von Ursula Kampmann
21. April 2016 – Haben Sie sich schon einmal eine Drachme der Sasaniden genauer angesehen?
Khusro I., 531-578. Drachme. Rv. Feueraltar zwischen zwei Gestalten. Aus Auktion Gorny & Mosch 237 (2016), 1561.
Auf der Rückseite jeder Drachme ist ein Feueraltar abgebildet, der von zwei Männern flankiert wird.
Varhran V., 420-438. Drachme. Rv. Feueraltar mit Königsbüste zwischen zwei Gestalten. Aus Auktion Gorny & Mosch 237 (2016), 1542.
Manchmal sieht aus den Flammen sogar ein kleiner Kopf heraus.
Die Darstellung dieses Feueraltars soll für das persönliche Königsfeuer stehen, das bei der Thronbesteigung – wahrscheinlich (auch) in Tacht-i Suleiman rituell entzündet wurde. Mit der Entzündung des Königsfeuers begann die Herrschaft des sasanidischen Königs, sie war der Beginn jeder Königsaera, nach der datiert wurde. So ein Königsfeuer gab es übrigens schon bei den Persern und den Parthern.
Wer die beiden Gestalten neben dem Feuer sind, ist nicht ganz geklärt. Es könnte der König selbst sein mit dem, was als sein „Farnah“, sein „Glücksglanz“, bezeichnet wird. Vielleicht ist es auch der König mit seinem Vorgänger oder mit einem Priester. Wir wissen es nicht.
Persis. Dareios II., 1. Jh. v. Chr. Rv. König opfert vor brennendem Feueraltar. Aus Auktion Gorny & Mosch 207 (2012), 449.
Was wir sicher wissen ist, dass der Feueraltar nicht erst mit den Sasaniden Eingang in die Münzprägung gefunden hat. Auch auf Rückseiten von Münzen der Herrscher der Persis aus dem Geschlecht des Vadfradad IV., die erst unter seleukidischer, dann unter parthischer Oberhoheit ihr Land verwalteten, ist der König betend vor einem brennenden Feueraltar abgebildet.
All diese Rückseiten spielen auf die Verehrung des Ahura Mazada an, wie sie Zoroaster bzw. (wie wir ihn seit Nietzsche in Deutschland lieber zu nennen pflegen) Zarathustra predigte. Allzu viel ist über diesen Zarathustra nicht gesichert. Schon die Auseinandersetzung über seine Lebenszeit ist geradezu abenteuerlich. Die Meinungen schwanken um ein gutes Jahrtausend zwischen 1700 und 600 v. Chr. Natürlich tappen wir auch hinsichtlich seiner Vita im Dunkeln. Er soll Schuster gewesen sein (oder auch nicht), ehe er mit etwa 30 Jahren seine neue Religion zu predigen begann.
Mallos. Tiribazos, persischer Satrap von Lydien. Stater, 384-383. Rv. Ahura Mazda. Aus Auktion CNG, Triton XVIII (2015), 51.
Was sein Gott ihm verkündete, schrieb Zarathustra im Avesta nieder, das zur Grundlage des Zoroastrismus geworden ist. Darin schildert er Ahura Mazda als den guten Schöpfer der Welt, der seinen Gläubigen die guten Geister schickt: Tugend und Wahrhaftigkeit, Demut und gute Gesinnung, Gesundheit und Besitz.
Eine Welt beherrscht von Ahura Mazda wäre vollkommen, doch schon um 600 v. Chr. war die Welt nicht gut genug, dass ein gütiger Gott hätte dafür verantwortlich sein können. Es gibt das Böse, oder – wie Zarathustra es nennt – Angra Mainyu, der für jeden guten Geist Ahura Mazdas einen bösen Geist zu den Menschen schickt.
Und nun liegt es am Gläubigen, sich zwischen Ahura Mazda und Angra Mainyu zu entscheiden. Diese Entscheidung wirkt sich im Jenseits aus: Eine Brücke führt zu den Gefilden der Seligkeit. Für den Guten ist sie so breit wie ein Pfad. Für den Bösen ist sie so schmal wie eine Messerklinge. Sein Sturz in die Abgründe der Hölle ist unumkehrbar.
Schon die Perser verehrten Ahura Mazda und darin folgten ihnen die Parther. Im Reich der Sasaniden wurde der Kult sehr wichtig, auch wenn er nicht die einzige Staatsreligion gewesen ist, wie es ein paar religiöse Eiferer wie der Priester Kartir zu gerne durchgesetzt hätten (über den hören Sie noch viel Spannendes in der Folge Persepolis).
