Aberglaube schützt Altertümer

Ist Pompeji von einem Fluch der Verschütteten geschützt? Nach jahrhundertelangen Grabungen ohne nennenswerte Zwischenfälle dürfen wir zumindest an der Effektivität eines solchen Fluchs zweifeln. Das Ölgemälde „Der letzte Tag von Pompeji“ des russischen Malers Karl Pawlowitsch Brjullow, 1830–1833.
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In den vergangenen Monaten berichteten verschiedene Medien von Leuten, die Altertümer zurückgaben. Löblich, können wir da nur sagen! Aber das ist nicht alles. Werfen wir einen Blick auf zwei der Fälle.

Ist man in Kampanien besonders gläubig? Abergläubig? Oder wird man mit dem Alter gesetzestreuer? Ein Mann gab Münzen anonym an den Archäologischen Park von Paestum und Velia zurück und bat um Vergebung. Foto: Heinz-Josef Lücking / CC BY-SA 3.0 de

Münzen kehren nach Paestum zurück

Der Archäologische Park von Paestum im süditalienischen Kampanien berichtete, dass ein Priester der Gegend einen Beutel mit 208 Münzen vorbeibrachte. Nach Aussage des Geistlichen habe ihm dies ein Beichtkind anvertraut, den sein Gewissen plagte.

Federico Carbone, Numismatiker der Universität Salerno untersuchte die Münzen und kam zu dem Ergebnis, dass 7 Münzen falsch seien. Von den 201 echten seien 5 aus Silber und die anderen aus Kupferlegierungen, abgesehen von einer kleinen Aluminiummedaille. Außer wenigen modernen Münzen lassen sich fast alle in zwei Gruppen teilen. Zum einen in Bronzemünzen aus Paestum, vor allem vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis in augusteische Zeit; zum anderen in folles und follis-Stückelungen aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. Daneben finden sich noch ein paar Münzen aus benachbarten Münzstätten. 45 Münzen könnten sich nach der Reinigung als aufschlussreich erweisen.

Wie kam der Mann zu diesem bunten Hort? Aus einem Museumseinbruch scheint er nicht zu stammen. Wir dürfen wohl eher vermuten, dass der reuige Sünder ein fleißiger Spaziergänger war, der hin und wieder gerne etwas tiefer bohrte und stocherte. Nichts Ungewöhnliches in Italiens Süden, wo sich viele Menschen voller Inbrunst als Archäologen verstehen …

Der Priester hatte diese Stücke ausdrücklich nur dem Direktor des Archäologischen Parks, Gabriel Zuchtriegel, persönlich übergeben sollen. Zuchtriegel appellierte an das Gewissen ähnlicher „Archäologen“: „Unser Appell an alle, die zuhause archäologisches Material verstecken sollten, lautet: Folgen Sie diesem Beispiel und geben Sie nicht nur die Objekte zurück, sondern mit ihnen auch die Geschichte, die sie von unserer Gegend erzählen.“

Der Wert der archäologischen Objekte muss allerdings nicht unbedingt in Zusammenhang stehen mit den Folgen der Tat, wie das zweite Beispiel zeigt.

Berühmt sind die Abgüsse von toten Pompejanern. Vielleicht führten sie das Leid des Jahre 79 n. Chr. manchen Touristen zu deutlich vor Augen … Foto: Sören Bleikertz, edited by Simon Eugster / CC BY-SA 3.0

Pompejanisches Mosaiksteinchen zerstört eine Familie

Die Kanadierin Nicole, so nennt sie sich jedenfalls selbst, verbrachte 2005 als junge Frau einen Urlaub in Italien. In Pompeji, nicht weit entfernt von Paestum, überkam sie der unbändige Wunsch, etwas zu besitzen, was man nicht kaufen könne. Sie nahm mehrere Mosaiksteinchen und Amphorenscherben aus dem Ausgrabungsgelände mit – und leidet bis heute darunter.

Nicht über einen Priester, aber mit der Post schickte sie diese Objekte zurück nach Pompeji und legte einen persönlichen Brief bei, aus dem CNN zitiert. So schrieb Nicole voller Verzweiflung: „Bitte, nehmen Sie diese Dinge zurück, sie bringen Unglück … sie haben so viel negative Energie, die verbunden ist mit diesem Land der Zerstörung.“ Die Kanadierin bezieht sich damit natürlich auf den Vesuvausbruch von 79 n. Chr., bei dem Pompeji zerstört und verschüttet wurde und in dem viele der Einwohner starben. „Ich bin jetzt 36 Jahre alt“, so Nicole, „und hatte zweimal Brustkrebs. Beim zweiten Mal wurden mir beide Brüste abgenommen. Meine Familie und ich hatten auch finanzielle Probleme. Wir sind anständige Leute und ich möchte diesen Fluch nicht weitergeben an meine Familie oder meine Kinder.“ Alles, was sie noch möchte, sei „die Vergebung Gottes“.

In dem Paket lagen noch weitere „Steine“ mit einem „Geständnis“ eines anderen kanadischen Ehepaares: „Wir nahmen sie, ohne an das Leid der armen Seelen zu denken und an die Qualen, die sie während des Vesuvausbruchs erlitten, und an ihren furchtbaren Tod. Es tut uns so leid, bitte verzeihen Sie uns für diese schreckliche Tat. Mögen ihre Seelen in Frieden ruhen.“

Wobei sich die Kanadier wohl vor allem Frieden für ihre eigene Existenz wünschten.

Aberglaube im Dienst des Kulturgutschutzes

Könnte Aberglaube vor Antikendiebstahl schützen? Glaubt man den Berichten, sind zahlreiche solcher Restitutionen dokumentiert. In Pompeji jedenfalls hat man den wahren Wert der retournierten Kulturgüter erkannt. Im Ausgrabungsmuseum wurden sie zusammen mit den beigelegten Briefen ausgestellt. CNN zitiert eine Pressesprecherin des Archäologischen Parks von Pompeji, dass die zurückgegebenen Objekte von eher geringem Wert seien. Die Briefe hingegen seien von anthropologischem Interesse. Das glauben wir sofort!

 

In dem CNN-Artikel sehen Sie Bilder der verfluchten Mosaiksteinchen und Amphorenreste.

Über die Münzen berichtete die Ausgrabung von Paestum u.a. auf Twitter.

Hier ist die offizielle Seite von Pompeji.