Im Reich der Aksumiten

Wolfgang Hahn, unter Mitarbeit von Robert Keck, Münzgeschichte der Akßumitenkönige in der Spätantike. Veröffentlichungen des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte (VIN) der Universität Wien 21. Österreichische Forschungsgesellschaft für Numismatik, Wien 2020. 312 S., Schwarzweiß-Abbildungen und 20 Farbtafeln. Hardcover, 21,5 x 30,5 cm. ISBN: 978-3-9504268-0-9. 58 Euro.
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In der Wissenschaft hat es durchaus einen Vorteil, älter zu werden. Wer nicht mehr in das Netz von Gefälligkeiten und Gegengefälligkeiten, von Drittmitteleintreibung und staatlichen Förderprogrammen eingebunden ist, der kann seine Meinung unverblümt zum Ausdruck bringen. Dies tut Wolfgang Hahn in seiner Summa Numismatica Regium Axumensium, in seiner „Münzgeschichte der Akßumitenkönige in der Spätantike“. Er positioniert sich mit seinem Opus als Numismatiker gegenüber all denen, die Münzen gelegentlich als Argumentationshilfe missbrauchen, ohne sich vertieft mit der Methodik der Münzinterpretation und der neuesten Forschung – vielleicht sogar in deutscher Sprache (igitt!) – auseinandergesetzt haben.

Schon Wolfgang Hahns Vorwort zu diesem Buch ist lesenswert, nicht nur weil es brillant geschrieben ist, sondern auch weil es viele Missstände thematisiert, die nicht nur den Erforschern der aksumitischen Numismatik zu schaffen machen. Wir werden später noch darauf zurückkommen.

Sehnsuchtsort Abessinien

Die Münzen von Aksum – von Wolfgang Hahn übrigens aus guten Gründen Akßum geschrieben, was wir in diesem Beitrag mit ebenso guten Gründen nicht nachahmen werden – gehören zu den enigmatischen und deshalb bei Sammlern hoch geschätzten Prägungen. Die Könige der Aksumiten beherrschten ein Handelsimperium, das von römischen Händlern häufig besucht wurde. Interessant wird die Religionsgeschichte der Aksumiten durch ihre Annahme des Christentums, was Wolfgang Hahn aufgrund der numismatischen Evidenz auf das Jahr 359/360 festlegen will.

1838 wurden erstmals aksumitische Münzen durch den deutschen Forschungsreisenden Eduard Rüppel publiziert. Seit damals wurden die ungewöhnlichen Prägungen immer wieder zum Forschungsobjekt der Wissenschaft. Münzhändler und -sammler werden wohl mit dem Standardwerk aus der Feder des britischen Archäologen Munro-Hay vertraut sein, der selbst vor Ort grub und forschte.

Wolfgang Hahn schreibt dessen knappen Typenkatalog neu und in ganz anderem Maßstab. Er ist ein bekennender Freund des alten Abessiniens resp. des heutigen Äthiopiens, und hat sein Material nicht nur aus der Literatur und im Land selbst zusammengetragen, sondern auch in den öffentlichen und privaten Münzsammlungen der Welt, nicht zu vergessen den vielen Auktionen, in denen Stücke der Aksumiten angeboten wurden. Seine Materialbasis ist enorm! Der Stück-Corpus umfasst 135 Seiten mit ca. 30 Exemplaren pro Seite!

Keine leichte Kost, aber unvermeidlich für alle, die etwas über Aksum wissen wollen

Wolfgang Hahn, der das Manuskript unter Mitarbeit von Robert Keck abschloss, – übrigens ein Wunsch seiner 2009 verstorbenen Frau, die sich Zeit ihres Lebens für Äthiopien einsetzte – geht keine Kompromisse ein. Es ist harte Arbeit, sein Buch zu lesen und zu verstehen. Wer sich durch den Text frisst, der wird belohnt mit einem großartigen Überblick über alles, was uns die aksumitischen Münzen im Verein mit Inschriften, Grabungsergebnissen und allen sonstigen Quellen vermitteln.

Ein gutes Beispiel dafür ist wohl der spektakulärste Aspekt der aksumitischen Geschichte, die Übernahme des Christentums durch König Ezanas: Um zu einem plausiblen Datum zu kommen, zerpflückt der Autor zunächst die traditionelle Datierung, die durch eine romanhafte Erzählung des Kirchenhistorikers Rufinus von Aquileia (+410) gegeben sein soll, um sich dann mit der ersten, uns bekannten Inschrift des Königs nach der Bekehrung auseinanderzusetzen und die Plausibilität seiner daraus gewonnenen Erkenntnisse anhand des Mengenverhältnisses zwischen nicht-christlichen und christlichen Münzstempeln zu überprüfen.

