von Ursula Kampmann
12. Januar 2017 – Es gibt Aufgaben, bei denen ein Scheitern fast schon vorprogrammiert ist. Dazu gehört zum Beispiel das Verfassen eines Handbuchs über Münzen von der Antike bis zur Gegenwart. Das British Museum mag dieser Herkulesarbeit vielleicht gewachsen sein, weil es nach letzter Zählung über 14 Numismatiker mit unterschiedlichen Spezialgebieten verfügt. Aber für einen einzelnen bleibt es ein Wagnis, sich über einen Zeitraum von 2.600 Jahren und ein geographisches Gebiet, das die ganze Welt umfasst, zu äußern.
Bernd Kluge, Münzen. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart. München 2016. 128 S. mit 151 Abb. Broschiert. Klebebindung. 12 x 18 cm. ISBN 978-3-406-69774-6. 8,95 Euro.
Bernd Kluge, ehemaliger Direktor des Berliner Münzkabinetts, hat es gewagt und ein Buch geschaffen, das vielen Menschen einen wunderbaren Einstieg in die Numismatik bieten wird. Und bei dem einigen Politikern die Ohren klingen dürften.
Die Gliederung
In fünf Kapitel hat der Autor sein rund 100 Seiten starkes Büchlein gegliedert. Teil I beschäftigt sich mit Grundbegriffen der Numismatik. Kapitel II-IV sind chronologisch gegliedert, nämlich in die Münzen der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit. Dabei widersteht der Autor der Versuchung, dem Leser seinen eigenen wissenschaftlichen Schwerpunkt durch eine besonders hohe Seitenzahl aufzuzwingen. Stattdessen nimmt von der Antike bis zur Neuzeit der Umfang ständig leicht zu. Es folgt ein kurzes Kapitel zu den Münzen des Fernen Ostens und ein weiteres zu den modernen Prägungen der Gegenwart und des 20. Jahrhunderts.
Eine amüsante Lektüre, weil der Autor es wagt, eine eigene Meinung nicht nur zu haben, sondern auch zu äußern
Wer immer zu diesem Bändchen greift, wird überrascht sein, wie viel es bietet. Und das fängt schon bei der Sprache an. Die kurzen, prägnanten Sätze vermitteln nicht nur Wissen, sondern regen auch zum Nachdenken an. Einer meiner Lieblingsparagraphen beschäftigt sich mit der kulturhistorischen Bedeutung von Münzen, und ich möchte ihn Ihnen nicht vorenthalten:
„Die Münze ist nicht nur Geld, sie ist auch ein Stück Kulturgeschichte der Menschheit und spiegelt in ihren Bildern und Inschriften so gut wie alles, was mit dem Leben, Glauben, Handeln ihrer Zeitgenossen zu tun hat, wobei sie keineswegs unparteiisch ist: Herrscher werden weitaus öfter abgebildet als Beherrschte, Männer öfter als Frauen, Sieger öfter als Besiegte.“
Auch dass Bernd Kluge die neuzeitlichen Münzen wenig schätzt, mag er nicht hinterm Berg halten: „Auf die Herstellung der Kursmünzen wird immer weniger Sorgfalt verwendet. Entsprechend unansehnlich kommen sie daher. Der miserable technische Standard der Euromünzen etwa gegenüber den D-Mark-Münzen ist ein schlagendes Beispiel. Den Eindruck, dass man mit einer Münze noch einen „Wert“ in den Händen hält, vermittelt heute kaum noch eine Kursmünze.“
Münzfunde und die Bedeutung des Münzhandels
Mag ein Kenner der Gegenwartsnumismatik bei dieser Äußerung leicht schmunzeln und irgendetwas von „weitaus höhere Fälschungssicherheit“ und „wesentlich weniger Fehlprägungen“ murmeln, grenzt das, was Bernd Kluge in Sachen Hortfunde und Münzhandel äußert, schon an ein Politikum: „Die Meldung und Erfassung von Münzfunden ist eine staatsbürgerliche und wissenschaftliche Pflicht. Ob alle Münzfunde danach samt und sonders im Museum verbleiben müssen, ist eine andere Frage. Manche Zeiträume und Regionen sind inzwischen durch Münzfunde so gut dokumentiert, dass weiteres Material die Bestätigung bekannter Tatsachen, aber kaum noch neue Aufschlüsse liefert und den Fundus von Museen nur durch Dubletten vermehrt.“
Und auch Bernd Kluges Einschätzung des Münzhandels ist frei von jeder falschen Anbiederung, aber geprägt von Respekt: „Münzsammeln hat den Münzhandel zur Voraussetzung und Folge. Dessen Bedeutung wird daran deutlich, dass beispielsweise das größte deutsche Münzauktionshaus gegenwärtig mehr Personal beschäftigt als alle deutschen Münzkabinette zusammengenommen. Im Münzhandel werden jährlich Hunderttausende von Münzen umgesetzt. Auch wenn die weitaus größte Zahl auf die modernen Münzen entfällt, ist der Anteil antiker, mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Münzen doch so beträchtlich, dass der Münzhandel nach wie vor eine wichtige Rolle für den Materialfundus der Numismatik spielt. Die Auktionskataloge spezialisierter Privatsammlungen haben nicht selten den Rang von Handbüchern und Referenzwerken, wie überhaupt Auktionskataloge der gehobenen Art einen wichtigen Anteil numismatischer Literatur darstellen.
Numismatiker ist kein geschützter Begriff. Auch Münzsammler und Münzhändler nehmen ihn für sich in Anspruch. Ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt, jedenfalls ist die Trias aus Wissenschaft, Sammeln und Handel ein besonderes und in diesem Umfang wohl auf kein anderes Wissenschaftsgebiet zutreffendes Merkmal der Numismatik.“
Die normative Kraft des Geschriebenen
Solche Worte in der heutigen Zeit in einer für die Allgemeinheit bestimmten Münzgeschichte zu schreiben, verlangt schon eine besondere Art von Rückgrat. Und sie sind ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Diskussion. Denn die Beck’sche Reihe des Wissens ist nicht irgendeine Publikation. Sie „vermittelt“ – so jedenfalls das Profil der Reihe – „gesichertes Wissen und konzentrierte Information über die wichtigsten Gebiete aus den Kultur- und Naturwissenschaften. Die Autor/-innen sind anerkannte Wissenschaftler/-innen, die ihr Fach souverän beherrschen.“ Wollte sich ein Politiker oder eine Politikerin kompetent über Münzen informieren, hätte er oder sie auf genau auf diese Publikation zurückgreifen müssen, und vielleicht dann eher verstanden, welch großen Schaden eine sammlerfeindliche Gesetzgebung anrichtet.
Es ist gut, dass der Beck Verlag in Bernd Kluge einen Wissenschaftler als Autor für dieses Kompendium gewonnen hat, der wirklich souverän mit seinem Wissen umzugehen in der Lage ist.
Sie können das Buch direkt auf der Seite des Beck Verlags bestellen.