24. November 2016 – Am 26. Oktober 2016 jährte sich zum 140. Mal der Todestag des aus Graz stammenden Sammlers, Gelehrten und Vermittlers zwischen den Kulturen Anton Prokesch von Osten (1795-1876).
Anton Prokesch von Osten im Jahr 1830, in: Anton Prokesch von Osten, Aus den Tagebüchern des Grafen Prokesch von Osten. 1830-1834, Wien 1909.
Das Institut für Archäologie der Karl-Franzens-Universität Graz und die Abteilung Archäologie & Münzkabinett des Universalmuseums Joanneum nahmen dieses Gedenkdatum gemeinsam mit der Österreichischen Urania für Steiermark zum Anlass, um sich vom 20. bis 22. Oktober 2016 in einem Symposium einer Persönlichkeit zu nähern, die in der Geschichte der wechselvollen Beziehungen zwischen Europa und dem Nahen Osten im 19. Jahrhundert einen wichtigen Platz einnimmt. Prokesch von Osten war nicht nur Diplomat und Vermittler zwischen den Kulturen, dessen Mission es war, Vorurteile gegenüber den Ländern des östlichen Mittelmeerraums und dem Orient in Europa abzubauen. Vielseitig begabt und interessiert wirkte er auch als Autor, war als Sammler tätig und widmete sich leidenschaftlich der Altertumskunde, Ägyptologie, Archäologie und Numismatik.
Die Vortragenden im Veranstaltungsort, dem Kunsthaus Graz, Foto: UMJ.
Zweieinhalb Tage lang beleuchteten Referentinnen und Referenten aus Deutschland, der Schweiz, Griechenland und Österreich in 16 Vorträgen im Space04 des Kunsthauses Graz unter den Begriffspaaren „Wissenschaft und Kennertum“, „Orient und Okzident“, „Nähe und Ferne“ verschiedene Aspekte und Tätigkeitsfelder Prokeschs von Osten.
Anton Prokesch von Osten als Feldmarschall-Leutnant, Lithographie von Adolf Dauthage, 1853.
Prokesch von Osten hatte keine akademische Ausbildung, leistete aber wichtige Beiträge zur frühen Ägyptologie und Epigraphik, vor allem aber zur Numismatik, die seine Lieblingsdisziplin war. In seiner biographischen Studie über den österreichischen Diplomaten „Anton Prokesch von Osten (1795-1876). Ein Diplomat Österreichs in Athen und an der Hohen Pforte“, erschienen 2005 im R. Oldenbourg Verlag München, beschreibt Daniel Bertsch Prokeschs von Osten Verhältnis dazu:
Porträtmedaille auf Anton Prokesch von Osten, Medailleur: Konrad Lange; von Prokesch von Osten 1857 dem Joanneum geschenkt, Foto: UMJ.
„Die Numismatik erhielt in Prokeschs Leben besonders in Zeiten außergewöhnlicher Belastung einen besonderen Stellenwert; dann vertiefte er sich in Münzstudien und zog sich in eine Welt zurück, die ihm von den politischen Geschäften Entspannung bot. In den Tagebüchern notierte er nach stundenlanger Beschäftigung mit seiner Sammlung oder dem Studium der numismatischen Fachliteratur meist lapidar: ‚An Münzen mich erholt‘.“
Chios, Tetradrachme, ca. 400 bis ca. 350 v. Chr., Inv.-Nr. 52.156, von Anton Prokesch von Osten dem Joanneum im Jahr 1839 übergeben, Foto: UMJ, N. Lackner.
Drei Vorträge des Symposiums widmeten sich Prokesch von Osten als Numismatiker: Karsten Dahmen, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Berliner Münzkabinetts, sprach über die Münzsammlung des Grafen Prokesch von Osten in Berlin. Unter den 11.000 Münzen, die 1875 von Prokesch von Osten für das Berliner Münzkabinett angekauft wurden, befinden sich bedeutende Serien zu Athen und Alexander dem Großen.