Wie tief verwurzelt das zoroastrische Erbe bei den Iranern ist, sehen Sie an der Tatsache, dass deren wichtigstes Familienfest Newroz oder Nouruz auf altpersische Bräuche zurückgeht. Aber auch davon später mehr. Wir hatten nämlich das Glück, dieses Familienfest mitfeiern zu dürfen.
Wie auch immer, eines der bedeutendsten sasanidischen Heiligtümer liegt auf dem Tacht-i Suleiman und der liegt am Ende der Welt … na ja, fast.
Ausflug in die Einsamkeit der Bergwelt. Die Landschaft war mindestens so spektakulär wie unser Ziel. Foto: KW.
Sonntag, 6. März 2016
Fragen Sie nicht, wann wir aufstehen mussten! Es war abartig, und beim Klingeln des Weckers konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, warum ich eigentlich in den Iran hatte fahren wollen. Nun ja, irgendwann saßen wir im Bus. Irgendwann blieben die Augen offen, ohne dass dazu eine bewusste Willensanstrengung notwendig war. Und wir waren unterwegs, allerdings nicht dort, wo es die Karte nahe gelegt hätte. Auf der gibt es nämlich zwischen Zandschan und Tacht-i Suleiman eine wunderschöne, neue Straße von 150 Kilometern Länge, auf der ein normales Personenauto in zweieinhalb Stunden am Ziel wäre. Die fuhren wir nicht. Warum? Keine Ahnung. Unser local Guide Ehsan behauptete, ein Bus dürfe dort nicht fahren. Frau Hodel war letztes Mal trotzdem dort gefahren. Und uns dämmerte schnell, dass die Tagestour nach der Kilometerzahl vom letzten Mal berechnet war, und wir heute Abend eher sehr spät als spät im Hotel ankommen würden. Wir machten nämlich einen riesigen Umweg über Bischar, der die Strecke praktisch auf das Doppelte verlängerte. Dann ließ Ehsan den Bus (mitsamt uns allen) in irgendeinem Dorf auch noch eine halbe Stunde warten, weil er am Vorabend keine Zeit / keine Lust / schlichtweg vergessen hatte, unser Picknick einzukaufen. Und als dann endlich alles auf gutem Wege war, blieb der Bus stehen.
Ungeplante Pause in der einsamen Bergwelt. Foto: KW.
Er war kaputt. Nicht so richtig kaputt, aber kaputt genug, um damit nicht unbedingt in die unberührte Einsamkeit der iranischen Bergwelt fahren zu wollen. Wir kehrten also um, zurück in das Dorf, wo wir gerade hergekommen waren.
Eine Werkstatt war schnell gefunden, denn schon bei der kleinsten Andeutung einer Stadt führt eine Allee von Werkstätten zur Stadtmitte. Darüber sind Mercedes, Porsche und Sportwagen abgebildet. Darin stehen die eher bescheidenen Peugeots aus lokaler Produktion. Wobei, meist stehen sie davor, denn die Werkstätten sind so schmal, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man ein Auto rein und wieder heraus rangiert.
Nichtsdestotrotz hatten unser Fahrer Nadir und der Werkstattleiter das technische Problem in nicht einmal einer Stunde so weit im Griff, dass wir uns auf den Tacht-i Suleiman wagten.
Die Festungsmauern rund um das Feuerheiligtum. Foto: KW.
Allmählich war es schon ziemlich spät am frühen Nachmittag. Und die lange Fahrerei hatte mich ein wenig abgestumpft. Aber als dann die eindrucksvollen Festungsmauern zum Vorschein kamen, blieb mir doch der Mund offen stehen.
Wasserkanäle. Foto: KW.
Die Stimmung war unglaublich. Die einzigen Geräusche machten der eiskalte Wind und die kleinen Bächlein, die neben dem Weg einher plätscherten. Es hatte zu schneien begonnen. Immerhin waren wir auf 2.200 Metern Höhe. Was für eine Überraschung war es, als sich das Wasser in den Kanälen als wunderbar warm herausstellte!
Ein See in der Mitte des Heiligtums. Foto: KW.
