von Ursula Kampmann
28. Juli 2016 – Im Schweizerischen Landesmuseum geht eine Aera zu Ende. Hortensia von Roten, langjährige Leiterin der weltweit größten Sammlung von Schweizer Münzen und Medaillen, geht in den verdienten Unruhestand. Am 13. Juli 2016 feierte sie ihren Abschied stilvoll im Zürcher Zunfthaus zur Meisen.
Hortensia von Roten hält eine Rede bei ihrem Abschiedsfest. Foto: UK.
Mehr als ein Vierteljahrhundert betreute Hortensia von Roten die Münzsammlung des Schweizerischen Nationalmuseums. Sie war damit verantwortlich für die weltweit größte Sammlung von Schweizerischen Prägungen. Doch Hortensia von Roten war mehr als nur die Kuratorin eines Münzkabinetts: Sie hat die nationale und die internationale numismatische Szene nachhaltig geprägt.
Hortensia von Roten beim Abschiedsfest. Foto: UK.
Geboren im Wallis als Tochter einer berühmten Feministin und eines schweizerischen Politikers, war der Lebensweg von Hortensia von Roten alles andere als durchschnittlich. Die Schule besuchte sie in Basel und im britischen Bury St. Edmunds. Nach der Matura entschied sie sich für ein Studium des Bauingenieurswesens an der ETH Zürich, um erst danach ein Studium in Geschichte, englischer Literatur und Kunstgeschichte aufzunehmen. In einer Zeit, in der das noch alles andere als normal war, ging sie während des Studiums nach Spanien, Edinburgh und London, wo sie ihr Wissen bei Sotheby’s und im Victoria & Albert Museum vertiefte. Studienbegleitend wirkte sie ferner am Nationalfondprojekt „Fundmünzen der Schweiz“ unter Leitung von Prof. Geiger mit.
Wie vielfältig die Kenntnisse und Interessen von Hortensia von Roten sind, zeigt vielleicht am Besten die Tatsache, dass ihre Lizentiatsarbeit, mit der sie 1989 ihr Studium beendete, nicht einem geldgeschichtlichen Thema gewidmet war, sondern dem Werk des karibischen Dichters V. S. Naipaul, der mehr als ein Jahrzehnt später den Literaturnobelpreis erhalten sollte.
Drei Generationen Kuratoren der Zürcher Münzsammlung (von links nach rechts): Hortensia von Roten, Christian Weiss, Hans-Ueli Geiger. Foto: UK.
Als Hans-Ueli Geiger beschloss, sich mehr der Wissenschaft zu widmen, teilte sich Hortensia von Roten mit ihm die Stelle für Numismatik am Schweizerischen Nationalmuseum. Es handelte sich um Job-Sharing, ein damals neues Konzept und bis dahin an dieser würdigen Institution unbekanntes Phänomen.
1993 erhöhte Hortensia von Roten ihr Arbeitspensum im Schweizerischen Nationalmuseum auf 100 %. Um diese Entscheidung wirklich würdigen zu können, muss man wissen, dass sie 1992 eine Tochter mit dem Namen Alienore zur Welt gebracht hatte.
Hortensia von Roten hat unzählige Ausstellungen betreut und mitbetreut, und das nicht nur in ihrem engen Fachbereich. Sie hat wichtige Publikationen herausgegeben, so zum Beispiel über den Schatzfund von Ried bei Brig, über die keltischen Münzen der Sammlung Peter Werhahn, über Renaissance- und Barockmünzen sowie über die Fundmünzen aus der Stadtkirche von Winterthur. Schließlich war Hortensia von Roten in den Jahren zwischen 1993 und 1996 die Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Fundmünzen.
Zwischen Schweizer und internationaler Numismatik: In Taormina versammeln sich am Tisch von Hortensia von Roten Schweizer Kollegen und Kolleginnen aus der islamischen Welt. Foto: UK.
Viel wichtiger aber als ihre wissenschaftliche Arbeit ist die Art und Weise, wie es Hortensia von Roten immer wieder gelingt, Menschen zur Zusammenarbeit zu motivieren. Seit 1992 ist sie die Vorsitzende der Freien Vereinigung Zürcher Numismatiker, kein Münzverein im üblichen Sinn, sondern ein informeller Gesprächskreis, der 1914 von numismatischen Größen wie Friedrich Imhoof-Blumer und Dr. Felix Burckhardt gegründet wurde. Bei den „Zürchern“ sitzen Wissenschaftler, Sammler und Händler einträchtig nebeneinander, genauso wie in der Schweizerischen Numismatischen Gesellschaft, deren Präsidentin Hortensia von Roten seit 2002 ist.
In dieser Funktion hat sie immer wieder für die Sammler eine Lanze gebrochen, und das vor allem vor und in den ersten Jahren nach dem Erlass des Schweizerischen Kulturgütertransfergesetzes. Wer bei den Sitzungen im Bundesamt für Kultur (BAK) persönlich anwesend war wie die Schreibende dieser Zeilen, kann Hortensia nur für ihren Enthusiasmus und ihre Eloquenz bewundern, mit der sie den Vertretern vom BAK die Anliegen der kleinen und großen Sammler in einer Form nahebrachte, dass sogar ein Beamter sie verstehen musste.
Auch Hortensia von Roten liest die MünzenWoche. Foto: BS.
Überhaupt, kann man die Kollegialität von Hortensia von Roten nicht überbetonen. Nicht in jeder Stadt wäre es möglich gewesen, dass ein neugegründetes MoneyMuseum, das auf innovative Vermittlungstechniken zur Geldgeschichte setzte, im ehrwürdigen Landesmuseum und in dessen Zweigstelle, dem Museum Bärengasse, eine eigene Ausstellung durchführen durfte. Hortensia von Roten war am Zustandekommen dieser Zusammenarbeit entscheidend beteiligt.
Die Arbeit im Museum ist Hortensia von Roten sehr wichtig, so wichtig, dass sie einen großen Teil ihrer Freizeit in ICOMON investiert, dem Internationalen Komitee der Geld- und Bankenmuseen. Auch hier war sie von 2004 bis 2010 Präsidentin.
Und nur der Vollständigkeit halber und um die Vielseitigkeit ihres Engagements zu schildern: Sie ist – als stolze Besitzerin eines Wohnturms im Wallis – auch Vorstandsmitglied von Domus Antiqua Helvetica, der Vereinigung der Eigentümer Historischer Wohnbauten in der Schweiz.
Dass Hortensia von Roten 2008 den Otto Paul Wenger Preis, die höchste Auszeichnung, die die Schweizerische Numismatik zu vergeben hat, erhielt, war überfällig. Welche Achtung sie im Kreise ihrer Kollegen genießt, konnte man während ihres Abschieds erleben.
Der Vorteil unseres Fachs ist die Tatsache, dass kein Numismatiker mit dem Ruhestand aufhört, Numismatiker zu sein. Und deshalb freue ich mich auf viele weitere spannende Gespräche mit Hortensia von Roten – irgendwo in der numismatischen Welt.
Ihr Nachfolger als Kurator der Münzsammlung im Schweizerischen Landesmuseum wird Dr. des. Christian Weiss.