von Ursula Kampmann
23. Dezember 2015 – Und, lag schon wieder das falsche Buch unter dem Weihnachtsbaum? Dann gibt es nur eins, schnell zum Computer eilen, um selbst ein unterhaltsames Buch mit numismatisch angehauchtem Inhalt zu bestellen. Ursula Kampmann gibt Büchertipps (auch zum Hören).
Römische Alltagsgeschichte: Spannend wie ein Roman
Manche Verlage müsste man prügeln dafür, wie sie Titel entstellen, wenn sie glauben, ein Buch damit leichter zu verkaufen. „Impero. Viaggio nell’Impero di Roma seguendo una moneta“, so lautet der italienische Originaltitel des neuesten Buches von Alberto Angela. „Kaiser, Huren, Legionäre“ hat die Verlagsleitung im Deutschen daraus gemacht, und ein „Der faszinierende Alltag im Römischen Reich“ hinzugefügt. Beinahe hätte ich trotz der Empfehlung Alan Walkers dieses Buch nicht gekauft – nur wegen des Titels. Der hatte die englische Übersetzung gelesen, deren Titel mit „The Reach of Rome: A Journey Through the Lands of the Ancient Empire, Following a Coin“ appetitanregender ausgefallen ist.
Held der Story ist ein Sesterz, der von Hand zu Hand wandert und dabei eine römische Provinz nach der anderen erreicht. An jedem Ort ist sein Besitzer Anlass eine Facette des römischen Reichs näher zu beleuchten. Sei es der Weinbau an der Mosel, die drei römischen Arten des Küssens, die Post und das Räuberwesen. Wir sind bei einer einfachen Abendeinladung unter Freunden dabei und fahren mit einem römischen Schiff über das Meer.
Auch wenn das Buch ein Sachbuch ist, das Gott sei Dank nicht sklavisch an der Sesterz-Story klebt, liest es sich fast wie ein Roman und bereichert auch das Wissen des Kenners der römischen Alltagsgeschichte mit Details, die er sich noch nie überlegt hat.
Die deutsche Geschichte beschrieben von Neil MacGregor
Dass der ehemalige Direktor des British Museum einen Faible für Deutschland hat, wissen wir spätestens, seit er nach Berlin gewechselt hat. Aber bereits im Winter 2014/2015 inszenierte er in London eine weithin beachtete Ausstellung zur deutschen Geschichte, die gerade auch für uns Deutsche sehr interessant war. Sie bricht nämlich mit unserer Schulbuchvergangenheit und weist auf Phänomene hin, die einem Ausländer merkwürdig erscheinen müssen.
In der Nachfolge an sein erfolgreichstes Rundfunkprojekt „Die Geschichte der Welt in 100 Objekten“ hat Neil MacGregor für die BBC eine neue Hör-Serie gestaltet, die in 30 Objekte und Bauwerken Deutschland erklärt. Geld ist auch dabei. Mit Hilfe einer Münze, geprägt 1714 in Hannover, stellt er die politische Zerrissenheit des alten Reichs dar. Und natürlich darf auch der Schein Inflationsgeld nicht fehlen. Schließlich hat sich die Hyperinflation von 1923 derart tief in das deutsche Kollektivgedächtnis eingebrannt, dass die deutschen Zentralbänker sehr zum Ärger ihrer europäischen Kollegen die Geldstabilität über alles andere stellen.
Nun wurde diese Serie ins Deutsche übersetzt und als Hörbuch auf 11 CDs veröffentlicht. Zwar fehlt der deutschen Übersetzung und dem Sprecher das Inspirierende, das Neil MacGregor so berühmt gemacht hat. Aber es ist eine solide Aufarbeitung, die für alle, die sich mit dem British English nie so recht anfreunden konnten, diese wirklich wichtige Deutung der deutschen Geschichte zugänglich macht.