Das Rätsel löste sich, als wir das ehemalige Heiligtum betraten. In dessen Mitte lag ein See. Sein Wasser kommt direkt aus der Erde, ist aber wegen seines hohen Mineralgehalts nicht als Trinkwasser geeignet. Trotzdem ist dieser See ein Naturwunder von einzigartiger Schönheit, was wohl schon vor Jahrhunderten die Achämeniden dazu veranlasst hat, an diesem Platz ihre Götter zu verehren.
Das sasanidische Feuerheiligtum. Dort, wo heute die Ziegelplattform ist, war früher der Feueraltar. Foto: KW.
Die Sasaniden bauten hier ein Feuerheiligtum, das der König selbst in regelmäßigen Abständen besuchen musste. Es war nämlich eines der drei wichtigsten Heiligtümer des Reiches, und zwar das, das den Kriegern und dem König gewidmet war.
Die zentralen Zeremonien fanden in einem wahrscheinlich überkuppelten Bau statt, in dessen Mitte der Feueraltar stand. Wo das einst war, zeigen heute nur noch die Ziegelplatten, mit der man die eigentliche Ausgrabung schützt.
Vorratsräume, Archive und Schatzkammern; hier wurde ein Münzhort gefunden. Foto: KW.
Daneben sah man einige kleinere Räume, die als Vorratsräume, Archive und wahrscheinlich auch Schatzkammern gedient hatten. Frau Hodel hatte sich extra für die „Numismatiker in der Reisegruppe“ darüber informiert, dass man hier zwei Münzfunde entdeckt habe!
Reste vom Palast der Ilkhaniden. Foto: KW.
In der Südhälfte des Heiligtums ist nichts mehr von den sasanidischen Ursprüngen zu erkennen. Dort hat der Ilkhanidenfürst Abaqa in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts ein gigantisches Jagdschloss erbaut.
Ilkhaniden. Abaqa, 1265-1282. Dinar, Astarabad. Aus Auktion Gorny & Mosch 234 (2015), 5168.
Dieser Abaqa war der zweite mongolische Ilchan von Persien und im Westen gut bekannt, weil er versucht hatte, mit Hilfe einer Gesandtschaft an Gregor X. ein Bündnis gegen die Mameluken mit den Kreuzrittern zu schließen. Das kam allerdings nicht zustande, weil die Kreuzritter gerade einen 10jährigen Waffenstillstand mit den Mameluken abgeschlossen hatten. Trotz der rund 50.000 Mongolen und 30.000 Verbündeten scheiterte das mongolische Heer bei der Eroberung von Syrien. Und ein zweiter Versuch kam nicht zustande, weil Abaqa – was damals unter Mongolen nicht untypisch war – sich zu Tode gesoffen hatte.
Blick in einen überdachten Gang – natürlich restauriert, aber gut restauriert. Foto: KW.
Man sollte sich vor Augen halten, dass der Tacht-i Suleiman seit 2003 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist. Wer weiß, dass die Reisebüros ihre Reiserouten so zusammenstellen, dass sie mit möglichst vielen Weltkulturerbe-Stätten im Programm werben können, der wird sich wundern, dass wir mutterseelenallein waren. Nur ein paar mit einer Drohne ausgestattete junge Männer kraxelten in den Ruinen herum. Es stellte sich heraus, dass es Reporter von National Geographic waren, die einen Film über den Tacht-i Suleiman drehten. Wenn sie also in näherer Zukunft eine Dokumentation über diesen Ort sehen, bei der eine Truppe Touristen durch diesen überdachten Gang läuft, dann sind das wir.
Die Infrastruktur der Weltkulturerbe-Stätte Tacht-i Suleiman. Foto: KW.
Vielleicht noch ein paar Worte zur Infrastruktur am Tacht-i Suleiman. Also, es gab Toiletten. Es handelte sich dabei um eine unterirdische Anlage von Stehtoiletten, die in den letzten Tagen wohl eher nicht geputzt worden war. Nun ja, es waren in dieser Zeit auch nicht genug Touristen gekommen, um sie ordentlich zu verschmutzen. Aber der braunrötliche Boden, der in die Toiletten geschwemmt wurde und die Kabinen zur Hälfte bedeckte, rief bei einigen Mitreisenden ganz andere, wesentlich unappetitlichere Assoziationen hervor…
Restaurants? Fehlanzeige, und das auf mehrere Dutzend Kilometer Umkreis. Deshalb hatte Ehsan für ein Picknick einkaufen müssen. Es sollte nur das erste von vielen sein, die wir der Tatsache verdankten, dass der Tourismus im Iran noch in den Kinderschuhen steckt.
