn uns die Griechen, um nicht zu sagen die Goten, dieses Palladium entreißen sollten. Wir werden es zu unserer Unehre verlieren, mag man nun von uns sagen, wir hätten es aus Mangel an Geld verloren oder aus Geringschätzung so wertvoller Gegenstände, die von anderthalb Jahrhunderten mit unglaublichem Eifer und Aufwand durch die ausgezeichnetsten Männer zusammengebracht wurden. Wie ist da zu helfen? Gib mir Rat, oh Freund.“ So schrieb Wettstein in einem Brief vom 1. März 1650.
Doch wer sollte tatsächlich die teure Sammlung kaufen? In Basel fand sich niemand, so dass sich der Sohn Wettsteins in Schaffhausen und Zürich umhörte, um nur ja zu verhindern, dass das Amerbach’sche Kabinett das Land verlassen müsste. Schließlich stand zu befürchten, dass die Beschreibung des Matthäus Merian (1593-16540), die dieser in seiner 1654 erschienenen Topographia Helvetiae gegeben hatte, bald nicht mehr gültig sein würde: „… deß Viti Amerbachij Hauß / darinn ein ansehenlicher Schatz von allerley alten Müntzen / Kunst vnd Rariteten / zu sehen.“
Doch erst als ein Amsterdamer Kaufmann ein konkretes Angebot in Höhe von 9.500 Reichstalern machte, entschied sich der Rat zu handeln. Am 20. November 1661 fiel der Beschluss, die Sammlung den Erben für 9.000 Reichstaler abzukaufen – zahlbar in drei Jahresraten.

Pedell Scholer erklärt den Besuchern Werke der öffentlichen Basler Kunstsammlung im Vorsaal des Hauses zur Mücke. Kupferstich 1837. Quelle: Wikipedia.

Ab 1671 war die Sammlung Amerbach im Haus zur Mücke, nahe dem Münsterplatz ausgestellt. Offen war zunächst nur einmal in der Woche, nämlich am Donnerstag Nachmittag. Stolz ist man in Basel heute darauf, dass es sich dabei um eine der ersten öffentlich zugänglichen Sammlungen eines bürgerlichen Gemeinwesens handelte.

Historisches Museum Basel. Münzkabinett. Historisches Museum Basel, Foto: Ph. Emmel.

Ja, und schon damals gab es ein „Cabinet d’Erasme“, in dem man Siegelring und andere Kostbarkeiten aus dem Besitz des großen Humanisten sehen konnte, genauso wie in der Dauerausstellung des historischen Museums Basel.

Historisches Museum Basel. Die große Kunstkammer. Historisches Museum Basel, Foto: Ph. Emmel.

Sie ist äußerst sehenswert, die Dauerausstellung mit dem schönen Namen „Wege zur Welterkenntnis“, in der nicht nur die Geschichte der Basler Sammler Erasmus von Rotterdam und Basilius Amerbach erzählt wird, sondern auch die von Remigius Faesch, Felix Platter und vieler anderer. Wenn Sie das nächste Mal nach Basel kommen, sollten Sie nicht versäumen, dem Historischen Museum Basel einen Besuch zu machen. Auch die Dauerausstellung des Münzkabinetts lohnt ein, zwei Stunden aufmerksames Studium.

Den ersten Teil des Artikels finden Sie hier.

Zur Seite des Historischen Museums Basel gelangen Sie hier.

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