10. Januar 2013 – Die Nachwuchsstiftung der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2011 den Walter-Hävernick-Preis für Numismatik gestiftet, mit dem eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit einer Nachwuchswissenschaftlerin / eines Nachwuchswissenschaftlers gefördert werden soll. In der Ausschreibung des Preises heißt es: „Der Preis soll die Weiterentwicklung der numismatischen Forschung in Deutschland unterstützen. […] Grundlage für die Auszeichnung soll ein beispielhaftes Werk bilden, das wissenschaftliches Neuland erschließt, über die Fachgrenzen hinaus wirkt und in seiner sprachlichen Gestaltung vorbildhaft ist.“ Dieser Preis soll natürlich zum einen die Aufmerksamkeit auf die oder den Geehrte(n) lenken, und andererseits die Drucklegung der ausgezeichneten Arbeit finanziell unterstützen, was ganz im Sinn des in ihrer Satzung genannten Zwecks der Numismatischen Kommission ist. Der Preis ist nach Walter Hävernick (1905-1983) benannt worden, der wohl wie kaum ein anderer dafür prädestiniert war, dem neuen Nachwuchspreis seinen Namen zu geben: als akademischer Lehrer, als Wissenschaftler und Wissenschaftsorganisator, als Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der Numismatischen Kommission (von 1950 bis 1974).
Dietrich O. A. Klose und die Preisträgerin Angela Berthold.
Erstmals wurde der Preis für das Jahr 2012 verliehen. Die Jury hatte die Dissertation von Angela Berthold aus Berlin, „Entwurf und Ausführung in den artes minores. Gemmen- und Münzkünstler des 6. bis 4. Jahrhunderts v. Chr.“, für den Preis ausgewählt. Die Verleihung des Preises an Frau Dr. Angela Berthold fand am 5. Oktober 2012 im Rahmen des Deutschen Numismatikertages im Gobelinsaal des Bodemuseums in Berlin statt. Der Erste Vorsitzende der Numismatischen Kommission, Dr. Dietrich O. A. Klose, stellte den neuen Preis und die Preisträgerin vor, Prof. Dr. Bernhard Weisser hielt die Laudatio auf die ausgezeichnete Arbeit.
Frau Dr. Angela Berthold studierte nach dem Abitur 1997 in Würzburg von 1997 bis 2002 an den Universitäten Würzburg und Halle Klassische Archäologie, Altorientalistik und Vor- und Frühgeschichte. 2002 schloss sie in Würzburg das Studium mit dem Magister und der Magisterarbeit „Tierdarstellungen auf römischen Gemmen“ ab. Von 2003 bis 2008 arbeitete sie an ihrer Dissertation, mit der sie 2008 an der Universität Halle bei Professor Andreas Furtwängler promovierte und für die sie nun mit dem Walter-Hävernick-Preis ausgezeichnet wurde. 2009 besuchte Frau Berthold mit einem Reisestipendium der Deutschen Numismatischen Gesellschaft den Internationalen Numismatischen Kongress in Glasgow, 2009 erhielt sie ein Post-DOC-Stipendium am Berliner Excellenzcluster TOPOI.
Neben dem Preisgeld gehört zu diesem Preis auch eine Medaille, die das Porträt des Namensgebers zeigt. Diese Medaille ist leider für die erste Preisverleihung noch nicht fertig geworden und muss daher beim ersten Mal später nachgereicht werden. Sie wird von einem der hervorragenden Vertreter der deutschen Medaillenkunst gestaltet werden.
Ich möchte an dieser Stelle noch der Gesellschaft für Medaillenkunst danken, die die Finanzierung des Entwurfs der Medaille des Hävernick-Preises übernommen hat, und all denen, die durch ihre Spenden die Finanzierung des Preisgeldes ermöglichen, hier besonders zu nennen der Verband der deutschen Münzenhändler.
Dietrich A. Klose
Bernhard Weisser hielt anlässlich der Preisverleihung am 5. Oktober 2012 die Laudation. Hier ist der vollständige Text:
Die Numismatische Kommission der Länder hat Angela Berthold den Walter-Hävernick-Preis 2012 für ihre Dissertation verliehen. Die in Halle bei Andreas Furtwängler eingereichte Arbeit trägt den Titel: „Entwurf und Ausführung in den artes minores. Gemmen- und Münzkünstler des 6.-4. Jahrhunderts v. Chr.“ Beginnend mit Onesimos signierten Gemmenschneider seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. gelegentlich ihre Werke. Künstlersignaturen auf Münzen lassen sich seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts nachweisen. Die frühesten signierten Münzen stammen aus Sizilien, die meisten Namen sind in Syrakus vertreten. Die Freiheiten, die die syrakusanischen Prägeverantwortlichen ihren Künstlern bei der Umsetzung des vorgegebenen Motives ließen, hatten schon vor der Phase der signierenden Künstler zu abwechslungsreichen und innovativen Arbeiten geführt. Die Arbeiten von Künstlern wie Kimon und Euainetos entfalteten eine Wirkungskraft, die bis in das 4. Jahrhundert stilistische und ikonographische Vorstellungen prägte. Geographisch lässt sich das Phänomen der signierenden Stempelschneider von Sizilien und Unteritalien, über die Peloponnes, Kreta, Rhodos, Klazomenai, bis hin nach Aspendos an der türkischen Südküste beobachten.
