von Björn Schöpe
20. Februar 2014 – In der Antike war die Region Palästina ein Schmelztiegel. Mehrere Großreiche stießen dort zusammen, und sogar die lokalen Kunstwerkstätten schienen kreativer und experimentierfreudiger zu sein als irgendwo anders rund um das Mittelmeer, wie sich leicht an den Münzen ablesen lässt.
In den letzten Jahren sammelten Jonathan und Jeannette Rosen Hunderte von Münzen, die im antiken Philistia, Samaria und Juda geprägt wurden, als diese Gegenden Palästinas Satrapien (Provinzen) des Persischen Reichs waren. Das großzügige Ehepaar stiftete dem Israel Museum in Jerusalem 1.200 Münzen. Dieser Schatz brachte das Museum zum ersten Mal auf die Shortlist des Apollo Magazine in der Kategorie „Erwerb des Jahres“. Zweifellos ist das Highlight der Sammlung eine Münze, in der wir nach Haim Gitler, Kurator des Münzkabinetts des Israel Museum, möglicherweise die allererste jüdische Münze erkennen dürfen, die in einer Münzstätte Philistias für die Provinz Juda geprägt wurde.
Die neue Drachme aus Juda vor der Reinigung.
Diese Drachme tauchte vor kurzem auf dem Markt auf. Angeblich wurde sie in den Hügeln von Hebron gefunden. Die Vorderseite zeigt ein weibliches Gesicht mit sogenannten „Hathorlocken“, einer Frisurenform, die typisch ist für die ägyptische Göttin Hathor. Auf der Rückseite ist ein Löwe abgebildet, der ein stierähnliches Tier schlägt.
Detail der Legende Yod He Dalet.
Auf der Vorderseite stehen außerdem drei Buchstaben auf Aramäisch: Yod, He, und Dalet, welche die Münze der in Juda geprägten Yehud-Serie zuweisen.
Die neue Drachme aus Juda nach der Reinigung (Photos: Vladimir Naikhin; Umzeichnung: Pnina Arad).
Haim Gitler hat dieses spannende Stück in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Israel Numismatic Research“ ausführlich besprochen und dabei dargelegt, dass die Münze anhand der stilistischen Ausführung wohl in das frühe vierte Jahrhundert v. Chr. zu datieren ist.
„Hathorlocken“ in Form von Schlangen.
Das weibliche Bildnis auf der Vorderseite ist als Gorgo zu deuten, jenes griechische Ungetüm aus dem Mythos, das als unheilabwehrendes Symbol galt. Obwohl die charakteristischen Schlangenhaare fehlen und die Zunge nicht herausgestreckt ist, wie man es bei der üblichen Darstellung erwarten sollte, kann Gitler ähnliche Darstellungen auf Münzen aus Palästina zum Vergleich heranziehen. Sie belegen, dass diese Region eine ganz eigene Bildsprache entwickelte.
Der Silber-Kupfer-Gehalt der Münze liegt sehr nah bei dem, den Münzen aus der zentralen Münzstätte Philistias aufweisen, was auch für die Gestaltung gilt. Die drei Buchstaben könnten daher darauf verweisen, dass die Münze dort für die persische Provinz Juda geprägt wurde. Falls das zutrifft, wäre dies einzigartig.
Die Münze regte viele Menschen an. Einer wollte in der Gorgo sogar ein Porträt Esthers erkennen. Sie war die jüdische Gemahlin des persischen Königs. Damit verbindet er die „iranische Münze“ mit der Entstehung des Purim-Festes. Am Ende erwähnt der eher unwissenschaftliche Aufsatz verborgene Hinweise auf die Nürnberger Prozesse in der Purim-Geschichte …
Die Münze hat solche Art Deutung nicht nötig. Sie selbst ist spannend genug, auch wenn ihre Geschichte nicht völlig geklärt ist, da die Rückseite die Experten noch immer vor Rätsel stellt.
Das Israel Museum plant, mehr Münzen dieser Sammlung auszustellen. Die Yehud-Drachme wird wohl sogar bis nach Österreich reisen, wo sie einen Auftritt im Kunsthistorischen Museum in Wien hat. Dieses zeigt nämlich in Zusammenarbeit mit dem Israel Museum eine Ausstellung zum Thema „Geld und Kult in der Welt der Bibel“.
Haim Gitler und Oren Tal haben eine umfassende Studie der Münzprägung in Philistia vorgelegt („The Coinage of Philistia of the Fifth and Fourth Centuries BC. A Study of the Earliest Coins of Palestine“, Mailand/New York 2006). Ein großer Teil der Münzen, die sie in dem Buch untersuchen, stammt aus der Sammlung, die das Ehepaar Rosen gestiftet hat. Eine Besprechung des Buches von Wolfgang Fischer-Bossert finden Sie im ANS Magazine.
Sie können die Shortlist der Apollo Awards des Apollo Magazine online einsehen, hier die Kategorie Acquisition of the Year.
Weitere Informationen des Israel Museum bietet die Webseite des Museums.
Wenn Sie übrigens einmal schmunzeln wollen, lesen Sie den Artikel über die „iranische Münze“.