Zurück ins Mittelalter – Die Cent-Stücke des Fürstentums Monaco

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Die Euro-Münzen sind für alle Teilnehmerstaaten ein wunderbares Mittel, das eigene Selbstverständnis nach außen zu tragen, hin zu den eigenen Bürgern, die täglich mit ihrem Kleingeld umgehen, hin zu den Besuchern, die das Wechselgeld nach einem Urlaub mit nach Hause nehmen. Heute schauen wir uns an, wie sich Monaco in seiner Münzprägung präsentiert.

 

Die nationalen Seiten der monegassischen 2- und 1-Euro-Münzen unter Rainier III. (bis 2005) und Albert II. (ab 2006) Bilder: EZB.

Monaco ist ein Fürstentum, in dem der seit 2005 herrschende Albert II. eine Machtfülle besitzt, die noch einem anderen Jahrhundert anzugehören scheint. Und doch: als der Euro unter Alberts Vater Rainier III. (1923-2005) eingeführt wurde, dominierte der Herrscher das Münzbild nicht so sehr wie zum Beispiel in den Niederlanden oder in Belgien, wo der Monarch wesentlich weniger politische Rechte besitzt. Rainier alleine war nur auf dem 2-Euro-Stück zu sehen. Das 1-Euro-Stück teilte er sich mit seinem Erbprinzen Albert, der seit dem Tod seines Vaters auf beiden Münzen allein abgebildet wird. Mit allen Bildern, die ursprünglich auf den Cent-Stücken zu sehen waren, verankerte sich das Herrscherhaus von Monaco in seiner Vergangenheit, in einer weit zurückliegenden, romantischen Zeit: im Mittelalter, als einem skrupellosen und fähigen Mann noch alles möglich war; als neue Herrschaften gegründet wurden, von denen die meisten wieder verschwanden, einige aber – wie die der Grimaldis – bis in die heutige Zeit bestehen.

 

Italien 1494. Genua konnte die meisten seiner europäischen Besitzungen behalten, auch wenn es im Überseehandel des 15. Jahrhunderts bereits an Bedeutung eingebüßt hatte. Bild: Shadowxfox; Enok Furfur / CC BY.SA 3.0

Anfänge in Genua

Ursprünglich waren die Grimaldis ein italienisches Geschlecht, genauer gesagt eines, das die Politik der Stadt Genua maßgebend mitbestimmte. Der erste Vorfahr, den wir namentlich fassen können, war ein Ottone Canella, der als Konsul in den Jahren 1133 und 1135 Genua beherrschte. Einer seiner Söhne, Grimaldo, gab dem Geschlecht seinen Namen. Aber erst einer der Ur-Ur-Enkel Grimaldos wird für uns im Zusammenhang mit Monaco interessant.

 

Rainier I. lebte von 1267 bis 1314. In diesen Jahren war Genua auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ein Vertrag mit dem byzantinischen Kaiser hatte den Genuesen das Handelsmonopol im Schwarzen Meer verschafft und die Kontrolle über die Schifffahrtswege nach Indien und China gesichert, natürlich sehr zum Ärger der Städte Venedig und Pisa, die ständig versuchten, Genua seiner Vorherrschaft auf dem Meer zu berauben. Zu Genua gehörte damals auch Korsika – und Monaco, ein strategisch günstig gelegener Hafen an den Seewegen im westlichen Mittelmeer. Im Jahre 1215 hatten die Genuesen das kleine Felsennest eingenommen und durch ein mächtiges Fort gesichert. 1250 bauten sie ein neues Kastell am Hafeneingang. Monaco war – wie viele mittelalterliche Festungen – mit den Mitteln der Zeit eigentlich uneinnehmbar, eigentlich…

 

Denn in Genua herrschten die Ghibellinen, und das war den Guelfen, zu denen die Grimaldis gehörten, ein Dorn im Auge. Auch wenn sich diese Städter hinter Parolen wie Welf (Guelfen; Gegner des Kaisers) und Waibling (Ghibellinen; Befürworter der staufischen Kaiser) versteckten, die tatsächlichen Hintergründe ihrer Streitigkeiten waren meist machtpolitische Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in einer Stadt. Immer wieder versuchten die Grimaldis in Genua, die Vertreter der gegnerischen Familien, Angehörige der Spinola und der Dora, aus ihren Ämtern zu drängen, und das gelegentlich auch mit Waffengewalt. Irgendwann um 1296 soll es zu einer 40-tägigen Straßenschlacht gekommen sein, in deren Verlauf die Guelfen besiegt und die Grimaldis aus Genua vertrieben wurden. Sie mussten sich also eine neue Heimat erobern.