In der Vergangenheit wurden immer wieder die Gemeinsamkeiten der beiden Gattungen Gemme und Münze betont. Das Motiv der bekannten Goldlitra von Syrakus aus der Hand des Euainetos mit dem löwenwürgenden Herakles und eine Karneol-Gemme mit demselben Motiv scheinen diese Zusammenhänge bestens zu bestätigen. In der Tat wurde auch die Urheberschaft des Euainetos für die Gemme vermutet (Berthold a. a. O. 34 mit Anm. 165, Textabb. 32. Herakles im Kampf mit dem nemeischen Löwen. Abdruck nach einem gebrochenen Karneol-Ringstein. Nachweis: Beazley-Archiv, Oxford. Nach GGFR Nr. 528. Foto J. Boardman. GGFR 200 f. Berthold nennt als zweite Deutung die eines offiziellen Siegels von Syrakus.). Gemeinsamkeiten sind das kleine Format, die ähnliche äußere Form und die enge Motivübereinstimmung bis in das kleinste Detail. In der Vorgehensweise stimmen die Arbeitstechniken der Künstler überein. Es gelten dieselben gestalterischen Prinzipien, vom zeichnerischen Entwurf bis hin zum spiegelverkehrten Negativreliefschnitt von Gemme und Münzstempel. Zwei Künstlernamen, Phrygillos und Olympios, sind sowohl auf Gemmen als auch auf Münzen zu finden.
Gibt es jedoch wirklich Beweise für die gemeinsame Urheberschaft eines Künstlers für Gemmen und Münzstempel? Eine umfassende Überprüfung dieser Ansicht findet jetzt erst bei Angela Berthold statt. Für ihre Untersuchungen zu Entwurf und Ausführung in beiden Gattungen nutzt sie die antiken Quellen, analysiert die Reste von Werkstätten sowie die antiken Werkzeuge und Werkzeugspuren an Originalen. Ihre Hauptbasis bietet der umfassende Katalog aller signierten Münzen und Gemmen. Sie beschäftigt sich, auch mittels der Befragung von heutigen Medaillenkünstlern und Gemmenschneidern, intensiv mit Herstellungsweisen und kommt, entgegen der Erwartung, zu dem Ergebnis, dass die Materialien, harter Stein (meist wurden Steine der Quarzgruppe mit einer Mohshärte um 7 verwendet) und dem gegenüber das weichere Metall zu grundsätzlich verschiedenen Arbeitstechniken führen. Die Gravurarbeit am Stein muss mit einem gelagerten Bohrer erfolgen, die weicheren Metalle können mit Handwerkzeugen geschnitten werden und bieten vor allem neben der Möglichkeit des Material wegnehmenden Arbeitens, die des Material verdrängenden Arbeitens z. B. mit Hilfe von Punzen für Details oder sich wiederholende Elemente oder mit Matrizen, die ganze Motive ausheben und dann von Hand fein graviert werden.
Ein zentrales Forschungsthema der Kunstgeschichte, das weit über die antike Numismatik hinausweist, ist die Frage nach individuellen Künstlern. Die Arbeiten von Adolf Furtwängler (A. Furtwängler, Die antiken Gemmen I-III (Leipzig 1900) begründeten das neuere Interesse an der Identifizierung von Künstlerhänden, und bis in die jüngsten Publikationen stehen diese Fragen im Zentrum des Interesses (P. Zazoff, Die antiken Gemmen, HdArch, München 1983; E. Zwierlein-Diehl, Die antiken Gemmen des Kunsthistorischen Museums in Wien I-III, München 1973, 1979, 1991 u. a.). Angela Berthold kommt aufgrund ihres umfassenden Kataloges der Arbeiten mit Signaturen in beiden Gattungen zu dem Ergebnis, dass weder die Doppeltätigkeit eines Künstlers im Gemmen- oder im Stempelschnitt literarisch überliefert ist, noch Namensgleichheiten (Phrygillos, Olympios) zwingend auf dieselbe Künstlerpersönlichkeit verweisen. Die beiden mit dem Namen Phrygillos versehenen Gemmen bieten zu wenige Gemeinsamkeiten mit den Münzen dieses signierenden Stempelschneiders, als dass auf denselben Künstler geschlossen werden kann. Die Nutzung eines gemeinsamen Motivrepetoires gibt Hinweise auf beliebte Themen und den Zeitstil, aber nicht auf die Hand eines bestimmten Künstlers.
Am Ende des Textteiles zu ihrer rund 400 Seiten umfassenden Arbeit weist Angela Berthold auf offene Fragen hin und erklärt: „… was die vorliegende Arbeit sein will: nicht abschließende Betrachtung, sondern Grundlage und Ausgangspunkt weiterer Erkundigungen.“
Die Methodenvielfalt, mit der Angela Berthold das Münz- und Gemmenmaterial befragt hat, ihre Ergebnisse und nicht zuletzt der unprätentiöse Vortrag zeichnen diese Arbeit aus.
Angela Berthold hat bislang 10 wissenschaftliche Publikationen vorgelegt, zwei weitere sind im Druck. Neben ihren Forschungen zu Raumdarstellungen auf griechischen Münzen im Rahmen des Berliner Exzellenzclusters Topoi seit 2009 war sie in den vergangenen Semestern selbst als Dozentin an Humboldt-Universität und der Freien Universität tätig und trägt bereits dazu bei, dass das dünne Band numismatischer Lehre in Deutschland nicht reißt. Von Frau Berthold sind auch in Zukunft substantielle Beiträge zu erwarten, durch die das Fach gerade auch in methodischer Hinsicht neue Impulse erhalten wird.
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