16. Juli 2015 – Jeder, der sich mit Münzen beschäftigt, kennt Lübke & Wiedemann. Vielleicht nicht dem Namen nach, aber das, was sie geschaffen haben: Ein großer Teil der europäischen Auktionskataloge ist mit Fotos von Lübke & Wiedemann bebildert. Es gibt niemanden, der das „Bild“, das wir uns heute von einer Münze machen, in einer vergleichbaren Art und Weise geprägt hat, wie Lutz Lübke und Adolar Wiedemann. Nun sind sie vom Verband der Schweizerischen Berufsnumismatiker verdientermaßen mit dem Otto-Paul-Wenger-Preis ausgezeichnet worden.
Die Preisverleihung in Luzern. Von links nach rechts: Lutz Neumann, Sekretär des Verbands der Schweizerischen Berufsnumismatiker, Lutz Lübke & Adolar Wiedemann, die Preisträger, Arne Kirsch, Präsident der International Association of Professonal Numismatists und Jürg Richter, Vizepräsident des Verbands der Schweizerischen Berufsnumismatiker. Foto: (wie könnte es anders sein?) Lübke & Wiedemann (allerdings diesmal Frau Lübke).
Die Preisverleihung fand im Rahmen des jährlichen Treffens des Verbands der Schweizerischen Berufsnumismatiker statt, das am 29. Juni 2015 in Luzern abgehalten wurde. Arne Kirsch hielt die Laudatio, die wir hier im folgenden wiedergeben.
Wie Sie und Ihr vielleicht wissen und wisst – vorausgesetzt die Kundendatei ist gut gepflegt – sind unsere beiden Preisträger zuerst einmal Münzsammler. Lutz Lübke konzentriert sich neben seinen drei Frauen zu Hause (die beiden Töchter sind inzwischen natürlich ausgezogen) numismatisch auf Frauenporträts auf antiken Münzen, und Adolar Wiedemann sammelt seine Heimat Isny. Nach seinen Erzählungen müsste er inzwischen alle Schriftvarianten der Isnyer Batzen besitzen – es fehlt da lediglich noch der Taler.
Und so traf man sich Anfang der 70er Jahre im Cannstatter Münzclub in Stuttgart: Zwei Münzensammler, Fotografen, schwäbische Tüftler und Techniker. Schnell wurde über das Fotografieren diskutiert und dann die Ergebnisse an der eigenen Sammlung ausprobiert und so Erfahrungen gesammelt, wie man die Münzfotografie „automatisieren“ kann. Im Internet auf der Webseite der Firma gibt es ein beeindruckendes Bild von einem der ersten Apparaturaufbauten: Viel Metall, viel Nostalgie und viel Handarbeit.
Lutz Lübke und Adolar Wiedemann erkannten den Bedarf und neben dem Fotostudio in Botnang mit Pass-, Porträt- und Objektaufnahmen spezialisierte man sich auf die Aufnahme von Münzen und Medaillen. Wir erinnern uns, dass es von jeder Aufnahme drei Abzüge (hell / mittel / dunkel) gab. Davon wurde die beste Aufnahme genommen. Vergrößerungen gab es nur, wenn man sie vorab ausgesucht hatte. Viele hier erinnern sich besonders daran, dass damals das wichtigste Utensil beim Kataloglayout eine scharfe Nagelschere war, denn die Fotos mussten ja noch ausgeschnitten werden. Wenn man nicht aufpasste hatte man schnell einen Randfehler mehr. Und dann gibt es da noch den Geruch von „Fixogum“, der berühmte Kleber, mit dem man die ausgeschnittenen Fotos dann auf Tafeln befestigte – all das heute kaum noch vorstellbar.
Aber eines war unumstritten: die Qualität, die damals schon der Maßstab war. Es wurde nur das „abgeliefert“, was den Ansprüchen der beiden gerecht wurde. Fotografen sind ja auch immer ein wenig „Künstler“ und so waren die Arbeitsbedingungen immer wichtig und … man war kompromisslos, besonders Herr Lübke – noch vor wenigen Jahren musste ich lange nach blickdichten Gardinen suchen und dann schneidern lassen, damit die Bedingungen auch wirklich optimal waren. Da konnte ich noch so eifrig diskutieren, dass „fast dunkel“ doch eigentlich „dunkel“ ist, gegen den künstlerischen Blickwinkel war man aber doch dann schnell argumentationslos.
Als in unseren Haushalten die damals noch großen Computer einzogen, haben die beiden etwas gewagt, das bis heute für uns Münzenhändler und Münzensammler wegweisend ist. Es zeigt den hohen Mut, den Weitblick und ein Stück schwäbischen Unternehmergeist:
Mit einem Unternehmen vor Ort begann man 1993/94 mit der Entwicklung der digitalen Münzfotografie. Lutz Lübke und Adolar Wiedemann sahen die großen Möglichkeiten der Automatisierung und Prozessoptimierung. Mit schwäbischer Akribie und Fleiß sind sie die Sache angegangen. Es wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Auch Rückschläge, die damals wirklich an die Substanz gingen (und das ist sehr freundlich ausgedrückt) haben nicht zur Aufgabe geführt.
Ein neuer Entwickler und externe Unterstützung (man musste einfach Vertrauen zu diesen beiden haben) führten schließlich zum Erfolg und so wurde EBASEK I fertig gestellt. EBASEK heißt wie Sie vielleicht nicht wissen, auch wenn man es ständig benutzt hat: Elektronisches BildAufnahmeSystem zur Erstellung von Katalogen.
