von Michael Matzke
13. Juni 2013 – Mit Julius Caesar und Cicero von Angesicht zu Angesicht, den Furor Alexanders des Großen spüren, einen Eindruck von Karl dem Großen erhalten – all dies ist heute angesichts der omnipräsenten Medien möglich, wenn auch nur virtuell oder abstrakt in der Lektüre, aber kaum unmittelbar „greifbar“. Lange vor dem postmodernen Medienzeitalter war dies allerdings ein noch viel größeres Problem – und ein allgemein verbreitetes Desiderat angesichts der Begeisterung für die Antike und die Geschichte im Zeitalter der Renaissance und bis ins 20. Jahrhundert.
Römische Phantasie-Münze mit dem Portrait M. Tullius Ciceros, im Inventar des Basilius Amerbach (1533-1591) erwähnt als „Ciceronis nummus falsus“.
Der einfachste Weg mit vergangenen Zeiten, historischen Persönlichkeiten und aller Herren Länder in direkten Kontakt zu kommen, war – und ist – die Beschäftigung mit Münzen. Auch heute noch, im Zeitalter von Internet und elektronischem Geld, vermittelt das von Reisen mitgebrachte fremde Münzgeld einen greifbaren Bezug zu dem Land seiner Herkunft. Münzen als Massenprodukte, die die Menschen seit ihrer Erfindung im 7. vorchristlichen Jahrhundert täglich begleiteten, gehören zu den am dichtesten überlieferten Überresten und Zeugnissen der Geschichte. Zudem haben Münzen, etwa im Gegensatz zu den noch zahlreicheren keramischen und baulichen Hinterlassenschaften der Vergangenheit, den Vorteil, dass sie bereits als Einzelstück relativ leicht als historisches „Dokument“ zu begreifen sind und unmittelbar etwas von ihrem Münzherrn oder ihrer Zeit vermitteln.
Abguss eines Portrait-Denars Karls des Großen, der Basilius Amerbach von seinem Freund Adolf Occo III. (1524-1606) aus Augsburg zugesandt wurde.
Dies war historisch interessierten Zeitgenossen schon früh bewusst. Sie sammelten daher alte Münzen, die immer wieder in Schatz- und Einzelfunden entdeckt wurden, aber auch als metallische Barschaften lange gehortet und weitergegeben wurden. Die neue Dauerausstellung des Historischen Museums Basel hat daher nicht nur die Münzen und Medaillen, sondern auch deren Sammler in den Mittelpunkt gestellt. Denn die öffentlichen Sammlungen in Basel reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, angefangen mit dem Nachlass des Humanisten Erasmus von Rotterdam (1566/9-1536) und dem Kunst- und Raritätenkabinett des Basilius Amerbach (1533-1591), das bereits 1585/7 verzeichnet und 1661 auf Initiative des Sammlers und Rechtsprofessors Remigius Faesch (1595-1667) für die Universität erworben wurde. Eine Reihe weiterer bürgerlicher Sammlungen fand ihren Weg in die öffentlichen Sammlungen der Handelsstadt, so dass heute die hohe Qualität der Bestände des Münzkabinetts vor allem den alten Sammlungen zu verdanken ist.
So werden im Rahmen eines großen idealen Kunst- und Raritätenkabinetts auch die herausragenden Sammler und deren Intentionen exemplarisch vorgestellt. Die gesamte neue Dauerausstellung ist so konzipiert, dass unter dem Titel „Wege zur Welterkenntnis“ den Besuchern vermittelt wird, wie in der Renaissance und im Zeitalter des Barock Sammler und Forscher die Welt über die gesammelten Objekte erkundeten und – im wahrsten Sinn des Wortes – begriffen, aber auch wie sich Interessen und Methoden veränderten. Münzen und Medaillen gehörten in diesem Zusammenhang vor allem wegen ihrer hohen historischen Informationsdichte zu den wichtigsten Objektgruppen und nahmen bereits in den Sammlungen des Basilius Amerbach eine zentrale Position ein.
Ein Globus-Pokal des Zürcher Medailleurs Jakob Stampfer (1505-1579) dient als Einstieg ins Thema der neuen Dauerausstellung „Wege zur Welterkenntnis“.