Anton Prokesch von Osten im Alter, Photographie in Privatbesitz, Bildquelle: Th. Csanády (Hrsg.), Prokesch von Osten – eine Reise in die Levante. Briefe an seine Freunde, CD-Rom, Graz 2007 (2. überarbeitete Ausgabe).
Christian Schinzel vom Münzkabinett Winterthur stellte ein Konvolut von Briefen vor, die Prokesch von Osten von 1866 bis 1875 an Friedrich Imhoof-Blumer (1838-1920), den Konservator des Münzkabinetts der Stadt Winterthur, verfasste.
Xusro II. (zweite Regierung: 591-628), Drachme, AY, Typ II/2 (SN), Inv.-Nr. 51.914, von Anton Prokesch von Osten dem Joanneum im Jahr 1867 übergeben, Foto: UMJ.
Nikolaus Schindel (Arbeitsgruppe Numismatik, Abteilung Documenta Antiqua, Institut für Kulturgeschichte der Antike an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) und Karl Peitler (Abteilung Archäologie & Münzkabinett des Universalmuseum) gaben einen Überblick über die ca. 900 Münzen aus der islamischen Welt, die im Grazer Münzkabinett verwahrt werden.
Schreiben Anton Prokeschs von Osten vom 3. März 1871 über die Schenkung von Münzen an das Joanneum und die Grazer Universität, UMJ, AArchMk, Archiv, Foto: UMJ.
Viele Stücke dieses historischen Bestandes waren dem Museum von Anton Prokesch von Osten als Schenkungen übergeben worden.
Wappen des Anton Prokesch von Osten mit der Devise „Ex Oriente Lux“, Foto: UMJ, B. Berner.
Das Symposium widmete sich auch Fragestellungen, die Prokeschs Begeisterung für das Erbe des antiken Hellas und seiner Wertschätzung des Osmanischen Reiches nachgingen. Eine Grundkonstante in Prokeschs diplomatisch-politischer Tätigkeit war die Überzeugung, dass das Osmanische Reich nicht zerschlagen werden darf, sondern als Vielvölkerstaat erhalten werden muss. Zeit seines Lebens bemühte er sich darum, in Europa negative Klischees und vorgefasste Meinungen über das Osmanische Reich und den Islam abzubauen. Demgegenüber machte seine Einstellung zu Griechenland eine starke Wandlung durch. Vom begeisterten Philhellenen, der für die Unabhängigkeit des griechischen Volkes vom Osmanischen Reich eintrat, wandelte er sich bei gleichbleibender Bewunderung für das antike Hellenentum zu einem Kritiker, der den Entwicklungen im modernen Griechenland nur wenig abgewinnen konnte.
Führung durch das Landhaus mit Landesrätin Mag. Ursula Lackner, Foto: UMJ.
Abgerundet wurde das Symposium durch einen Empfang am Institut für Archäologie der Karl-Franzens-Universität Graz mit anschließender Führung durch die Archäologischen Sammlungen des Instituts und einen Kulturspaziergang durch Prokeschs Heimatstadt Graz.
Palais Prokesch-Osten in der Elisabethstraße, 1859 von Prokesch-Osten erworben, in den 1860er-Jahren nach den Plänen von Theophil Hansen umgebaut, Foto: UMJ/D. Modl.
Im Verlauf dieses Stadtrundganges wurden sein Geburtshaus in der Bürgergasse, sein Palais in der Elisabethstraße …
Mausoleum der Familie des Grafen Anton Prokesch von Osten auf dem Grazer St. Leonhard-Friedhof, erbaut von Theophil Hansen im Jahr 1872, Foto: UMJ, B. Berner.
… und das Mausoleum der Familie Prokesch von Osten auf dem St. Leonhard-Friedhof besichtigt. Landesrätin Mag. Ursula Lackner führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums durch das Graz Landhaus, den Sitz des steirischen Landesparlamentes.
Das Symposium hat eine eigene Seite auf der Webseite der Karl-Franzens-Universität Graz.
Es gibt einen ausführlichen Artikel in den Neuen Deutschen Biographien.
Noch weit ausführlicher ist die 1888 erschienen Biographie.
Daniel Bertschs Monographie über Anton Prokesch von Osten finden Sie übrigens hier.