63.000 Pfund für eine gewöhnliche 50-Pence-Münze – Rekordpreis oder Rekord-Fehlgriff?

Bild: Royal Mint.
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Vor kurzem sorgte eine in einer Onlineauktion angebotene britische Münze auf der Insel für Schlagzeilen, sowohl in den Mainstreammedien als auch in der numismatischen Presse. Die Nachricht ging um, dass eine anscheinend gewöhnliche 50-Pence-Gedenkmünze des Vereinigten Königreichs nach einem Bietergefecht eine Summe von 63.000 Pfund (69.700 Euro) erzielt habe.

In dieser ungewöhnlichen Zeit von Pandemie und Lockdown sind viele von uns Sammlern verstärkt im Netz unterwegs – so auch der Autor. In den letzten Monaten mussten endlose Stunden ausgefüllt werden, die man isoliert an die eigene Wohnung gefesselt zubringen musste. Die Onlinelisten unzähliger Auktionshäuser wurden akribisch durchforstet, auf der Suche nach diesem einen besonderen Stück, das der Sammlung noch fehlt. Oder wenigstens nach einem guten Schnäppchen! In dieser Situation der den Leuten sprichwörtlich auf den Kopf fallenden Decken kam die Sammelwut vieler voll zur Geltung. Aber dennoch kommt niemand auf die Idee, dies als Begründung dafür anzuführen, dass sich in diesem Fall der Bieter nach allem, was wir wissen, dazu entschlossen hat, sich von einer ganzen Stange seines Geldes zu trennen – bloß um eine Münze zu erwerben, die als „zirkuliert“ beschrieben wurde und im Bezug auf ihre Seltenheit als ziemlich gewöhnlich eingestuft werden kann.

Dennoch – ich finde, dem Käufer könnte vergeben werden, würde er diese ganze Lage als Erklärung dafür anführen, dass ihm, nur für diesen Bruchteil der Sekunde, in der er den „Bieten“-Knopf gedrückt hat, sämtliche Rationalität aus dem Fenster flog.

Das Ende des letzten angelsächsischen Königs

Wenn man so durch die Millionen von Stücken scrollt, die auf der bekanntesten Auktionsseite des Internets gelistet werden, findet man fast immer Münzen, die weit jenseits des angemessenen Marktwertes angeboten werden – entweder zum „Sofort-Kauf“ oder schon mit einem viel zu hohen Startgebot. Das traf auch auf unsere kuriose 50-Pence-Münze zu. Geprägt wurde sie im Jahr 2016 anlässlich des 950. Jahrestages der Schlacht von Hastings. Der charmante Entwurf wurde von John Bergdahl geschaffen und basiert auf dem berühmten Teppich von Bayeux, dem einzigen erhaltenen zeitgenössischen Zeugnis der Ereignisse. Die Rückseite der Münze bildet den grausigen Entscheidungsmoment der Schlacht ab: Wir sehen den letzten angelsächsischen König Harold auf dem Schlachtfeld. Just im abgebildeten Moment trifft ihn ein Pfeil ins Auge, kurz darauf soll er gestorben sein.

Insgesamt hatte diese Münze eine Auflage von 6,7 Millionen. Sie in Großbritannien in seinem Wechselgeld zu finden war und ist nicht besonders ungewöhnlich. Daher war schon der Startpreis von 1.500 Pfund einer dieser Fälle, die schlicht keinerlei Sinn ergeben: Die einfache Münze aus unedlem Metall, für den Umlauf geprägt und, soweit wir wissen, ohne irgendwelche Verprägungen, wurde im Juni unter dem Titel „*VERY RARE AND CIRCULATED* Collectable 2016 Battle of Hastings 1066 50p Coin“ (übersetzt in etwa: „*SEHR SELTEN UND ZIRKULIERT* Sammelbare 2016 Schlacht von Hastings 1066 50p Münze“, mit einem Startpreis von 1.500 Pfund eingestellt.

Wirklich 69.700 Euro wert? Eine der 6,7 Millionen 50-Pence auf die Schlacht von Hastings von 2016. Bild: Royal Mint.

