6. November 2009
Buchtitel Hans-Ludwig Grabowski: „Das Geld des Terrors – Geld und Geldersatz in deutschen Konzentrationslagern und Gettos 1933 bis 1945“, 1. Auflage 2008.
Seit Erscheinen seines Buchs „Das Geld des Terrors – Geld und Geldersatz in deutschen Konzentrationslagern und Gettos 1933 bis 1945“ war der Autor Hans-Ludwig Grabowski auch als gerichtlich bestellter Gutachter im Zusammenhang mit Rentenansprüchen von Getto-Überlebenden tätig. Etwa 70000 ehemalige Getto-Bewohner kämpften um ihre Rentenansprüche für die von ihnen geleistete Getto-Arbeit vor Gericht. Lange hatte die Deutsche Rentenversicherung die allermeisten Klagen abgewiesen, da sie nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Renten als nicht erfüllt ansah. Hierzu zählt neben der Entgeltlichkeit der Arbeit auch die Arbeitsaufnahme nach eigenem Willensentschluß. Die Rentenversicherung ging dagegen stets von Zwangsarbeit in den jüdischen Gettos des Dritten Reichs aus und das aus Litzmannstadt und Theresienstadt bekannte Gettogeld wurde schlicht als nationalsozialistisches Propagandamittel ohne jede Geldfunktion und Kaufkraft abgetan. Zudem stellte man das Getto Theresienstadt einem Konzentrationslager gleich, was in der Vergangenheit auch einige Historiker – jedoch aus völlig anderen Gründen – taten, um so das 2002 von der Bundesregierung verabschiedete Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Getto (ZRBG) zu umgehen. Ironie der Geschichte oder besser der Geschichtsbetrachtung – so trug das gängige Geschichtsbild ganz wesentlich dazu bei, die rechtmäßigen Ansprüche von Opfern des Naziregimes abzuweisen, ja sogar deren Aussagen (etwa zur freiwilligen Arbeitsaufnahme, zu Berufsausbildungen und zur Arbeitsplatzwahl, zu den Verdienst- und Einkaufsmöglichkeiten oder zu gänzlich unbewachter Arbeit außerhalb von Gettos) komplett in Frage zu stellen. Das verstanden dann auch die Betroffenen nicht mehr, die es ja schließlich besser wissen mußten als Anwälte und Berater der Rentenversicherung.
Nachdem der Buchautor Kontakt zum bekannten Magazin „Stern“ aufgenommen hatte und hier am 21. Februar 2009 von Stefan Schmitz unter der Überschrift „Allein gegen die Rentenmänner“ die Geschichte der heute 85jährigen Cilla Itzhaki aus Tel Aviv veröffentlicht wurde, entwickelte sich das Thema zum Politikum und manche sprachen gar schon vom „Rentenstreit“ zwischen Israel und Deutschland.
Zusammen mit bedeutenden Historikern (u.a. vom Institut für Zeitgeschichte in München, vom Nord-Ost-Institut und aus Polen) – darunter auch der deutsche „Holocaust-Papst“ Prof. Dr. Wolfgang Benz – war Grabowski dann als Gutachter im April 2009 zu einer Anhörung am Sozialgericht Berlin geladen, die entscheidend zur Klärung der Rentenansprüche von Getto-Überlebenden beitragen sollte. Zu diesem Termin wurde u. a. formuliert, daß Geschichte eine sich durch neue Erkenntnisse laufend verändernde Wissenschaft ist – wie wahr! Von Zwangsarbeit in jüdischen Gettos kann man nun nicht mehr allgemein ausgehen. Die jüdischen Verwaltungen der Gettos waren bemüht Arbeiten (z.B. für deutsche Firmen, in der Landwirtschaft oder auch für die Wehrmacht) zu übernehmen, deren Einkünften ganz wesentlich zum Unterhalt der Gettos beitrugen. Hierzu waren jüdische Arbeitsvermittlungen tätig, die auch freie Stellen ausschrieben, so daß eine Arbeitsplatzwahl unter den Bedingungen der Gettos möglich war. Die Bezahlung jüdischer Arbeit erfolgte nach Reichstarif, es wurden sogar Sozialversicherungsbeiträge abgeführt! Dies wird u. a. auch durch tausende Unterlagen in polnischen Archiven bestätigt.
Insbesondere die bisher kaum erforschte Rolle von Geld und Geldersatz als Zahlungsmittel in den Gettos und damit die Entgeltlichkeit der Getto-Arbeit konnte über das Buch und die gutachterliche Tätigkeit seines Autors nachgewiesen werden. Dabei wurde schnell klar, daß es nicht nur in Litzmannstadt und Theresienstadt eigene Geldausgaben gegeben hat, sondern etwa auch im Getto Kaunas. In allen Gettos ohne eigenes Geld galten aber die regulären Zahlungsmittel (also Reichsmark, Zloty usw.).
In ihren Urteilen von Anfang Juni 2009 hatte das Bundessozialgericht schließlich die Anforderungen an die Merkmale „Beschäftigung aus eigenem Willensentschluß“ und „Entgelt“ deutlich korrigiert. Mit der neuen Rechtsauslegung wurden neue Maßstäbe für die Anerkennung von Getto-Beitragszeiten nach dem ZRBG geschaffen und der Weg frei gemacht, daß viele Überlebende, deren Anträge in der Vergangenheit abgewiesen wurden, nun eine Rente erhalten bzw. mit einer Rentenerhöhung rechnen können. Hierzu sollte den Betroffenen möglichst schnell und unbürokratisch geholfen werden.
Wie im Oktober 2009 der Richter am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Dr. Jan Robert von Renesse, Hern Grabowski informierte, sind zwischenzeitlich die allermeisten Fälle positiv entschieden. Der Richter dankte für den Beitrag, den der Autor und sein Buch leisten konnte, um Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, das ihnen zum Teil schon seit Jahrzehnten verweigert wurde.
Es kommt sicher nicht häufig vor, daß ein numismatisches Fachbuch, das ursprünglich für Sammler entstehen sollte, einen nicht unwesentlichen Beitrag für die Gerechtigkeit leisten kann. Schon bei der Arbeit am Buch war dem Autor aber klar geworden, daß es nicht nur darum gehen konnte alle bekannten Gelder aus deutschen Konzentrationslagern und Gettos zu katalogisieren, sondern eine umfassende Dokumentation eines bisher weitestgehend unerforschten Kapitels der deutschen Geschichte und der Bürokratie des Terrors zu schaffen. An dieser Stelle sei deshalb auch auf die Verantwortung der Sammler im Umgang mit numismatischen und zeitgeschichtlichen Belegen hingewiesen. So bildete die bedeutende Sammlung von Wolfgang Haney aus Berlin Anstoß und Basis für die weitergehenden Forschungen des Autors für sein Buch „Das Geld des Terrors“.