9. Dezember 2010 – „Der Glanz aller Goldschätze dieser Welt schenkt mir keine Freude“ sinniert der siebenbürgische Fürst Michael I. Apafi, und schließt als sorgenvolle Begründung an: „denn ich fürchte, daß dies alles für mein Seelenheil von Schaden ist“ (splendor opes aurum mundi mihi nulla voluptas – quin puto pro Christo haec omnia damna meo).
Goldgigant (100 Dukaten) des siebenbürgischen Fürsten Michael I. Apafi von 1677. 347 g, 85 mm. Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien.
Der zur Depression neigende, zwischen Habsburg und der Hohen Pforte lavierende letzte Herrscher Transsilvaniens hat dies nun nicht etwa seinem Tagebuch oder Beichtvater anvertraut, sondern er hat es im Jahre 1677 auf seine Goldmünzen geschrieben. Und das sind nicht irgendwelche, sondern die größten, die seinerzeit auf der Welt zu finden waren – 100 Dukatenstücke im Gewicht von 350 g Gold. Von den beiden erhaltenen Exemplaren ist eines in dieser Ausstellung zu sehen.
Dieses besondere zwiespältige Verhältnis zum Gold, um dessen Verderben bringende Wirkung man durchaus weiß, ohne jedoch – wie bei allen Lastern – davon lassen zu können, hat nicht nur der Fürst Siebenbürgens artikuliert und mit seinen Goldgiganten materialisiert. Für den einen ist das gelbe Metall göttlich, verkörpert Glanz und Glück schlechthin, für den anderen ist es mit dem russischen Dichter Maxim Gorki der „gelbe Teufel“.
Gold und Geld
Gold besitzt universelle Akzeptanz, jenseits jeder Politik und Ideologie. Es hat sich in der Geschichte als ebenso universeller Maßstab für Bewertung und Bewahrung von Vermögen erwiesen und erfüllt damit mindestens zwei der drei von den Ökonomen als Grundeigenschaften des Geldes aufgestellten Kriterien. Für die dritte Eigenschaft, das allgemeine Tauschmittel, ist es zu wertvoll und nicht in ausreichender Menge vorhanden. An dieser Dialektik – als Tauschmittel zu wertvoll und daher im Kurs schwankend, als Wertmaßstab eben wegen Wert, Seltenheit und Akzeptanz unbestritten – krankt die Geschichte des Goldes als Geld und Währung. Die Versuche, Gold in feste Wechselkurse zu Währungen zu bringen, sind immer wieder gescheitert. Eine echte Goldwährung (d. h. feste Wechselkurse zwischen Goldgeld und den anderen, kein Gold enthaltenden Geldformen wie Papiergeld) hat es eigentlich nur in den hundert Jahren zwischen den Napoleonischen Kriegen und dem Ersten Weltkrieg gegeben.
Big Maple Leaf, das größte Goldnugget der Welt – 1.000.000 Dollar, Kanada, 2007. 100.000 g, 530 mm. Privatbesitz.
Ganz ohne Frage ist mit der Banken- und Finanzkrise der letzten Jahre der Run auf das Gold erheblich gewachsen. Der seither explodierende Goldpreis gibt davon beredtes Zeugnis. Dieser neue Goldrausch hat ganz große neue „Nuggets“ in die Welt gebracht, andere freilich als bei den älteren großen „Goldräuschen“ im 19. Jahrhundert. Mit 100 Kilogramm Gold in der unerhörten Feinheit von 999,99 werden alle früheren Nuggets, selbst das berühmte Holdermann-Nugget (93 kg Gold), seit 2007 vom kanadischen „Big Maple Leaf“ in den Schatten gestellt. Da mit dem österreichischen „Big Phil“ schon seit 2004 ein Nugget von 31 Kilogramm Gold auf dem Markt ist, China ebenso wie Rußland zu ähnlichen Giganten zumindest schon Anlauf genommen haben, scheint es nicht mehr abwegig, einmal ernsthaft zu fragen, ob die Gold-Welt unserer Tage einfach bloß außer Rand und Band geraten ist, oder ob dieser Virus der Gold(giganto)manie auch in früheren Zeiten schon grassierte.
Goldmünzen und Goldgiganten
Dazu haben sich die Münzkabinette Berlin und Wien zusammengetan und präsentieren in einer gemeinsamen Ausstellung in Berlin eine Auswahl ihres „großen Goldes“. Andere Leihgeber, wie die Oesterreichische Nationalbank und das Auktionshaus Künker, haben das moderne Gold beigesteuert. Zwar stehen die Goldgiganten im Titel und Mittelpunkt der Ausstellung, die Ausstellung zeigt aber mehr. Auch das kurante Goldgeld, das „kleine Gold“, wird in einem nach Münztypen gegliederten Überblick gewürdigt, der von der Antike bis in das 20. Jahrhundert reicht. In gewisser Weise wird damit ein Lexikon der wichtigsten Goldmünzen aller Zeiten und Länder aufgeblättert und mit 149 Originalen des Berliner Münzkabinetts illustriert.