Ausgehend von der idealen Kunstkammer werden daher die Münzen und Medaillen über zwei Zugänge erschlossen: die Münzen als Zeugen der Vergangenheit und Quellen für die Geschichte; die Medaillen als raffinierte Kleinkunstwerke und Spiegel der Kulturgeschichte. Vieles ist aktiv zu entdecken. Die Herstellungsprozesse werden anhand von Werkzeugen, Halbfabrikaten und einer Goldschmiede- bzw. Münzwerkstatt veranschaulicht.
Beckersche Fälschung, gefälschter Münzschatz des römischen Fälschers Tardani sowie Selbsttest über thüringische Brakteaten aus dem Amerbach-Kabinett und von Nikolaus Seeländer.
Das Problem der Fälschungen wird in einer eigenen Vitrine mit einem Test „Echt oder falsch?“ behandelt und neben einer Medienstation mit verschiedenen Angeboten bietet eine Taststation mit Galvanos von Basler Münzen die Möglichkeit, sich alte Münzen mit Bleistift und Papier abzupausen.
Alle Münzen und Medaillen werden über Touchscreens erschlossen, die von jedermann intuitiv bedient werden können. In der Medienstation können weitere Angebote abgerufen werden.
Leider kann man Originalmünzen in einer Ausstellung nicht in die Hand nehmen, um diese Kleinobjekte genauer zu betrachten. Daher übernehmen diese Vermittlungsfunktion neun große Touchscreens, die so installiert sind, dass alle Münzen und Medaillen aufrufbar sowie in Vorder- und Rückseitenansicht zu sehen sind. So werden auch Fragen wie die Geldfunktion oder der Informationsgehalt der Münzen, Geldsysteme und die Entwicklung des Münzgelds sowie der Wandel der Interessen und Moden in der Medaillenkunst mit Hilfe von Touchscreens vermittelt, die dem Besucher erlauben, selbständig und intuitiv zu jedem Thema und jeder Münze oder Medaille Informationen abzurufen. Um sowohl einen visuellen wie intellektuellen Zugang zu ermöglichen, sind alle Münzen und Medaillen in thematische Gruppen zusammengefasst und mit ansprechenden Titeln versehen, während die üblichen Legenden und Kommentare aus den Vitrinen verbannt und in den Touchscreens zugänglich sind.
Teilansicht der Vitrine über die Aussagemöglichkeiten von Münzen, veranschaulicht am Beispiel der Tetradrachme Alexanders des Großen.
In jeder Vitrine steht ein Thema im Vordergrund, dessen Aspekte in einzelnen Gruppen beleuchtet werden, hier die verschiedenen Aussagemöglichkeiten der Alexander-Münzen. Dabei ist wichtig, dass Zusammenhänge stets auch visuell zu erfassen sind. So entstehen „optische Evidenzen“, die auch im früheren Geldumlauf wichtig waren.
Eine Vitrine ist Frauen auf Münzen und Medaillen gewidmet und thematisiert die besonderen Bedingungen und Motive, wenn Frauen portraitiert werden (Ausschnitt).
Der ästhetische Aspekt ist gerade bei den Medaillen besonders wichtig, von denen das Museum über eine Sammlung ganz besonderer Qualität verfügt.
Medaille in Sesterz-Größe von Giovanni da Cavino (1500-1570) auf den Arzt und Sammler Ludovic Demoulin de Rochefort (1515-1582).
Denn bereits in das Amerbach-Kabinett war die Sammlung von Ludovic Demoulin de Rochefort (1515-1582) eingeflossen, eines ehemaligen savoyischen Hofarztes und Sammlers zeitgenössischer Medaillen.
Rochefort stand mit Medailleuren wie Giovanni da Cavino (1500-1570) in Padua, der für seine Nachschöpfungen römischer Sesterzen – die Paduaner – besonders bekannt ist, in unmittelbarem Kontakt und ließ sich von ihm eine Medaille mit seinem Portrait schaffen. Daher verfügt das Museum auch über eine Reihe von originalen Cavino-Medaillen in Sesterz-Größe auf die römischen Kaiser, die bis ins 19. Jahrhundert außerordentlich beliebt waren und nachgeahmt wurden.
