von Ursula Kampmann
15. Mai 2014 – Zwischen 1431 und 1449 fand in Basel ein Konzil statt, das eine Vielzahl von hochrangigen Gesandten in die Stadt am Rheinknie lockte. Und damals wie heute wollten Kongressbesucher unterhalten sein (vor allem wenn ein Kongress gleich mehrere Jahre dauerte). So nutzten also viele von ihnen die Möglichkeit, nach Schaffhausen zu reisen, als dort in den Jahren 1436 und 1438 ein großes Turnier stattfand. Zwei Spanier gehörten zu den Schlachtenbummlern. Sie haben uns schriftliche Zeugnisse ihres Besuchs hinterlassen, so dass die Schaffhauser Turniere die bestüberlieferten Ritterspiele überhaupt sind. Ein guter Grund also, für den Direktor des Museums von Allerheiligen, Dr. h. c. Peter Jezler, eine Ausstellung zum Thema zu machen. Und diese Ausstellung ist wieder einmal fabelhaft gelungen. Der Besucher taucht in die Vergangenheit ein und erlebt anhand ausgewählter Objekte, wie ein reales Turnier sich damals abspielte.
Plakat der Ausstellung.
Warum das für einen Numismatiker interessant ist? Nun, ganz einfach, auf vielen Münzen aus der frühen Neuzeit sind Herrscher in prachtvollen Rüstungen abgebildet. Wenn manch einer sich überlegt, warum sich in einer Zeit, als Kriege längst durch Kanonen entschieden wurden, die Fürsten immer noch auf ihren Münzen im unbequemen Ritteroutfit präsentierten, dann liegt der Grund nicht darin, dass sie sich als Kriegshelden gerierten, sondern als Sportler.
Wohl die berühmteste „Turniermünze“ der Numismatik: Der Guldiner Sigismunds des Münzreichen.
Nehmen wir den berühmten Guldiner von Sigismund dem Münzreichen. Er präsentiert sich auf seiner Rückseite beim Anreiten ins Turnier mit dem prächtigen Turnierhelm.
Das Stechzeug von Erzherzog Sigismund dem Münzreichen von 1483/4. © Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer.
Und das originale Stechzeug dieses numismatisch so innovativen Herrschers ist im Rahmen der Ausstellung zu sehen! Natürlich besaß Sigismund mehr als eine Ausrüstung für die Ritterspiele, aber es ist einfach eine zu hübsche Vorstellung, dass es diese Rüstung war, die abgebildet wurde.
Wer sich nun auf so einer frühneuzeitlichen Münze die ritterliche Rüstung genau ansieht, der wird nach einem Besuch der Ausstellung in Schaffhausen endlich wissen, warum welche Rosette hier und welcher Haken da angebracht war. Denn genau dieses detailverliebte Spezialwissen, das die Vergangenheit wieder zu ihrem Leben erweckt, wird hier vermittelt.
Wussten Sie zum Beispiel, dass der Aufprall von Lanze auf Panzer mit ca. 60 Stundenkilometern erfolgte? Können Sie sich überhaupt vorstellen, welcher Gewalt das entspricht? Schauen Sie sich dazu doch einmal einen Film an, der zeigt, was mit einem Auto passiert, wenn es bei 50, 70 und 90 Kilometern gegen eine Wand knallt.
Wie verhinderte man es nur, dass der Reiter beim Sturz vom Pferd bei solchen Geschwindigkeiten eine schwere Gehirnerschütterung erlitt?
Helmhaube von Erzherzog Sigismund dem Münzreichen, von 1484. Foto: UK.
Nun, er trug unter seinem Helm eine dick gepolsterte Haube, die die größte Wucht auffangen konnte.
Und wie vermied man es, dass der Sattel beim gewaltigen Aufprall der Lanze nicht verrutschte? Oder der getroffene Reiter gar im Sattel hängen blieb, und dabei schwer verletzt wurde?
Turniersattel mit Befestigungsriemen. Foto: UK.
Hier spielte die Form des Sattels eine wichtige Rolle. Der war flach und hatte nicht wie sonst üblich eine hintere Galerie. Wurde nun der Reiter vom Pferd gehoben, glitt er mehr oder weniger elegant zu Boden. Dass der Sattel nicht verrutschte, dafür sorgten zwei Riemen. Die auffällig weit vorne angehängten Steigbügel erlaubten dem Reiter, sich mit vorgestreckten Beinen im Sattel zu verkeilen und den Stoß des Gegners abzufangen.
Kopfschutz eines Pferdes. Foto: UK.
