von Björn Schöpe
26. März 2015 – Jede Generation schreibt ihre Geschichte neu, soweit wissen wir Bescheid in Sachen Geschichtsdeutung. Dass dies auch für Nationen gilt, ist nicht wirklich neu. Was aber geschieht, wenn die Geschichtsdeutung der einen Nation als Euro-Umlaufmünze darauf angelegt ist, auch in anderen Nationen zu kursieren?
William Sadler, Schlacht von Waterloo, vor 1839.
Mit einer 2-Euro-Gedenkmünze wollte Belgien an die Schlacht von Waterloo vor 200 Jahren erinnern. Damals erlitt das Heer Napoleon Bonapartes auf dem Gebiet des heutigen Belgiens seine vernichtende Niederlage. Doch da 2-Euro-Gedenkmünzen im ganzen Eurogebiet gesetzliches Zahlungsmittel sind, muss der Rat der Europäischen Union seine Zustimmung erteilen. Andere Mitgliedsländer können gegen Entwürfe Einspruch erheben, wenn „Unmut aus der Bevölkerung zu erwarten“ ist.
Belgien rechnete offenbar nicht mit einem solchen Einspruch, denn es fing nach Medienberichten bereits im Februar an zu prägen, noch bevor Brüssel den Entwurf abgesegnet hatte. Doch in einem geharnischten Brief kritisierte der französische Staatspräsident Hollande das Thema. Die geplante Prägung Belgiens stelle „ein negatives Symbol für einen Teil der Europäer“ dar. Das Sujet sei sehr unglücklich gewählt – schließlich „bemühen sich die Regierungen der Eurozone darum, Einigkeit und Zusammenarbeit in der Währungsunion zu stärken“.
Der Rat folgte dieser Sichtweise. Jetzt sitzt Belgien auf 175.000 geprägten Münzen, die so nicht mehr ausgegeben werden können. Angeblich möchte man trotzdem am Thema festhalten, und eine Münze auf die Schlacht von Waterloo mit einem anderen Nennwert prägen. Damit wäre sie nur in Belgien gesetzliches Zahlungsmittel, und andere Staaten hätten nichts mitzureden.
Man kann die Franzosen belächeln, weil ihnen eine 200 Jahre zurückliegende Schlacht noch immer so nahegeht. Man kann witzelnd darauf hinweisen, dass dazu passt, dass es in Frankreich heute noch verboten ist, ein Schwein Napoleon zu taufen. Doch das verkennt die Bedeutung, die Europa seiner Vergangenheit beimisst. Denn pikanterweise hatte Frankreich selbst in diesem Jahr eine Schlacht numismatisch feiern wollen, natürlich eine, in der Frankreich gesiegte hatte: Marignano.
Drastische Darstellung der Schlacht bei Marignano durch den Augenzeugen Urs Graf 1521.
Vor genau 500 Jahren kämpften ein eidgenössisches und ein französisches Heer bei Marignano in der Lombardei um das Herzogtum Mailand. Die Schweizer verloren, weil die Kontingente aus Bern, Solothurn, Freiburg und dem Wallis sich mit den Franzosen einigten und kampflos abzogen. Marignano markiert also nicht nur das Ende des Schweizerischen Expansionsdrang, sondern wird heute noch als schmerzliches Symbol Schweizerischer Uneinigkeit empfunden, zumindest in der Eidgenossenschaft.
Nach einem Blogeintrag von Stephen Clarke, habe Frankreich diese 2-Euro-Gedenkmünze „hastig aufgegeben“. Man wollte sich nach dem Veto gegen Belgiens Schlachtmünze keiner Kritik aussetzen. In Frankreich kursiert eine andere Darstellung: Demnach sollte die Münze im Juni 2015 ausgegeben werden, wurde aber bereits Ende 2014 vom Europäischen Rat zurückgewiesen – also Monate vor dem Streit um die belgische Münze. Ob die Schweiz intervenierte, ist nicht bekannt.
Auf jeden Fall ist es gut, dass diesmal vor der Münzausgabe über nationale Gefühle nachgedacht wurde. Man erinnere sich nur daran, wie viel Ärger das kleine 2 Cent-Stück Sloweniens auslöste, auf dem der Fürstenstein dargestellt ist, den auch Kärnten als sein ältestes Rechtsdenkmal für sich reklamiert.
Der Telegraph erhielt den Brief des französischen Staatspräsidenten zugespielt.
Auch in Belgien berichtete man davon – aus leicht unterschiedlicher Perspektive.
In Großbritannien stellte man das Ganze dar wie eine zweite Schlacht von Waterloo.
CoinUpdate berichtete von der französischen Marignano-Münze.
Mit etwas anderen Angaben schrieb davon CGB.