 

Rainier I. (1267 bis 1314) war der erste Grimaldi, der über Monaco herrschte.

Ein trojanischer Mönch

Dies geschah, wenn wir der Gründungslegende Monacos glauben wollen, am 8. Januar des Jahres 1297. Es soll ein eiskalter Wintertag gewesen sein. Der Wind blies kräftige Wellen in den sonst so ruhigen Hafen von Monaco, und kein Schiff konnte vor Anker gehen. Mitten in der tiefsten Nacht – so wird berichtet – begehrte ein verfroren dreinschauender Franziskaner, nur mit seiner langen braunen Wollkutte bekleidet, Einlass am Tor der Festung. Die Wachen hatten Mitleid mit dem so harmlos erscheinenden Bettler Christi. Sie öffneten ihm das Tor. Drei Wachen waren es, zwei davon bereits hoffnungslos betrunken. Und so war es für Francesco Grimaldi, genannt Malizia, ein leichtes, mit dem Schwert, das er bis jetzt unter seiner weiten Kutte verborgen hatte, die drei Soldaten zu töten. Der armselige Mönch war ein verkleideter Krieger gewesen, der den besten Ratschlag befolgt hatte, den einem die mittelalterlichen Kriegshandbücher für die Eroberung einer Burg geben konnten: Es gar nicht erst mit einer Belagerung zu versuchen, sondern mit List in die Festung einzudringen. Er öffnete nun das Burgtor und ließ die draußen wartenden Verbündeten ein. Es dauerte nicht lange, bis man die tief im Schlaf liegende Stadt erobert hatte und Rainer I., der ältere Bruder des „Malizia“ die Herrschaft über Monaco übernehmen konnte

 

Die nationale Seite der alten und neuen monegassischen 1-, 2- und 5-Cent-Stücke zeigen das Wappen der Garibaldis: Bild: 2 Cent, EZB.

Auf diese „ritterliche“ Zeit spielen die Euro-Münzen von Monaco an. Auf den 1, 2 und 5-Cent-Stücken ist das Wappen des Fürstentums zu sehen. Flankiert wird das Wappen durch zwei schwertschwingende Mönche. Damit gehört Monaco mit Finnland, Irland und Litauen zu den wenigen europäischen Prägeherren, die ihr Land in der Euro-Prägung immer noch durch ihr mittelalterliches Wappen darstellen.

 

„Corporate Identity“ im Mittelalter

Wappen entstanden Ende des 12. Jahrhunderts auf Grund eines ganz besonderen Bedürfnisses der Ritter. Jeder einzelne von diesen stolzen Kämpfern lebte durch seinen Ruhm. Um Ruhm zu gewinnen, stürzten sich Männer in die Schlacht, nahmen im mörderischen Turnier Gefahren auf sich, die denen des Krieges um nichts nachstanden. Doch sie hatten Ende des 12. Jahrhunderts ein existentielles Problem. Die Rüstung hatte sich im Verlauf dieses Jahrhunderts in einer Art und Weise entwickelt, dass sie den einzelnen Ritter unkenntlich machte. Ein langes Kettenhemd verhüllte seinen Körper vom Scheitel bis zur Sohle und ein Helm bedeckte sein Gesicht. Niemand konnte den tapferen Krieger in einer Schlacht oder beim Turnier – das zumeist nicht als Zweikampf, sondern als ein allgemeines Getümmel abgehalten wurde – erkennen. Und das war aus ritterlicher Perspektive eine Schande, denn wie sollten die Damen und die Troubadoure seine Leistungen preisen, wenn sie nicht einmal erkennen konnten, dass er sie gerade vollbracht hatte? Deshalb wandelten sich die Schildbemalungen, die bisher eher dekorativen Zwecken gedient hatten, nun in regelrechte Erkennungszeichen, die den Kämpfer identifizierten.