Um zu vermeiden, dass das Pferd schon beim Anreiten vor dem Gegner scheute, machte ihm seine Rüstung den Blick nach vorne praktisch unmöglich.
Pressekonferenz im Museum zu Allerheiligen unter großer Aufmerksamkeit von Fernsehen, Radio und Zeitungen. Foto: UK.
Natürlich geht es bei dieser großartigen Ausstellung nicht nur um das Turnier an sich, sondern um das Turnier als sozialen Event. Denn neben den Kämpfen gehörten auch Gericht, Bankett und Tanz dazu. Hier wurden Zwiste beigelegt, Heiraten angebahnt und jungen Leuten die Möglichkeit geboten, sich in der feinen Gesellschaft bewegen zu lernen.
Schmuckkästchen mit Szenen des ritterlichen Lebens um 1320. © Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum.
Turniere boten Frauen die Möglichkeit, ihnen angetanes Unrecht zu rächen, und das auf ziemlich handgreifliche Art und Weise. Und hier liegt die große Stärke dieser Ausstellung, die konkreten Beispiele, die einen Einblick bieten in die Rechtsvorstellungen des 14. Jahrhunderts. So gab es durchaus die Möglichkeit für eine Frau, eine Vergewaltigung – trotz Leugnen des Täters – anzuzeigen und zur Verhandlung zu bringen. Allerdings natürlich nur im Rahmen der Zeit, mittels eines Gottesurteils. Den beiden Kontrahenten wurde der gerichtliche Zweikampf gestattet. Der Mann, zum Ausgleich der körperlichen Vorteile, stand bis zur Taille in einer Grube und hatte die linke Hand an der Taille festgebunden.
Übrigens, in allen illustrierten Gerichtsbüchern scheint der Mann unschuldig zu sein, da er stets als Sieger aus dem ungleichen Kampf hervorgeht.
„Freydal“: Turnierbuch Kaiser Maximilians I., um 1515. © Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer.
Um Näheres über solche Hintergründe zu erfahren, ist es empfehlenswert, sich den hervorragenden Katalog zu kaufen, der im Quaternio Verlag Luzern erschienen und für 48 CHF im Museumsshop erhältlich ist. In Deutschland ist das Buch für 39,80 Euro über den Buchhandel zu beziehen.
Wem darin die Numismatik etwas zu kurz kommt, der sei auf den bei Schnell + Steiner erschienen Ausstellungskatalog von Mannheim hingewiesen, wo noch bis zum 9. November 2014 eine thematisch sehr verwandte Ausstellung durchgeführt wird: Kaiser Maximilian I. – Der letzte Ritter und das höfische Turnier. In diesem Katalog hat der Wiener Numismatiker Heinz Winter einen ausgezeichneten Beitrag zu den Schautalern Maximilians verfasst.
Ritterspiele in Schaffhausen.
Was Mannheim allerdings nicht bieten kann, das sind originale Ritterspiele, wie sie in Schaffhausen zwischen dem 10. und 20. Juli 2014 abgehalten werden. Man arbeitet dafür mit den besten Rittern zusammen, die es heute gibt. Ja, es gibt sie noch, Menschen, die mühsam die Technik des Tjosts erlernen und mit echten und unpräparierten Lanzen gegeneinander anreiten. Eine Probe des Könnens dieser Reiter durfte die Verfasserin bereits in St. Wendel miterleben. Sie war restlos begeistert. Der Bericht darüber ist in der MünzenWoche zu finden.
Wir können es also allen Lesern der MünzenWoche, die sich ihre jugendlichen Träume vom abenteuerlichen Ritterdasein erhalten haben, nur empfehlen, einen Sommerurlaub der ganz besonderen Art zu planen. Erst nach Schaffhausen in die Ausstellung, dann zum Ritterturnier, vielleicht ein paar Ausflüge in die Umgebung, wo es viele Zeugnisse ritterlichen Lebens gibt, und zum Abschluss nach Mannheim, um sich die Ausstellung über den letzten Ritter anzusehen.
Mehr über die Ausstellung in Schaffhausen erfahren Sie hier.
Es gibt auch ein Video von art-tv.
Tickets und Infos für die Ritterspiele finden Sie hier.
Das Fremdenverkehrsamt von Schaffhausen bietet attraktive Pakete mit Übernachtung an.
In Mannheim gibt es auch eine Ausstellung zum Thema Ritter. Wir berichteten darüber.
Und in Schaffhausen gibt es noch weitaus mehr zu sehen. So stellten wir zum Beispiel die Sammlung Ebnöther vor.