Egal, ob ich wegen einer Münzbörse nach Hongkong, New York, London oder München fuhr. Eines war sicher: Ich würde dort Muriel Eymery treffen. Sie würde mich anstrahlen und mir begeistert von den neuesten Entwicklungen bei ihrem Arbeitgeber erzählen. Muriel gehörte zu den erfreulichen Konstanten in meinem numismatischen Leben. Sie war immer da, bereit, Kontakte herzustellen und Verbindungen zu initiieren. Gäbe es einen Preis für das größte numismatische Netzwerk, Muriel hätte zu den Anwärterinnen darauf gehört. Sie kannte jeden, war auf allen sozialen Medien unterwegs und ständig dabei zu posten.
Zu gut erinnere ich mich, wie überrascht ich war, als ich sie kennenlernte. Sie strafte alle meine Vorurteile Lügen. Eine quirlige, hübsche Französin, die sich souverän durch die männlich dominierte Welt des Münzhandels bewegte, die genauso gut Englisch wie Französisch sprach und sich immer mal wieder ihre schicke Lederjacke überwarf, um sich draußen eine kleine Auszeit mit einer Zigarette in der Hand zu gönnen. Diese Rauchpausen dürften ihren Tod beschleunigt haben. Sie starb vergangene Woche nach einem schweren Lungenkrebsleiden, begleitet von ihrer Schwester Carol.
Ein numismatischer Start bei der Monnaie de Paris
An ihrer Wiege hat es niemand Muriel Eymery gesungen, dass es sie in die Numismatik verschlagen würde. Sie studierte an der Université Paris Dauphine, an der John Hopkins School of Advanced International Studies und dem Baruch College, das stolz darauf ist, dass es Studenten hat, die 110 Sprachen sprechen und ihre Wurzeln in 168 Nationen zurückverfolgen. Muriel muss dieses kosmopolitische Ambiente geliebt haben! Sie war begeistert von fremden Kulturen, bewegte sich gekonnt auf drei Kontinenten – und verfügte nach ihrem Studium ganz nebenbei über Masterabschlüsse in Finanzwirtschaft und International Public Policies. Dazu kam bald jede Menge Praxis.
Ihre ersten Karriereschritte führten sie in die Welt der multinationalen Großkonzerne. Sie arbeitete für die World Bank, die Traveler’s Group und das Versicherungsunternehmen AIG. Dann schrieb die Monnaie de Paris eine Führungsposition im Exportgeschäft aus, das nach der langen Flaute der 1980er und 1990er Jahren langsam wieder anfing zu boomen. Muriel Eymery sicherte sich diese Position dank ihrer Zweisprachigkeit. So begann sie im Jahr 2003, ihr numismatisches Netzwerk aufzubauen, während sie für die Monnaie de Paris als Verbindungsglied zum internationalen Münzhandel agierte.
PCGS
2007 wechselte Muriel zu PCGS, der amerikanischen Grading Company, die damals versuchte, das europäische und das asiatische Geschäft anzukurbeln. In ihrer Funktion als Vice President of International Business Development besuchte Muriel große und kleine Münzbörsen, sprach mit unzähligen Sammlern und Händlern, leistete Überzeugungs- und Pionierarbeit und trug wesentlich dazu bei, dass PCGS heute erfolgreiche Zweigstellen in Paris, Hongkong und Shanghai besitzt.
Spink
2016 wechselte Muriel ein letztes Mal ihren Arbeitgeber. Sie übernahm die Aufgabe als Global Head der Abteilung Coins & Medals bei Spink in London. Wieder konnte sie das tun, was sie am liebsten und besten tat: Ein Netzwerk aufbauen. Es gelang ihr, die alte Verbindung zwischen Spink und der japanischen Münzhandlung Taisei neu zu beleben, so dass gemeinsame Auktionen in Tokio durchgeführt wurden. Sie war unendlich stolz darauf, dass es ihr glückte, Spink als Sponsor der Numismatic Gallery des British Museum zu etablieren. Sie war es, die die Verbindung zu NGC herstellte, die heute ihre Londoner Büros im Gebäude von Spink haben.
Muriel entwickelte Ideen, brachte Menschen zusammen und wurde doch von vielen unterschätzt, ein weit verbreitetes Schicksal attraktiver Frauen in der Numismatik.
ANA
Denn Muriel Eymery hatte eine Vision, an der sie arbeitete. Sie liebte die bunte, internationale, familiäre und immer aufregende Welt der Numismatik, und sie wollte auch andere Menschen an ihrer Leidenschaft teilhaben lassen. Sie hat immer gesehen, dass die Numismatik eine phantastische Möglichkeit bietet, die Grenzen des eigenen Landes zu überschreiten, den Blick zu erweitern. Deshalb trug sie als Governor of the ANA in den Jahren 2019 und 2021 ihre Ideen in die Sammlervereinigung und förderte dort so das Interesse für die internationale Numismatik.
Nun verliert der Münzhandel ihre charmante Stimme. Muriel schien das Leben selbst. Ihre Spontaneität, ihre manchmal etwas verrückten Ideen, die Leichtigkeit, mit der sie ihre vielen Aufgaben jonglierte, werden mir unvergessen bleiben. Nichts, was sie tat, sah wie Arbeit aus, auch wenn es Schwerstarbeit war.
Ich erinnere mich noch gut an eines meiner Treffen mit Muriel bei Spink: Ich hatte mich nicht angemeldet, kam mehr oder weniger zufällig wegen der Recherche für einen Artikel über den Münzhandel in London vorbei, traf sie im Aufzug und sofort übernahm sie meinen Tag. Sie führte mich durch das ganze Gebäude, stellte mir jeden einzelnen Mitarbeiter vor. Und zum Schluss zeigte sie mir den Auktionssaal und brachte mich dazu, auf dem Podium des Auktionators eine Scheinauktion durchzuführen. Am Schluss haben wir uns beide gebogen vor Lachen!
So kannte ich Muriel: strahlend, lachend, voller Lebensfreude. Sie war eine unglaublich starke Frau, die – wie ihre Schwester mitteilt – ihre positive Sicht auf das Leben bis zum Schluss behalten hat.
Muriel, Dein fröhliches Lachen wird uns so fehlen!