 

Zunächst als individuelle Erkennungszeichen gebraucht, bezogen sich die „Wappen“ bald nicht mehr nur auf einzelne Personen, sondern auch das ganze jeweilige Geschlecht. Ja, sie sollten später nur mehr eine Herrschaft – Land, Stadt oder Bistum – symbolisieren, und damit übertragbar werden. In der Renaissance und im Barock setzte sich das persönliche Wappen aus all den Herrschaften zusammen, über die der jeweilige Fürst gebot.

 

Das Wappen der Grimaldi zeigt zwei das Schwert schwingende Franziskaner in ihren langen braunen Kutten. Auf einem Spruchband lesen wir die Aufschrift DEO JUVANTE – mit Gottes Hilfe, denn nur Gott – so die Überzeugung des Mittelalters – war in der Lage, einen so überraschenden Erfolg zu schenken wie den vom 8. Januar 1297. Bild: Denelson83 & Echando una mano / CC BY-SA 3.0.

Bereits recht früh wurden „redende“ Wappen eingeführt, also Wappen, die den Namen einer Herrschaft in das Bild umsetzten. So erscheint, um nur ein paar Beispiele zu nennen der Hecht (engl. luce) bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf dem Siegel eines Richard de Lucy. Und das Zürcher Geschlecht der Affensteins hatte in seinem Wappen einen roten Affen, der einen Stein bricht. Dass Monaco seine Mönche vielleicht nur wegen des Namens im Wappen trägt (monachus = Mönch), wäre eine prosaische Erklärung für die Schwert schwingenden Mönche des Wappens von Monaco. Allerdings wäre es kein Einzelfall, dass sich nachfolgende Generationen, die sich ein Bild nicht mehr erklären konnten, hübsche und unterhaltsame Geschichten darüber ausdachten.

 

 

die Siegel des Erzherzogs Leopold III. von Österreich (1369) und des Königs von Böhmen, Johann des Blinden (1310-1346).

Hoch zu Ross

Wie auch immer, die Grimaldis herrschten nach ihrem überraschenden Handstreich nur 4 Jahre in Monaco. Danach mussten sie gegen eine Entschädigung von 6.000 Pfund die kleine Hafenfestung wieder abgeben. Für Rainier I. war dies kein vernichtender Schlag. Er arbeitete damals als Condottiere, als Unternehmer in Sachen Krieg. Er heuerte auf eigene Kosten eine kleine Truppe an, stattete sie aus und vermietete sie dann meistbietend. Rainier hatte Glück bei der Auswahl seines Arbeitgebers. Während andere Condottiere bankrott gingen, weil ihr Auftraggeber nicht zahlte, arbeitete Rainier für einen der reichsten Könige Europas, für Philipp den Schönen, König von Frankreich. Der zahlte ihm regelmäßig seine Dienste, verlieh ihm gar eine jährliche Rente von 1.000 Pfund und belehnte seinen Admiral dazu mit ein paar weit auseinander gelegene Besitzungen, deren Einkünfte Rainier ein Leben im Wohlstand sicherten.

 

Das alte monegassische 50-Cent-Stück mit dem Reitersiegel der Grimaldis. Dasselbe Motiv ist auf den 10- und 20-Cent-Stücken zu sehen. Foto: EZB.

