von Björn Schöpe
7. Mai 2015 – Während der IS im Nahen Osten zahlreiche Kulturgüter ungestraft zerstört, hat die Türkei gezeigt, wie sie historische Objekte schützt, denen sie politische Bedeutung beimisst. Türkisches Militär verlegte kurzerhand die sterblichen Überreste des Urahns der Republik von Syrien in die Türkei, um sie vor den Islamisten zu retten.
Osman I., osmanische Miniatur (1579/80).
Osman I. gilt als Gründer des Osmanischen Reiches, also des Vorläuferstaats der Türkei. Sein Großvater Sulaiman Schah starb 1236 am Euphrat. Dort begrub man ihn auch. Jahrhunderte lang lag dieses Grab auf dem Gebiet des Osmanischen Reichs. Die Probleme begannen nach dem Ersten Weltkrieg, als das Großreich zerfiel, und Sulaiman Schahs Grab im französisch kontrollierten Syrien lag. Im Vertrag von Ankara ließ die Türkei sich 1921 zusichern, dass das Grab türkisches Eigentum sei. Türkische Soldaten standen vor Ort Wache und hissten die eigene Flagge.
Der alte Standort Qal’at Dscha’bar auf einer Insel im Euphrat, heute inmitten des 1974 entstandenen Assad-Sees. Foto: Wikicommons / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Damals lag das Grab noch auf einer Insel im Euphrat. In den 1970er Jahren drohte die gesamte Anlage durch den Bau einer Talsperre überflutet zu werden.
Der neue Standort in der Nähe der Stadt Sarrin. Foto: Céline Rayne / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
Daher verlegte die Türkei das Grab 1973 in ein Mausoleum nahe der türkischen Grenze. Seit Beginn der Kämpfe in Syrien 2011 kommt diesem Grab eine enorme politische Bedeutung zu. Zwar lautet die allgemeine Formulierung, dass nur das Grab der Türkei gehört. Die Türkei selbst vertrat allerdings stets die Ansicht, bei dem ganzen Gelände, auf dem das Grab liegt, handele es sich um eine Exklave, also türkisches Hoheitsgebiet. Sogar Passkontrollen wurden durchgeführt.
Der IS provoziert die Türkei seit Jahren mit der Drohung, das Mausoleum anzugreifen, sollte die Türkei das Gebiet nicht räumen. Der türkische Staatspräsident erwiderte markig, ein solches Vorgehen werde als Angriff auf türkisches Hoheitsgebiet verstanden – und damit auf das Verteidigungsbündnis der NATO.
Angeblich belagerten seit September 2014 über 1100 IS-Kämpfer das Mausoleum, in dem mehrere Dutzend Soldaten die Stellung hielten. In der Nacht zum 22. Februar 2015 startete die Türkei die Operation „Schah Euphrates“: Rund 100 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sowie etwa 500 Soldaten überschritten die Grenze nach Syrien und erhielten Unterstützung von Drohnen und Aufklärungsflugzeugen. Das Grab selbst und die dort stationierten Soldaten wurden evakuiert, das marmorne Mausoleum wurde kurzerhand gesprengt, damit es nicht den Terroristen als Stützpunkt dienen könnte.
So sah der Sarg 1921 aus.
Jetzt warten Sulaiman Schahs Überreste auf eine neue Unterbringung – wieder in Syrien, wie die Türkei sagte.
Einen englischen Artikel finden Sie hier.
Die Zeit berichtete ebenfalls.
Einen ausführlichen Artikel über das Grab des Sulaiman Schah bietet Wikipedia.