Wie viel Überlegung hinter den zwei Seiten mit ihren zehn umfangreichen Anmerkungen steht, wird nur dem klar, der versucht, die Ausführungen des Autors auch nachzuvollziehen. Und man begreift, warum die englische Forschung Wolfgang Hahn nicht gerne rezipiert. Selbst der Muttersprachler muss manchen Satz mehrfach lesen, bis er ihn in der Komplexität seiner Konstruktion durchdrungen hat.

Nein, Wolfgang Hahns Buch ist keine leichte Kost und buhlt nicht um die Aufmerksamkeit des Lesers. Es ist die Summe eines gewaltigen Wissens, die nun als Monolith in der Wissenschaftslandschaft steht und an der sich die Ernsthaftigkeit eines Erforschers der aksumitischen Geschichte, Kultur und Numismatik messen lassen wird.

Wahre Worte

Nicht dass der Autor sich dessen nicht bewusst wäre. So schreibt er in seinem Vorwort folgendes: „Der Kreis von Interessierten, so sich durch eine einschlägig-spezialisierte, noch dazu deutschsprachige Lektüre erbauen lassen wollen, dürfte kaum über eingefleischte Münzbolde hinausgehen. Seitenblicke, die auf eine Rezeption außerhalb der Numismatik abzielen würden, erscheinen ohnehin wenig versprechend. Dies mag man bedauern, zumal das neue Standardwerk der Äthiopistik, die an sich sehr verdienstvolle Encyclopaedia Aethiopica (EAE), zum unverdienten Weiterleben manch veralteter Ideen aus der Münzkunde beiträgt. Fachfremde Autoren ohne münzkundlich-methodischen Sachverstand zeigen oft wenig Bedenken, die numismatische Evidenz freihändig zu interpretieren, bzw. für sich auszubeuten, was nicht gänzlich unwidersprochen bleiben soll. Der Verf. ist sich jedoch der Aussichtslosigkeit dessen bewußt, gegen die überwuchernde anglophone Fachliteratur, insonderheit die archäologische, angehen zu wollen.“

Lob für den Münzhandel, Schelte für die Münzkabinette

Noch ein anderes Problem des Numismatikers greift Wolfgang Hahn in seinem lesenswerten Vorwort auf, das Problem der Bilder, resp. des mit ihnen verbundenen, teuren Urheberrechts. Und verbindet es mit einem Plädoyer für die traditionelle Zusammenarbeit zwischen Münzsammlern, Münzhändlern und Wissenschaft: „Hier sei ein ernstes Wort zu den ,privaten‘ Aktivitäten in der Numismatik angebracht. Es entspricht nun einmal den Tatsachen, dass ein überwiegender Teil unserer Materialkenntnis dem internationalen Münzhandel und der Sammlertätigkeit von Münzliebhabern verdankt wird, was an dieser Stelle rühmend hervorgehoben werden soll. So war für uns die Pflege guter Kontakte, also eine gewisse Kooperation stets unabdingbar. Sicherlich konnten wir nur eine beschränkte Anzahl von Privatsammlern erreichen, aber darunter befinden sich solche mit bedeutsamen Beständen.

Ein weiterer Hemmschuh sind auch die modernen Tendenzen zur Einschränkung der freien Benutzung von Abbildungen; sie kommt in einer Kodifizierung von copyright-Vorschriften durch Schreibtisch-Juristen zum Ausdruck: den für die Dokumentation von Massenobjekten geleisteten Handlangerdiensten von Photographen und Photographierenden wird quasi das Urheberrecht von Künstlern zugebilligt. Die Aufarbeitung großer Materialmengen dürfte unter diesen Umständen künftighin nicht leichter werden.“

Ein „Must Have“ für den Münzhandel

Schließen wir diese Buchvorstellung mit dem Hinweis, dass Wolfgang Hahns Buch gerade für den Münzhandel ein absolutes Muss und unersetzlich ist. Er hat nämlich all die im Handel vorgekommenen Stücke mit ihrem ersten Auftauchen festgehalten. Wer in Zukunft ein wenigstens einmal versteigertes Stück wieder verkauft, kann nun dafür eine exakte Hahn-Nummer zitieren.

Wolfgang Hahn kündigt in seinem Vorwort an, dass er in einem zweiten Band die Münzprägung des Neuäthiopischen Reichs zwischen 1889 und 1936 publizieren wird. Wir ziehen unseren imaginären Hut vor einem Wissenschaftler, der so souverän zwischen Spätantike und Neuzeit seine Themen wählt und damit zeigt, dass die Numismatik eine Wissenschaft ist, auf der die gesamte Geschichtsforschung aufbaut – oder zumindest aufbauen sollte.

 

Sie können dieses Buch direkt bestellen beim Institut für Numismatik und Geldgeschichte.