Ratlose Sammler

Obwohl die Münze also auch noch bereits im Umlauf war, stiegen die Gebote innerhalb der ersten Woche rasch auf über 60.000 Pfund. Insgesamt gab es unverständlicherweise 41 Gebote auf die Münze, bevor sie für den erwähnten Preis zugeschlagen wurde, der dem 126.000-fachen ihres Nominalwertes entsprach. Bald danach kamen die ersten Schlagzeilen. Viele Sammler zermarterten sich das Hirn. Sie glaubten, etwas nicht mitbekommen zu haben oder schauten in ihren Kalender, um sicherzugehen, dass nicht gerade der 1. April war. Viele von ihnen stellten Anfragen beim Münzhandel ihres Vertrauens, bei Auktionsseiten und sogar bei der Royal Mint auf der Suche nach einer vernünftigen Erklärung dafür, warum diese „stinknormale“ Münze so einen Preis erzielt hatte. Die Royal Mint, ebenfalls von diesem unergründlichen Vorfall sehr überrascht, reagierte und antwortete. Über einen Sprecher wurde potentiellen Sammlern und Investoren geraten „ihre Hausaufgaben zu machen“, um sicherzustellen, dass sie einen fairen und angemessenen Preis für Stücke in Auktionen oder sonstigen Transaktionen bezahlen.

Ein Narr und sein Geld sind schnell getrennt

Trotz der Fülle an Medienaufmerksamkeit, den diese Versteigerung auf sich zog, gibt es keinen Beweis dafür, das der Kaufvorgang tatsächlich abgeschlossen und die Summe für die Münze letzten Endes bezahlt wurde. Die Auktion scheint entweder von der Seite selbst oder vom Verkäufer gelöscht worden zu sein. Eines ist sicher: Die anderen Bieter auf diese Münzen werden nach all der Aufmerksamkeit und Kritik heilfroh sein, nicht den Zuschlag bekommen zu haben!

In England wesentlich verbreiteter als in Deutschland ist die traditionelle Rechtsauffassung Caveat emptor – zu deutsch: Möge der Käufer aufpassen. Diese Geschichte kann als klassischer Fall davon gesehen werden. Der Käufer sollte die Waren vor dem Kauf genau prüfen, denn er trägt das Risiko. Danach gilt: Geschäft ist Geschäft, so schmerzhaft oder peinlich es auch war.

Jeder, der halbwegs sorgfältig danach schaut, stellt schnell fest, dass solche übertriebenen Preise und Gebote bei weitem nicht ungewöhnlich sind, obgleich dieser Fall es durch den wirklich exorbitanten Erlös in die Schlagzeilen geschafft hat. Grundsätzlich problematisch daran ist, dass solche unerklärlichen Gebote den Markt stark verzerren und natürlich auch die Reputation der ganzen Branche beschädigen. Zu Unrecht entsteht so das Bild von unehrlichen Händlern und schlechter Geldanlage.

Auch ein anderes britisches Sprichwort fällt einem dazu ein: Ein Narr und sein Geld sind schnell getrennt. Daher sollte der Rat der Royal Mint, so banal er auch klingt, gerade von neuen Sammlern voll und ganz beherzigt werden: Wenn Sie nicht wollen, dass der Preis, den Sie für ein Stück bezahlt haben, aus den ganz falschen Gründen in die Schlagzeilen gerät, ist die Botschaft klar: MACHEN SIE IHRE HAUSAUFGABEN – dann können Sie recht einfach teure und für Schlagzeilen sorgende Fehler verhindern.

 

Der Autor, Michael Alexander, ist Präsident des London Banknote and Monetary Research Centers.

 

Von grundlegender Bedeutung ist für die Preisgestaltung die Auflagehöhe einer Münze. Die finden Sie für alle Neuausgaben – auch der Royal Mint – auf der Website Cosmos of Collectibles.

Wie es zur Schlacht kam und wie das Gemetzel ablief, wird detailliert in diesem Video erklärt:

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