von Ursula Kampmann
29. August 2013 – Ägypten ist nicht Kairo, das lernen wir gerade wieder einmal aus den täglichen Nachrichten. Und genau das gleiche galt für die Antike. Ägypten auf Alexandria zu reduzieren, hieße, einen wesentlichen Teil des Landes zu vernachlässigen. Der Wohlstand Ägyptens wurde auf dem Land erwirtschaftet, genauer gesagt in den Gauen, wie man heute die Verwaltungsbezirke, die es schon in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends vor Christus gegeben hat, bezeichnet. Es handelte sich nicht nur um verwaltungstechnische Einheiten, sondern jeder Gau besaß durch besondere Kulte eine eigene Identität mit ganz speziellen Göttern. Und auf diese Götter nahmen die kaiserzeitlichen Gauprägungen Bezug.
Manfred Weber und Angelo Geissen, Die alexandrinischen Gaumünzen der römischen Kaiserzeit. Die ägyptischen Gaue und ihre Ortsgötter im Spiegel der numismatischen Quellen. XIV+406 S. 123 Abb. auf 30 Tf. 29,7 x 21 cm. Gebunden. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden (2013). ISBN 978-3-447-06846-8. 124 Euro (D), 127,50 Euro (A), 167 CHF.
Es ist beeindruckend, was Manfred Weber und Angelo Geissen einem da so ganz nebenbei präsentieren. Natürlich handelt es sich um einen vollständigen Typenkatalog. Aber was dazu an Information über die Deutung der Münzbilder geliefert wird, lässt selbst den profunden Kenner des römischen Reichs überrascht, wie tief sich die römischen Verantwortlichen in die Gegebenheiten vor Ort eingearbeitet hatten.
Gauprägungen wurden nur unter wenigen Kaisern, und dann zu ganz speziellen Gelegenheiten ausgegeben. Die Autoren schlagen mit guten Gründen vor, die Emission dieser Münzserien mit den 10jährigen Regierungsjubiläen in Verbindung zu bringen, die ein altägyptisches Fest wieder aufgriffen. Anlässlich des Sed-Festes hatte schon in pharaonischer Zeit das ganze Land, vertreten durch die Gaue, dem Herrscher gehuldigt. Antoninus Pius scheint auf diese traditionelle Zeremonie zurückgegriffen zu haben, als es darum ging, die Hochzeit des Marcus Aurelius mit Faustina zu feiern, sicherlich der Grund, warum unter diesem Kaiser Gau-Münzen ausgegeben wurden.
Was nun genau auf den Gau-Münzen dargestellt ist, das wird vom Autoren-Duo Weber und Geissen Gau für Gau abgehandelt. Zuerst gibt es eine kleine allgemeine Einführung zum Gau. Es geht um das Gauzeichen, die wichtigen Städte, Lage des Gaus und historisch-wirtschaftliche Bedeutung. Es folgt – und das ist immer der längste Teil – ein Abhandlung der lokalen Kulte. Der Typen-Katalog der Münzen, auf denen der Gau genannt ist, folgt. Unter der Überschrift Ergebnis wird die Deutung der Münzdarstellungen erklärt.
Die Münzabbildungen sind auf 30 Tafeln zusammengefasst. Wollte man tatsächlich irgendetwas Kritisches anmerken, dann die Tatsache, dass hier jemand nicht darüber nachgedacht hat, dass die meisten Benutzer das Buch über die Tafeln erschließen werden. Es ist ein wenig umständlich, von den Tafeln zur Beschreibung zu kommen. Und die Münztypen werden leider auch nicht fortlaufend nummeriert. Es ist also ziemlich umständlich, für eine konkrete Münze ein eindeutig identifizierbares Zitat zu geben.
Viele werden sich darüber bei der praktischen Benutzung ärgern, aber es wäre schade, darüber die phantastische Wissenserweiterung zu übersehen, die sich durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ergeben hat. Das Buch ist ein Augenöffner, der uns deutlich vor Augen führt, wie vielschichtig in der Antike Religion funktionierte. Wenn wir nach griechisch-römischem Vorbild einfach alle Götter der verschiedenen antiken Völker mit den Namen der olympischen bzw. kapitolinischen Götterwelt etikettieren, verlieren wir den Blick dafür, dass diese göttlichen Mächte denen, die sie verehrt haben, ganz etwas anderes bedeutet haben mögen.
Manfred Weber und Angelo Geissen haben uns den religionsgeschichtlichen Aspekt der Gau-Prägungen wieder geschenkt. Und wenn jetzt die gute Fee der Numismatik zu mir käme und mir einen Wunsch gestatten würde, dann würde ich mir einen ägyptologischen Kommentar auch zu den gewöhnlichen alexandrinischen Tetradrachmen erbitten. Ich bin mir sicher, da haben wir Althistoriker noch lange nicht alle Hintergründe verstanden.
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Wenn Sie erst einmal genau wissen wollen, was Gauprägungen sind, dann können Sie sich in diesem Artikel von Angelo Geissen darüber informieren.