Rainier I. Grimaldi hatte also den Aufstieg seines Geschlechts in den Herrscherstand vollzogen. Und er hatte es aufgrund seiner eigenen, ritterlichen Leistungen vollbracht. Eine Tatsache, der sein Nachfahre Rainier III. von Monaco mit der ersten Euro-Prägeserie noch stolz gedachte. Die Rückseite der 10-, 20- und 50-Cent Stücke bis 2006 ist nämlich dem Stolz eines jeden ritterlichen Hauses gewidmet, dem großen Siegel, das einen nach rechts reitenden Ritter zeigt. Derartige Siegel waren im Hochmittelalter weit verbreitet. Und sie ähnelten einander so sehr, dass wir heutigen Betrachter uns mühen müssen, Unterschiede zu erkennen

Auffällig mag uns heutigen Verehrern der Persönlichkeit erscheinen, dass keiner von diesen Herrschern sein Gesicht zeigt. Es ist durch das Visier verdeckt. Aber um Individualität, wie sie sich in den Zügen ausdrückt, ging es zu dieser Zeit in der Kunst noch nicht. Der Auftraggeber wollte sich vielmehr in seiner Funktion, mit seinem Rang zu erkennen geben. Er fühlte sich als ein Glied in einer Kette von Menschen, Ahnen und Nachkommen, die alle das gleiche Wappen trugen wie er, und die ihm einst Ehre gemacht hatten, ihm Ehre machten oder ihm Ehre machen würden.

So stellte sich also der Fürst von Monaco in das Erbe seiner mittelalterlichen Vorgänger, die im Jahr 1330 auf Wunsch des französischen Königs Monaco als Lehen erhielten. Ob nun aber Genua Lehnsgeber war oder Frankreich, das sollte Jahrhunderte lang umstritten bleiben. Noch im 19. Jahrhundert rangelten Italien und Frankreich um den Besitz des inzwischen reichen Monaco.

 

Monaco heute. Gut erkennbar: Der Felsen, auf dem sich die Festung ursprünglich befand. Hier erkennt man auch den Fürstenpalast. Er steht auf den Grundmauern der genuesischen Festung, die 1215 erbaut wurde, gleich nachdem die Genuesen Monaco erobert hatten. Bild: Tobi 87 / CC BY-SA 3.0

Glamour und Klatsch

Denn auch wenn sich die Fürsten gerne auf das Mittelalter beziehen würde, den eigentlichen Wohlstand verdankt das Land den Reichen und Schönen, die das Spielkasino und die Steuerfreiheit auf den Felsen mitten im Meer gelockt haben. Fürst Rainier und seine Kinder waren stets die beste Werbung für ihr Land. Lange verging kaum eine Woche, ohne dass nicht spektakuläre Artikel in der Regenbogenpresse erschienen oder die Herrscher von Monaco auf Schadensersatz für eben diese klagten. Und selbst wenn es darum ging, die amourösen Eskapaden seiner Nachkömmlinge zu entschuldigen, griff Rainier gern aufs Mittelalter zurück. Einst – so die Sage – habe Rainier I. auf einem Kriegszug eine schöne junge Flämin geraubt und geschändet. Diese Frau aber sei eine Hexe gewesen und habe ihn und seine Nachkommen bis in alle Ewigkeit verflucht. Niemals mehr, so soll sie ihm geweissagt haben, würde ein Grimaldi wirklich glücklich in einer Ehe sein. Und das ist gut so, denn worüber sollten unsere Klatschkolumnisten sonst schreiben, wenn die Grimaldis auf einmal treu und bieder würden?

 

Das neue monegassische 50-Cent-Stück mit der Standarte Albert II. Dasselbe Motiv ist auf den 10- und 20-Cent-Stücken zu sehen. Foto: EZB.

Seit 2005 regiert Albert II. das Fürstentum. Den lang erarbeiteten Ruf als Schürzenjäger erster Güte versucht er seit seiner Krönung loszuwerden. Vielleicht lässt sich so erklären, dass das Rittersiegel von den 10- 20- und 50-Cent-Münzen verschwunden ist. Das neue Motiv: zwei verschlungene und gekrönte As, die persönliche Standarte Alberts. Nicht sehr spannend, aber würdig und angemessen. Und, um auf den Anfang des Artikels zurück zu kommen: Ein Schritt weg vom Vorfahren-Bezug und hin zu mehr zur Präsenz des Fürsten selbst im Münzbild.

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