von Ursula Kampmann
1. Oktober 2015 – Eigentlich ist die Welt der antiken Numismatik simpel. Sie ist zweigeteilt, auf der einen Seite die Griechen, auf der anderen die Römer. Kelten und Byzantiner haben es zwar zu einem gewissen Eigenleben gebracht, aber all die anderen Völker – Randvölker, wie man sie früher leicht despektierlich nannte – tauchen in den Überschriften praktisch nicht auf. Und dabei machen gerade sie die antike Welt so eindrucksvoll.
Dimitar Draganov, The Coinage of the Scythian Kings in the West Pontic Area. Bobokov Bros. Foundation. Sofia 2015. 310 S. mit 72 Tf., alles farbig bebildert mit zahlreichen Karten und Tabellen. A4. Hardcover. ISBN 978-954-9460-05-6. 120 Euro + Porto.
Nehmen wir zum Beispiel das Volk der Skythen, das schon Herodot romantisierend verklärt hat. König Ateas, ein Zeitgenosse Philipps II. von Makedonien, gelang es, die Herrschaft über praktisch alle skythischen Stämme zu erringen. Wie ihm dieses diplomatisch-militärische Meisterstück gelang, wissen wir nicht. Nur eines ist klar. Er wird dafür wahrscheinlich genauso viel Energie gebraucht haben wie sein Zeitgenosse Philipp II., der für seine Eroberung Griechenlands wesentlich mehr Chronisten fand. Und die skythischen Münzen werden bis heute in allen Katalogen unter der Überschrift „Griechische Prägungen“ abgehandelt. Eine liebgewordene Gewohnheit, historisch aber sicher nicht korrekt.
Wie auch immer, die neue Monographie von Dimitar Draganov widmet sich dieser so interessanten Münzprägung. Ein erster Teil beschäftigt sich mit den Prägungen des ersten skythischen Königreich unter Ateas, das 339 von Philipp II. zerstört wurde. Hier sind auch Prägungen der Stadt Dionysopolis zu finden, auf denen eine Reiterstatue des Königs abgebildet ist.
Der zweite Teil handelt von der Münzprägung des zweiten skythischen Königreichs auf der Dobrudscha, das etwa von 218 v. Chr. bis 168/7 v. Chr. von einer einzigen königlichen Dynastie beherrscht wurde. Zu ihr gehörten die Könige Tanousas, Kanites, Akrosas, Charaspes, Aelis und Sariakes. Und hier leistet der Autor Grundlagenarbeit. Die relative Chronologie der Herrscher des zweiten skythischen Königreichs war bis jetzt umstritten; Dimitar Draganov liefert in seinem Buch nicht nur eine schlüssige Rekonstruktion der Herrscherfolge, sondern bietet darüber hinaus feste Daten.
Für alle Prägungen analysiert Dimitar Draganov die Darstellungen und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Gegenstempel. Kurz, den Leser erwartet ein exzellenter und reich bebilderter numismatischer Kommentar. Dabei kommt dem Autor seine Vertrautheit mit westlichen und östlichen Sprachen zu Gute. Er liefert eine Synthese der bisherigen Forschung und hat sich trotzdem entschieden, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in seiner Muttersprache Bulgarisch, sondern auf Englisch niederzulegen. Die internationale numismatische Gemeinschaft dürfte ihm dafür sehr dankbar sein.
Auch Dimitar Draganov ist ein Leser der MünzenWoche und hat uns an unserem Stand in Taormina besucht. Foto: Björn Schöpe.
Und damit kommen wir zum Stempelcorpus, das das Material übersichtlich und mit hervorragenden Bildern illustriert präsentiert. Damit wird dieses Buch zu einem Standardreferenzwerk. Jeder Münzhändler, jeder Museumskurator wird es zu schätzen wissen, wenn es ans Katalogisieren geht. Darüber hinaus widmet Dimitar Draganov den modernen Fälschungen ein eigenes Kapitel. Und wer bisher glaubte, von Bronzemünzen gäbe es keine Fälschungen, der wird hier eines Besseren belehrt.
Kurz, dieses Buch ist ein neues Standardwerk und gehört in jede Bibliothek mit wissenschaftlichem Anspruch. Wer es beim Autor bestellt, sollte die anderen Standardwerke aus der Feder von Dimitar Draganov ebenfalls ordern. Noch sind sie erhältlich.
- The Coinage of Cabyle (Bulgarisch mit einer langen englischen Zusammenfassung)
- The Coinage of Deultum (Englisch)
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