Der Goldgigant der historischen Prägemedaille: Prunkmedaille zu 360 Dukaten König Christians V. von Dänemark, 1677, 1.259 g, 129 mm. Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien.
Daran schließt sich im zweiten und dritten Teil das große Gold des Wiener und des Berliner Münzkabinetts an. Die Trennung nach den Standorten Wien und Berlin hat einen praktischen Grund. Das Berliner große Gold (57 Ex.) ist überwiegend Teil der ständigen Ausstellung des Münzkabinetts und wird permanent gezeigt. Aus dem Wiener großen Gold sind 68 Kostbarkeiten ausgewählt worden und zum größten Teil erstmals außerhalb Wiens zu sehen. Für Berlin und Wien gilt gleichermaßen, daß nicht nur das Goldgewicht der Objekte das Auswahlkriterium bildet. Es müssen auch historische Bedeutung, Seltenheit (die auf Grund der Größe meist gegeben ist) und nicht zuletzt eine schöne Erhaltung hinzukommen, um in dieser Ausstellung einen Platz unter den Goldgiganten einzunehmen. Auf diese Weise ist eine 125 Stücke umfassende Galerie numismatischer Meisterwerke und Raritäten allerersten Ranges zusammengekommen, wie sie noch niemals an einem Ort versammelt war.
Die Teile IV (Goldanlagemünzen) und V (Goldbarren) sind der Moderne gewidmet. Die als Spekulationsobjekte bisher keinen übermäßig guten Ruf genießenden Goldanlagenmünzen erhalten damit ihre museale Weihe und gewissermaßen den numismatischen Ritterschlag. In der Zusammenstellung bis hin zu den ganz großen Giganten „Big Phil“ und „Big Maple Leaf“ und ihrer Konfrontation mit dem historischen Goldgeld ergibt sich ein reizvoller Vergleich und sicherlich mancher Diskussionsstoff zum Thema des Münzgoldes in Vergangenheit und Gegenwart. Gehört das Münzgold der Moderne zur „numismatischen Familie“ oder hat es mit Numismatik nichts zu tun?
Goldmachen – eifrig probiert, nie gelungen. Großes „Alchemistisches Medaillon“ und Ahnentafel Kaiser Leopolds I., 1677. Gold-Silber-Kupfer, 7.200 g, Höhe 374 mm, Breite 301 mm. Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien.
Eingeleitet wird die Ausstellung mit einem der Heiligtümer des Wiener Kabinetts, dem „Alchemistischen Medaillon“ Kaiser Leopolds aus dem Jahre 1677. Dieses habsburgische Kronjuwel durfte Wien bisher nur zweimal verlassen: einmal wurde es in Japan gezeigt und jetzt in Berlin. Es ist das vielleicht eindrucksvollste und kostbarste Zeugnis der menschlichen Goldsehnsucht, denn soviel Gold der Erde auch entrissen wird, der Vergil’sche „verfluchte Hunger nach Gold“ (auri sacra fames) ist offenbar nicht zu stillen. Die (Al)Chemie der Barockzeit hat dies durch künstliche Goldherstellung versucht. An nahezu allen europäischen Höfen glaubten Alchemisten, in ihren Laboratorien dem Stein der Weisen und damit dem Schlüssel zum Gold auf die Spur kommen zu können. Bisweilen waren es Scharlatane, bisweilen aber auch von echtem Forscherdrang Getriebene. Bisweilen endeten sie am Galgen (wie 1710 in Berlin), bisweilen entdeckten sie, was sie nicht suchten (wie Johann Friedrich Böttger in Meißen das Porzellan), bisweilen schienen sie sogar ihr Ziel zu erreichen, wie Johann Wenzel Seiler 1677 in Wien.
Alle 304 ausgestellten Objekte (Münzen, Medaillen, Barren) sind in einem umfangreichen Kataloghandbuch beschrieben, kommentiert und abgebildet. Das Buch enthält ferner Essays zum Gold und Geld in Antike, Mittelalter, Neuzeit und Moderne.
von Bernd Kluge
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Die Münzenwoche stellt in Verbindung mit der großen Ausstellung einige der wichtigsten Exponate vor.
Für die größte Münze der Welt, den Big Maple Leaf zu 1.000.000 Kanadischer Dollar klicken Sie hier.
Wenn Sie mehr über die emotionale Seite des Goldes wissen wollen, dann empfehlen wir unseren Artikel „Gold! – Jack London, der Klondike und Burning Daylight“.