Hier wurde 1994/95 ein Prozessstandard geschaffen, der heute noch – ob mit Lübke und Wiedemann oder ohne – tagtäglich angewandt wird. Und die Qualität ist immer noch der Maßstab für alle anderen Systeme.
Zehn Jahre beherrschten die s/w Digitalaufnahmen in der genannten hohen Qualität die Kataloge der führenden deutschen und schweizerischen Auktionshäuser. Und nicht nur weil 1500 Aufnahmen am Tag kein Problem waren sondern weil etwas dabei war, was nicht hoch genug zu bewerten ist und ohne das unsere Branche und auch das Münzsammeln überhaupt nicht bestehen könnte:
- Ehrlichkeit
- Zuverlässigkeit
- Diskretion
- Loyalität
Es war für mich – und das bestätigen mir alle, die mit den beiden zusammengearbeitet haben – nie, wirklich nie, die Frage, alle Tresore zu öffnen und die beiden und das Team alleine arbeiten zu lassen. Alle Worte und Kommentare zu Einlieferern oder Käufern blieben in dem Haus der jeweiligen Firma, und es wurde nie über jemand anderen berichtet. Der schwarze Lübke und Wiedemann Bus kam pünktlich und Termine wurden eingehalten. Ich finde, das ist jetzt schon mal ein Applaus wert!
In der Fotografie ging es dann immer bunter zu. Wurden zwar auch schon zu schwarz / weiß Zeiten mit der berühmten Hasselblad digitale Farbaufnahmen erstellt, so dass man schöne Farbtafeln, meistens am Anfang des Kataloges, präsentieren konnte, so forderte der Handel jetzt Farbkataloge.
Alles sollte natürlich genauso schnell vom Prozessablauf her geschehen, die Qualität sollte genauso gut oder noch besser sein und werden, und auch der Preis musste stimmen, (wir können uns alle an Diskussionen zwischen der schwäbischer Rechenfertigkeit und den rabattgewöhnten Münzhändlern erinnern, die oftmals hartnäckig geführt wurden).
Aber auch hier haben die beiden nicht aufgegeben (und da meine ich natürlich nicht die Preisdiskussionen…), haben getüftelt und optimiert. Besonders die Beleuchtung für die Farbaufnahmen war ein Problem. Man ließ sogar beim Leuchtmittelhersteller Osram besondere Leuchtstoffröhren bauen.
Und dann war da die Frage: Wie kann ich die Menge an Aufnahmen bewältigen, waren die Auftraggeber doch durch die schwarz / weiß Fotografie an eine große Mengen gewöhnt. Ich erinnere mich noch gut an die Umstellung: Bildbearbeitungsprogramme wurden optimiert und wenn es noch nicht schnell genug ging, wurde das durch Fleiß ausgeglichen und schließlich natürlich Lösungen gefunden. Heuten können mit zwei Fotosystemen und zwei Personen in der Nachbearbeitung bis zu 14.000 Aufnahmen in 4-5 Tagen gemacht werden. Das schafft sonst keiner!
Und da das keiner schafft, haben sich auch private Sammler und große Kabinette und Museen dazu entschlossen, die Fähigkeiten der beiden zu nutzen.
Private Sammler lassen sich ihre Sammlung dokumentieren, was heute im Zuge des Kulturgüterschutzes und Herkunftsnachweises eine wichtige Sache sein kann, und Museen ihre Bestände digitalisieren. Als Referenz kann man hier das Geldmuseum der deutschen Bundesbank in Frankfurt nennen und die Nummer 1 in Deutschland: Das Münzkabinett im Bodemuseum in Berlin.
Unbedingt zu erwähnen ist hier, dass seit kurzem alle alten Aufnahmen der Firma Lübke und Wiedemann, ob auf Papier oder auf der Festplatte, aus über vierzig Jahren Münzfotografie nun im Bodemuseum archiviert wurden. Ein weiterer wahrer Dienst für die Sammler, die Wissenschaft und für uns Händler. Und auch in der Schweiz weiß ein Museum die Qualität zu würdigen. Das Münzkabinett in Winterthur lässt Aufnahmen durch Lübke und Wiedemann machen.
Seit Januar dieses Jahres sind nun beide Preisträger im Ruhestand – Herr Wiedemann ist schon vor einigen Jahren ausgeschieden – und Benjamin Seifert, Schwiegersohn von Anne und Lutz Lübke ist nun verantwortlich. Keine leichte Aufgabe angesichts der rasanten Entwicklung in der digitalen Welt.
Die beiden können sich nun – wenn sie nicht doch noch einmal aushelfen – endlich wieder dem Münzensammeln widmen, römische Frauenporträts gibt es immer wieder, der Isnyer Taler vielleicht auch noch einmal.
Liebe Gäste: Kein externer Dienstleister hat sich so um die Numismatik und damit um uns Händler und Sammler gekümmert wie die beiden und so war es eine Freude für mich als langjähriger Wegbegleiter oder Nutzer dieser Leistungen diese Rede halten zu dürfen.
Nun darf ich Sie beide, lieber Herr Wiedemann und lieber Herr Lübke, nach vorne bitten und den Preis und die Urkunde vom Verband der Schweizerischen Berufsnumismatiker in Empfang zu nehmen. Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank Ihnen beiden.
Auch die MünzenWoche gratuliert herzlich. Wir freuen uns, dass das Lebenswerk zweier Männer gewürdigt wurde, die Jahrzehnte lang existentiell daran beteiligt waren, dass Auktionskataloge trotz aller Widrigkeiten in letzter Minute rechtzeitig erscheinen konnten.