von Ursula Kampmann
9. Februar 2017 – Gehören Sie auch zu dieser verschwindenden Minderheit, die mit der altgriechischen Sprache gequält wurde? Mir hat das zumindest die Fähigkeit beschert, in den griechischen Restaurants der Moderne unter den bewundernden Blicken der Kellner eine Speisekarte in der lokalen Sprache lesen zu können und nicht allzu verwundert zu sein über die Dinge, die danach serviert werden. Der dreisemestrige Kurs mit anschließendem Graecum hat bei mir allerdings eine leichte Abneigung gegen Xenophon hinterlassen, der nicht nur die Anabasis, sondern auch die Kyrupädie geschrieben hat. Vor allem die Kyrupädie verfolgt mich in meinen Alpträumen. Dieses Werk, das die Erziehung von Kyros II. schildert, gehörte nicht zum Lehrstoff, und so waren ihr die Prüfungstexte mit einer gewissen Regelmäßigkeit entnommen. Ich habe also ein etwas getrübtes Verhältnis zu Kyros II., dessen Grab wir in dieser Folge des numismatischen Tagebuchs besuchen.
Ein Blick in das internationale Restaurant des Pars Hotels: Man beachte die Osterinselartigen Säulen im Hintergrund und die berühmte Mehlsauce, auf die unser iranischer Führer auch im exotischen Restaurant nicht verzichten wollte. Foto: KW.
Donnerstag, 17. März 2016
Internationale Hotels im Ausland sind einfach großartig! Sie spiegeln uns, wie ausländische Kulturen vor Ort wahrgenommen werden. Unser Pars-Hotel verfügte über so eine Lokalität. Sie bot exotische Küche oder besser das, was man derzeit im Iran unter exotischer Küche versteht. Auf der Karte standen unter anderem ein mexikanisches Hähnchen (mit besonders viel Paprika) und ein japanischer Hammelkebab (mit Plaumensaft mariniert). Nicht dass ich jemals in Mexiko so ein Hähnchen oder in Japan so einen Hammelkebab gesehen hätte (isst man in Japan überhaupt Hammelkebab?), aber bei uns hieß der Toast Hawaii der 70er Jahre ja auch nur so, weil eine Ananasscheibe auf dem Gericht lag…
Das Grab des Kyros ist auch für Iraner eine beliebte Ausflugsstätte, vor allem zu Newroz. Foto: KW.
Wie auch immer, am Donnerstag fuhren wir um 7.30 los, um die lange Fahrt nach Pasargadae zu bewältigen. Was war dort alles los! Es wurde eine Ladenstraße aufgebaut, die sich all den Bedürfnissen der iranischen Touristen widmen soll, die während des Neujahrsfest das Grab des Kyros besuchen. Man mag es fast nicht glauben, aber all die Stände, Souvenirshops und Imbissbuden werden nur für die kurzen Tage um Newroz aufgebaut. Dazu war extra eine zusätzliche Toilettenanlage aufgestellt worden. Wir sahen sogar, wie eine Treppe aus einem Stahlbausatz konstruiert wurde, damit die Besucher auch den Buchladen erreichen konnten, der oben auf einem kleinen Plateau errichtet worden war. Überall zimmerten und werkelten rege Geister. Und irgendwann landete ein Hubschrauber, einfach um all den Anwesenden zu zeigen, dass die Polizei auf ihrem Posten ist. Jemand stieg aus, ging um das Grab des Kyros herum, stieg ein, und schon flog das Ding wieder weg.
Die große Empfangshalle, in der Kyros II. seine Besucher beeindruckte. Foto: KW.
Pasargadae war die erste Hauptstadt des Perserreichs, von der allerdings herzlich wenig übrig geblieben ist. Was einem vor allem dann auffällt, wenn man am Vortag Persepolis besucht hat. Kyros II. gilt als ihr Gründer. Über ihn sind wir dank verschiedenster, auch zeitgenössischer Quellen gar nicht so schlecht informiert.
Wasserleitung in Pasergadae. Foto: KW.