Etwas allerdings ist typisch deutsch und so was von lästig. Der Hessische Rundfunk fand den Text nicht packend genug und hat einen Komponisten damit beauftragt, Hörschnipsel zu komponieren. Die unterbrechen jetzt den interessanten Text und nerven. Na, damit muss man wohl leben. Wir Deutschen wollen eben immer überperfekt sein.
Wer „Germany – Memories of a Nation“ übrigens Hörschnipsel-Nerv-frei auf Englisch hören will, kann dies gratis via iTunes tun.
Noch mehr Material gibt es auf der eigens dafür eingerichteten Website.
Ein kleiner Wirtschaftsroman
Hans Magnus Enzensberger ist ein vielfach preisgekrönter deutscher Autor, der eher als Literat als als Lieferant von Bestsellern bekannt ist. 2015 hat er sich einem aktuellen, publikumsträchtigen Thema gewidmet. Was ist eigentlich Geld? Eine Frage, die man nur zu gerne beantwortet bekäme.
Die Rahmenstory ist die reiche Tante Fé, die ihren drei Nichten und Neffen, Produkte einer deutschen Durchschnittsfamilie – Papa und Mama jammern ständig, dass das Geld nicht reicht – erklärt, worum es denn eigentlich gehe, wenn man von Geld spricht, was die Banken und Zentralbanken da machen, und warum nie genug Geld auf der Welt ist.
Das Resultat ist eine Quadratur des Kreises, interessant von der Idee her, aber nicht wirklich unterhaltsam umgesetzt und zum Teil schlecht recherchiert (nein, Herr Enzensberger, es waren nicht die Phönizier, die das Geld erfunden haben). Nichtsdestotrotz ist der Versuch lobenswert, die Welt unseres modernen Geldes mit einfachen Worten in ihrer Widersprüchlichkeit sichtbar zu machen. Vielleicht hätte es nicht einen Dichter, sondern einen Journalisten gebraucht, um das anspruchsvolle Thema unterhaltsam umzusetzen.
Eine Hörprobe aus dem Roman erhalten Sie hier.
Schöne Scheine – Was wirklich unsere Welt bewegt
Terry Pratchett ist nicht jedermanns Sache. Seine Scheibenwelt ist zu skurril, um sie sofort zu lieben. Aber wer einmal Feuer gefangen hat, kann die kleinen Meisterwerke des im März 2015 verstorbenen Autors nicht mehr weglegen. Die Art, wie er moderne Phänomene durch ihre Scheibenweldisierung ab absurdum führt, ist suchterregend.
Pratchett hat sich auch mit den Merkwürdigkeiten einer Fiat-Währung beschäftigt. In seinem Buch „Schöne Scheine“ erzählt er die wahnsinnig komische Geschichte eines kleinen Gauners, der im Auftrag der Regierung das Bankenwesen von Ankh-Morpork wieder ins Lot bringt. Seine Anregungen holt sich der frisch gebackene Bankdirektor von seinem ersten Job bei der Post. Als Postminister hatte er in einem furiosen Einsatz von modernster Werbetechnik der Post eine neue Daseinsberechtigung gegeben und nebenbei einen boomenden Sammlermarkt mit seinen Produkten beliefert.
Der Leser versteht bei der Lektüre dieser Farce mehr über das Thema Geld als beim Lesen von noch so vielen wirtschaftswissenschaftlichen Studien. Dass es eben im Endeffekt um den Glauben geht und um die Show, die Menschen dazu bringt, an Dinge zu glauben.
Auch wenn Schöne Scheine bereits 2007 publiziert wurde, werde ich nicht müde, dieses witzige Buch weiter zu empfehlen.
Ich hoffe, damit haben Sie erst einmal genügend Unterhaltung für die Zeit zwischen den Jahren, in denen es keine MünzenWoche gibt, um Sie abzulenken. Aber Sie wissen ja, unser Archiv ist stets geöffnet und enthält mittlerweile fast 6.000 Beiträge…