Paduaner-Medaille auf den Kaiser Vespasian mit dem Bildnis Vespasians und der bezeichnenden Darstellung ROMA RESVRGES, welche die Unregelmäßigkeiten des überprägten Sesterzen erkennen lässt.
In dieser Zeit war man bereits in der Lage, die antike römische Formsprache voll zu verstehen und sie sogar noch zu übertreffen. Um noch „echter“ antik zu wirken, wurden sogar antike Sesterze mit den eigenen Stempeln überprägt. Bisweilen sind bei genauer Betrachtung die überprägten Typen erkennbar.
Paduaner-Medaille auf den Kaiser Vitellius: Das Stück auf Vitellius ist ein Guss mit gelungener Patinierung.
Gleichzeitig gab es aber auch schon von Anfang an ausgezeichnete Guss-Exemplare, bei denen die antike Patina besonders gut nachgeahmt werden konnte. Das genaue Verhältnis zwischen Prägung und frühem Guss muss aber noch eingehender untersucht werden. Besonders beliebt waren Stücke auf die ersten zwölf Caesaren, die von den Viten des Sueton bekannt waren. Diese – fast originalen – Stücke waren also der haptische Bezug für Gelehrte und Bildungsbürger, der die idealisierte römische Vergangenheit begreifbar machte.
Gruppenansicht der verschiedenen Vorbilder und Ausführungen einer Medaille von Niccolò Cavallerino auf den venezianischen Feldherrn Guido Rangoni (1485-1539).
Ganz im Sinn des Antiken-Kults der Zeit fertigte der auch in Modena tätige Medailleur Niccolò Cavallerino sesterzförmige Medaillen auf den Feldherrn Guido Rangoni (1485–1539). Diese Medaillen stilisieren nicht nur den Geehrten nach dem Vorbild römischer Kaiser, namentlich nach dem Bild des Gegenkaisers Clodius Albinus (195-197), sondern es gibt auch Exemplare, die auf antike Sesterzen überprägt wurden – um noch authentischer zu wirken.
Erläuterungen zu einer Medaille von Niccolò Cavallerino auf den venezianischen Feldherrn Guido Rangoni (1485-1539).
Die Geschichte reicht bis heute. Entsprechend werden nicht nur alte numismatische Objekte in der Ausstellung präsentiert, sondern auch Münzen und Medaillen bis in die Gegenwart. So werden bei den Medaillen nicht nur Werke der Renaissance und des Barock sowie Klassiker der Erneuerung der Medaille, wie der namhafte Basler Medailleur Hans Frei (1868-1948), als „Histoire métallique“ präsentiert, sondern auch zeitgenössische Medaillen und Kleinplastiken veranschaulichen die jüngsten künstlerischen Tendenzen, die zum Nachdenken über diese Kunstform anregen.
Vorderseiten der Erasmus-Medaille aus dem Besitz des Universalgelehrten, entworfen 1519, und einer modernen Adaption von Loekie Metz (1969).
Der Besucher ist eingeladen zu einer Entdeckungsfahrt in die „metallene Geschichte“ der Münzen und Medaillen, die über 2500 Jahre Geschichte in ihrer Vielfalt greifbar machen. Zwar ist die Betrachtung in der eigenen Hand nie ganz ersetzbar, doch können entsprechende Inszenierung und der Einsatz moderner Medien die Distanz zwischen Museumsobjekt und Besucher überbrücken helfen. Zu entdecken gibt es bei über 2.000 numismatischen Objekten genug und auf abwechslungsreiche Weise, so dass man häufiger zurückkehren und trotzdem immer noch etwas Neues finden kann.
Die Numismatischen Tage Schweiz bieten anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des traditionsreichen Circulus Numismaticus Basiliensis am 21./22. Juni 2013 nicht nur die Möglichkeit, einer interessanten Vortragsveranstaltung rund um die Basler Münzgeschichte beizuwohnen, sondern am Samstag wird auch eine Führung durch die neue Dauerausstellung des Historischen Museums angeboten werden.
Nähere Angaben zum Historischen Museum Basel finden Sie auf dessen Internetseite.
Zu den Numismatischen Tagen könne Sie sich informieren auf der Seite des Schweizerischen Numismatischen Gesellschaft.