Er soll ein Sohn von Kambyses I. und ein Enkel von Kyros I. gewesen sein. Mit Dareios I. und dessen Nachfolgern war er sicher nicht verwandt. Ein gemeinsamer Vorfahr namens Achaimenes, Namensgeber der Achaimeniden, ist eine hübsche politische Erfindung. Wir sitzen also, wenn wir die Perser Achaimeniden nennen, immer noch der Geschichtsklitterung eines Usurpators auf. Und da wollen ein paar Journalisten nur wegen Trump von einer postfaktischen Welt sprechen? Die Herrschenden haben doch schon immer gelogen, dass sich die Balken gebogen haben. Das ist weder neu noch kreativ. Man denke doch nur an unsere eigenen Erfahrungen mit dem Kulturgüterschutzgesetz.
Über die Jugend des Kyros haben wir zahlreiche Legenden – so soll ein böser König nach Art des bethlehemitischen Kindermords versucht haben, ihn zusammen mit allen anderen neu geborenen Säuglingen umzubringen. Gesichertes Wissen ist allerdings rar. Das setzt erst ein mit dem Sturz des Astyages, Herrscher der Meder. Dort, wo die entscheidende Schlacht stattfand, soll Kyros seine neue Hauptstadt gegründet haben.
Kroisos. Stater, schwere Serie Prototyp. Aus Auktion CNG, Triton XVIII (2015), 656.
Dann machte sich Kyros an weitere Eroberungen. Die kleinasiatische Küste bildete eine natürliche Grenze, und so schickte er zu Kroisos, König von Lydien, der damals viele griechische Städte kontrollierte, seine Boten. Wir kennen alle die Geschichte von der Reaktion des Kroisos, der es dem Orakel von Delphi überließ zu entscheiden, wie er reagieren sollte. Keine gute Idee. Kurz danach, wohl 541 v. Chr., wurde seine Hauptstadt Sardes erobert. Über das weitere Schicksal des Kroisos sind sich die Quellen nicht einig; das Schicksal seiner Währung kennen Numismatiker dagegen genau.
Kroisos. Stater. Aus Auktion CNG, Triton XVIII (2015), 662.
Kyros und seine Nachfolger fuhren fort, die Gold- und Silberstatere des Kroisos zu prägen. Sie selbst brauchten keine Münzen für ihren Handel im Mutterland. Die Statere waren als Währung für den griechischen Teil ihres Imperiums gedacht, vor allem um die sehr begehrten griechischen Söldner zu bezahlen. Söldner konnte man immer brauchen, denn Krieg gab es in den nächsten Jahren genug. Viele kleinasiatische Städte ergaben sich den Persern nicht kampflos. (Und noch nie hatte ein griechischer Söldner Bedenken, gegen die Griechen einer anderen Stadt zu kämpfen.) Dazu erweiterte Kyros ständig sein Reich. So eroberte er 539 Babylon.
Kyros starb im August 530, wahrscheinlich im Kampf gegen einen Nomadenstamm an der Ostgrenze. Natürlich kann es sich, wie Herodot überliefert, um die Massageten gehandelt haben. Sein Leib jedenfalls soll nach Pasargadae zurückgebracht worden sein, um dort bestattet zu werden.
Eingang zum Kyros-Grab. Foto: KW.
Wir kennen antike Beschreibungen seines Grabmals. Arrian und Strabon haben uns ihre Eindrücke hinterlassen, und die weichen gar nicht so weit voneinander ab. So soll ein prächtiger Garten den Bau umgeben haben. In der zugänglichen Grabkammer befand sich ein Goldsarkophag und ein Tisch, auf dem kostbare Gläser standen. Eine persische Inschrift soll auf dem Grab angebracht gewesen sein: O Mensch, ich bin Kyros, der die Herrschaft der Perser begründete, Asiens König! Neide mir nicht dieses Denkmal. (Anscheinend war die Neidgesellschaft schon in persischer Zeit verbreitet.)
Auch ohne Inschrift und Goldsarkophag war der einfache Grabbau des Gründervaters des persischen Reichs schon ein ziemlich eindrückliches Erlebnis. Vielleicht gerade weil der Bau heute so einfach daherkommt. Mittlerweile scheint man anzunehmen, dass die Idee für diese besondere Form eines Grabes aus Lydien übernommen wurde. Warum nicht? Die Perser scheinen sich gerne gute Ideen angeeignet zu haben. Siehe oben unter Abb. 6.
