von Ursula Kampmann
27. August 2015 – Gianfranco Becchina ist eine Legende. Bei Feinschmeckern. Er stellt heute auf seinem exklusiven Landgut eines der berühmtesten italienischen Olivenöle her, über das Sterneköche wahre Lobeshymnen verbreiten. Weniger hymnisch wird es, wenn man sich mit Becchinas Vergangenheit vertraut macht. Er scheint verantwortlich dafür zu sein, einen großen Ring von Schmugglern kommandiert zu haben. Er betrog Tausende von Käufern, indem er ihnen vorspiegelte, die Antiken, die er über seine Basler Galerie Palladion vertrieb, würden eine legale Herkunft besitzen. Das taten sie nicht. Vieles scheint frisch aus der Erde gekommen zu sein, anderes aus italienischen Museen geraubt. Die Beweise scheinen erdrückend. Scheinen, auf diesem Begriff muss man beharren, wenn man juristisch korrekt sein will. Denn zu einem abschließenden Urteil sind die italienischen Gerichte nicht gekommen. Schließlich erlaubt es das italienische Rechtswesen seinen Verbrecherkönigen großzügig, so lange Berufung einzulegen, bis ihre Vergehen verjährt sind. Wie im Falle Becchina. Der saß lediglich ein halbes Jahr in Untersuchungshaft und lebt heute als ehrbarer Bürger auf seinem Landgut.
Während die italienische Justiz vor allem wegen ihrer beeindruckenden Nachsicht glänzt, ist die „Tutela Patrimonio Culturale“ auf der Jagd. Sie war es, die bei der Schweizerischen Polizei ein Rechtshilfeersuchen stellte, so dass sämtliche Lager der Basler Galerie Palladion untersucht wurden. Dort fand man 6.315 antike Objekte zusammen mit einem Dossier von rund 8.000 Fotographien und 13.000 Dokumenten, in denen Becchina seine Tätigkeit akribisch festgehalten hatte. Der Wunschtraum eines jeden Ermittlers. Denn nun konnten all diejenigen gejagt werden, die bei Becchina gekauft hatten und hinsichtlich der Provenienz des gekauften Objekts betrogen worden waren.
Während den von Becchina getäuschten Museen und Sammlern ein enormer Reputationsschaden entsteht, dem nur die entgehen können, die freiwillig, ohne irgendeine Kompensation die umstrittenen Kunstwerke zurückgeben, ist die Strafe, die seine Ehefrau, Ursula-Marie Becchina, seit 1996 Besitzerin der Galerie und in alle Geschäfte eingeweiht, in der Schweiz erwartet, ebenfalls relativ überschaubar. Ihr Verfahren wurde wegen Verjährung und Mangels an Beweisen im Dezember 2014 eingestellt. Sie wurde verurteilt, einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen: 40.000 Franken von insgesamt rund 200.000 Franken. Die scheint sie noch nicht beglichen zu haben, denn um diese 40.000 Franken ist eine neue Justizposse entstanden. Oder sprechen wir lieber von einem Trauerspiel.
Denn von 1.278 der beschlagnahmten Gegenstände konnte die Herkunftsnation nicht festgestellt werden. Kein Staat erhebt darauf Anspruch, weswegen sie die Justiz an Ursula-Marie Becchina zurückgeben wollte. Damit hätten sie rein theoretisch legal verkauft werden können. Was die Presse über einen Käufer geschrieben hätte, der – wahrscheinlich ohne es zu wissen, denn welcher Sammler möchte ein Objekt mit so einer Provenienz haben – so ein Stück gekauft hätte, kann man sich denken.
Aber machen Sie sich keine Sorgen. Die Becchina-Ware ist noch nicht auf dem Markt, denn in letzter Sekunde hat das Basler Betreibungsamt – das schweizerische Äquivalent zum deutschen Gerichtsvollzieher – die 1.278 Antiken sichergestellt, um damit die ausstehende Schuld von 40.000 Franken zu decken.
Wie es weitergeht? Das wird man sehen. Ein Problem gibt es allemal. Wenn es bis jetzt nicht gelungen ist, einen staatlichen Eigentümer der Objekte festzustellen, wird das wohl auch dem Bundesamt für Kultur nicht so schnell gelingen. Und Betreibungsämter verwerten normalerweise die beschlagnahmten Güter, indem sie sie versteigern. Also, eine staatlich legitimierte Auktion des Becchina-Nachlasses? Das wäre moralisch mehr als angreifbar.
Was dieser Fall wieder einmal wunderbar zeigt, ist die Tatsache, wie unwillig und vor allem unfähig die Autoritäten sind, die wahren Schuldigen zu bestrafen. Während ein Gianfranco Becchina die Erträge seiner Handlungen in Muße genießt, droht den Händlern, die in seiner Galerie eingekauft haben, in Deutschland eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren – jedenfalls wenn die neue Gesetzgebung so beschlossen wird, den Sammlern die ersatzlose Beschlagnahmung des gekauften Objekts.
Wie heißt doch das alte Sprichwort: Die Kleinen hängt man. Die Großen lässt man laufen.
Eine ausführliche Darstellung finden Sie in der BAZ, der Basler Zeitung.
Auch der gut informierte Zürcher Tagesanzeiger brachte die Story.
Gewohnt einseitig berichtet der Spiegel. Die Helden sind hier die Carabinieri, die Verbrecher die Händler im edlen Tweet-Anzug. Nein, da hat jemand überhaupt keine Vorurteile…