Das Zendan-e Suleiman. Foto: KW.
Es war schon spät, als wir wieder losfuhren, vorbei am Zendan-e Suleiman, dem Gefängnis des Salomon – einem Vulkan mit einem 100 Meter tiefen Krater. Es lagen noch gute fünf Stunden Fahrt vor uns. Wobei wir die Grabtürme, die wir eigentlich noch hätten besuchen sollen, nicht mehr zu sehen bekamen (worüber ich ehrlich gesagt auch nicht so traurig war, mir erschließt sich die Schönheit muslimischer Grabtürme noch nicht…). Aber, so wurde versprochen, wir würden das nachholen.
Und dann fuhren wir, und fuhren, und fuhren, es wurde dunkel, und wir fuhren noch immer, bis wir irgendwann kurz vor 21.00 in Täbriz ankamen. Und das war spannend, denn wir passierten eine Straße, in der ausschließlich Möbel verkauft wurden. Sagen wir mal so: Der iranische Möbelgeschmack ist nicht unbedingt kompatibel mit unserem Möbelgeschmack, eher im Gegenteil. Die barockisierenden Ungetüme mit ihren vergoldeten Lehnen und Kronen wirkten auf uns eher erheiternd. Die Erheiterung stieg dann noch, als wir zum zweiten und zum dritten Mal dieselben Geschäfte passierten, beim vierten und fünften Mal ging die Erheiterung drastisch zurück, wurde aber zu nichts anderem, weil wir endlich unser Hotel fanden, mitten in Täbriz, verkehrstechnisch schauderhaft gelegen und sicher das beste Haus am Platze. Was nicht unbedingt heißen soll, dass wir mit unseren Zimmern zufrieden gewesen wären…
Unser Zimmer war groß, so groß, dass eine iranische Großfamilie mit mehreren Kindern und Enkeln (vielleicht sogar noch ein paar Ziegen) locker darin Platz gefunden hätte. Dafür fehlte das Leintuch, und auch in den anderen zwei Betten waren keine Leintücher zu finden, so dass wir halt direkt unter den sauber wirkenden Decken aus rotem Fellimitat schliefen. Wobei wir die Decken eigentlich gar nicht gebraucht hätten, da die Heizung auf Vollgas lief und sich trotz eifrigstem Bemühen nicht abstellen ließ. Wir rissen zwar die Fenster auf, aber die Lautstärke des Straßenverkehrs machte jede Form von Nachtruhe unmöglich. Unser Kompromiss bestand daraus, die Fenster in Abwesenheit sperrangelweit aufzureißen und sie zu schließen, sobald wir das Zimmer wieder betraten. Es dauerte zumindest die halbe Nacht, bis die Heizung das Zimmer so weit aufgeheizt hatte, dass es unangenehm wurde…
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Badezimmer verlieren. Die sind im Iran schon etwas eigen. Frau Hodel behauptet, es läge daran, dass es kaum eine ordentliche Handwerkerausbildung in diesem Land gäbe, Tatsache aber ist, dass in jedem Hotelzimmer hohe Plastiklatschen stehen, die einzig zu dem Zweck da sind, das Badezimmer auch bei Überschwemmung trockenen Fußes zu betreten: Ob Dusche, ob Toilette, ob Waschbecken, eine der drei sanitären Anlagen leckt auf jeden Fall.
In unserem Fall gab es noch das altbekannte Problem, dass die Toilettenspülung nur gelegentlich funktionierte, wenn sonst niemand sie betätigte und genug Wasser vorhanden war. Aber im Falle eines Falles waren wir versorgt: Neben der klassisch-westlichen Toilette gab es nämlich noch eine Stehtoilette, die viele Iraner der westlichen Einrichtung sowieso vorzuziehen scheinen.
Völlig erledigt legten wir uns unter unsere Fellimitatdecken und freuten uns darauf, dass wir am nächsten Tag wenigstens mal eine Stunde länger schlafen würden dürfen…
Der vierte Teil des Iranischen Tagebuchs bringt uns ans Grab des Apostels Judas Taddäus und zum Grund, warum die armenische Kirche das ist, was das Kirchenrecht als autokephal bezeichnet. Wir machen außerdem einen Spaziergang durch den Basar von Täbriz und fahren in ein iranisches Kappadokien, wo wir einem Wirt zusehen, wie er seinen Hammel fürs Abendessen schlachtet.
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