Nicht gerade viel blieb von der einstigen Hauptstadt Pasargadae übrig. Foto: KW.
Wir gingen weiter zu den Palastanlagen von Pasargadae. Nun ja, wir taten uns etwas schwer, den paar Mauerresten und Architekturteilen die ihnen gebührende Achtung zu erweisen. Wir spazierten pflichtgemäß vom so genannten Privatpalast zum Audienzpalast und zum Tor – interessant verziert mit einer Gestalt, die eindeutig eine ägyptische Krone trägt, aber so richtig begeistert war keiner von unserer Truppe.
Eines der seltenen Restaurants im Iran, die eine ganze Gruppe abspeisen können. Foto: KW.
Und schon wieder stiegen wir in den Bus. Wir wollten bis Yazd. Knappe fünf Stunden Fahrt. Eine Pause gab es nur zum Mittagessen. Ausnahmsweise existierte nämlich auf der Strecke ein Restaurant, das groß genug für eine Gruppe war. Nicht allzu viele Restaurants bieten diesen Luxus. Und Touristengruppen scheinen auch noch nicht zum üblichen Procedere zu gehören. Jedenfalls ließ es sich ein Kellner nicht nehmen, schnell mit dem Handy ein Foto von unserer Gruppe zu schießen. Wäre spannend, zu wissen, ob das mittlerweile im iranischen Facebook zu finden ist.
Unvermeidbar, wenn man im Iran isst: Joghurt und Wasser zum Essen. Foto: KW.
Ein junger Mann mit extravaganter Frisur (viel Haarspray, ein wenig länger als angepasst und eine eingefärbte weiße Strähne) organisierte. Er sprach ein wenig Englisch und war tüchtig – binnen einer guten halben Stunde war die gesamte Mannschaft gespeist, mit einer Suppe und einem Hauptgericht und natürlich jeder Menge Reis. Überhaupt sind die Restaurants immer hervorragend vorbereitet, wenn wir ankommen. Die Suppe steht sofort auf dem Tisch (ohne Suppe geht im Iran gar nichts, nicht mal das Frühstück), es folgt meist ein Salat sowie Joghurt (ohne Joghurt geht ebenfalls gar nichts). Als Hauptgericht gibt es praktisch immer Fleisch (schlechte Zeiten für Vegetarier!). Die Frage ist nur, ob als Kebab, gegrillt oder als Eintopf. Meist ist es Hammel, aber Hähnchen stehen inzwischen ebenfalls hoch im Kurs. Nachspeise? Fehlanzeige. Wenn es eine gibt, dann handelt es sich meist um einen in giftigen Farben eingefärbten Wabbelpudding. Dabei sollen die iranischen Patisserien berühmt sein!
Ein prachtvolles Eishaus in Abarkuh mit seiner charakteristischen, nicht Facebook-tauglichen Form. Foto: KW.
Auf dem Weg nach Yazd passierten wir Abarkuh. Dort gibt es jede Menge Ruinen von einstmals prachtvollen Bürgerpalästen aus Lehm. Sie verfallen vor sich hin. Leider wird nichts unternommen, um sie zu erhalten. Doch ein Eishaus hat man mit einigem Aufwand komplett restauriert. Dieser interessante Bau diente noch bis in die 50er Jahre dazu, im Winter Eis einzulagern, das dann den ganzen Sommer über gefroren blieb und zur Kühlung der unterschiedlichsten Dinge diente. Um das Eishaus waren im Süden, Osten und Westen Mauern erbaut, die so hoch waren, dass die Sonne nie direkt auf das Eishaus scheinen konnte.
Hier bietet sich ein sinnvoller Einschnitt, um diesen Teil des Berichts nicht allzu lang werden zu lassen. In der nächsten Folge des iranischen Tagebuchs lesen Sie von den Türmen des Schweigens und dem berühmten Feuerheiligtum von Yazd. Dazu hören Sie von einem schiitischen Brauch, der stark an die Trauerrituale erinnert, die Christen auf Sizilien und Sardinien anlässlich des Karfreitags durchführen.
Alle Teile des Iranischen Tagebuchs finden Sie hier.