von Christoph von Mosch
22. Juni 2017 – Lang ist es her, seit die Bayerische Numismatische Gesellschaft ihre letzte Medaille herausgegeben hat. Zuletzt war im Jahre 2006 die Medaille von Hubertus von Pilgrim zum 125-Jahr-Jubiläum der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft erschienen. Sie zeigt einen Löwenkopf der durch eine bayerische Rautenfahne bricht, während die Rückseite in zwei Varianten einmal in positiv und negativ gestalteter Schrift und einmal in schülerhafter Schreibschrift den Ausgabeanlass beschreibt.
Medaille der BNG 2006 von Hubertus von Pilgrim. Photos: Andreas Pangerl.
In einfacher Bildsprache wird Bayern als Ursprungsort und Sitz der Gesellschaft thematisiert. 25 Jahre früher 1981 war es Egon Beckenbauer gelungen, mit Fritz Koenig einen weiteren bedeutenden Bildhauer zu gewinnen, um das 100 jährige Bestehen der Gesellschaft mit einer Medaille zu würdigen, die zunächst kaum Anklang fand, aber inzwischen sehr gesucht ist.
Medaille der BNG 1981 von Fritz Koenig. Photos: Andreas Pangerl.
In wunderbarer Schlichtheit zeigt die flache Vorderseite eine geöffnete Hand, die etwas Rundes präsentiert und dem Betrachter die Wahl lässt zwischen Geldstück und Hostie. In diesem Zwischenbereich beschreibt der Künstler auf subtile Weise die Verehrungswürdigkeit jener kleinen runden Zahlungsmittel und Kunstwerke, denen das Wirken der Gesellschaft gewidmet ist. Die Rückseite thematisiert das Rund von Münzen und Medaillen noch einmal durch eine leere Fläche, die eine archaisch wirkende Schrift monumental umfasst. Ein großartiges Kleinkunstwerk des kürzlich verstorbenen Landshuter Bildhauers, dessen Karyatide („the sphere“) vor dem ehemaligen World Trade Center zum Mahnmal wurde und dem Künstler zu Weltruhm verhalf.
Silbermedaille der BNG 2017 von Ulla M. Scholl. Photos: Andreas Pangerl.
Die neue Medaille der BNG nimmt diese Tradition der Bildhauermedaille wieder auf. Für die Zeichnerin, Malerin und Bildhauerin Ulla M. Scholl war das eine Herausforderung, hatte sie sich doch noch nie zuvor mit der Medaillenkunst beschäftigt, weder theoretisch noch praktisch. Umso gespannter konnten wir dem Ergebnis entgegensehen, als der Vorstand beschlossen hatte, ihr den Auftrag zu geben. Es sollte ein Werk entstehen, das ganz unbelastet von Vorgängern und Vorbildern, von Theorien und Diskussionen einfach, intuitiv und möglichst frei von symbolischer Überfrachtung sei. Warum hatte sich der Vorstand für Ulla Scholl entschieden, die so ganz außerhalb der Medaillenszene stand?
„Balance“ – Statue von Ulla M. Scholl aus dem Jahr 2000 vor der Bundesbank in München. Photos: Andreas Pangerl.
Den Ausschlag gab eine Großskulptur vor dem modernen Glasbau der Deutschen Bundesbank in München, dem Nachfolgeinstitut der bayerischen Zentralbank. Kaufleuten, Münzhändlern und Sammlern ist das Gebäude ein Begriff, da man seit Einführung des Euro dort zeitlich unbegrenzt seine alten DM-Münzen und Scheine einwechseln kann. Viele kennen daher jenen markanten Torso vor dem Eingang, ein weiblicher Akt ohne Haare, auf Zehenspitzen eine dünne Mondsichel über der Schulter balancierend. Das Werk heißt Balance und man kann nur rätseln, was die Banker zum Ankauf veranlasst hat. Sollte es die Balance der Bilanzen symbolisieren?
Ulla M. Scholl kam eines Tages zu mir ins Geschäft, um uns ein paar antike Amphoren für die Auktion aus dem staubigen Keller ihrer kleinen Künstlervilla in Dachau anzubieten. Wir kamen ins Gespräch, die Werke auf ihrer Website sprangen mir sogleich ins Auge, ich besuchte sie in ihrem Atelier, ich fror lausig, denn sie heizt nur ungern, ich sah die großartige und beinahe unbekannte Qualität ihrer Zeichnungen und Skulpturen, die unverbildete Kraft prähistorischer Idole, die ihre Werke durchzieht. Sofort kam mir die Idee, die Balance zum Motiv einer Medaille zu machen. Nicht nur weil die Skulptur so fremdartig und schön, so ausgeglichen und im Torso antikisierend, so idolhaft schlicht und im neutralen Gesicht so fern, kalt und modern wirkte, sondern weil das Zitat einer Statue im öffentlichen Raum auf einem Geldstück oder einem Medaillon eine alte bis in die Antike zurückreichende Tradition darstellte. Das Zitat einer Statue vor einer Münchner Bank, die für den Bürger am meisten mit Bargeld zu tun hat, schien ein sinnvoller Ansatz. Ulla M. Scholl hat ihn in unserem Sinne weitergesponnen und vollendet.
Nun balanciert dieser Torso auf einem Kreissegment wie auf einem schön geschwungenen Seil weiterhin seine feine Mondsichel als Gegenschwung zur Bodenlinie. Ist sie eine Göttin? Ist sie der um Ausgleich bemühte, seine Lasten tragende, gebrochene und zerbrechliche moderne Mensch, nackt und schutzlos auf dem Schicksal balancierend? Sie ist schön, sie steht wie ein steinzeitliches weibliches Idol zugleich im archaischen Standmotiv und in klassischer Formsprache, also mit bewährten Stilformen für die Ewigkeit gemacht, ein Urtorso, ihr Gesicht ist kalt wie das Antlitz des Mondes. Sie ist Selene, sie ist Aphrodite, sie spielt mit den Rundungen, die sie dreifach umgeben: der scharfe Rand der Medaille, das Halbrund der Sichel, der größere Bogen des Seils. Alles steckt in diesem Bild und doch soll es nur die schlichte Assoziation zu einer numismatischen Gesellschaft hervorrufen, zu Menschen, die runde Kleinkunstwerke sammeln und bewundern, zu Sammlern und Wissenschaftlern, die den Torso der Vergangenheit erforschen. Und die Rückseite? Sie verzichtet auf alles mit Ausnahme der Rundung des Randes und mit Ausnahme der rund schwingenden Schrift. In blankem unbehandelten Silber wirkt die Medaille kühl wie ein Designprodukt, die Schärfe Ihrer Prägung und der Charakter der Computerschrift HERCULANEUM auf der Rückseite verleiht ihr trotz retrospektiver Zitate etwas ungeheuer Modernes, etwas Technisches. Die Kupferedition ist hingegen in einem modernen Braun patiniert. Hersteller ist die Münz-Prägstatt GmbH München in Karlsfeld.
Die Silbermedaille erscheint in einer Auflage von 50 Stück. Sie wird von der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft für Ehrungen verliehen. Verdienste um die Gesellschaft oder namhafte Spenden sollen damit gewürdigt werden. Die Medaille ist im Rand nummeriert, mit den Initialen der Künstlerin versehen und mit einem 999 Silberstempel zertifiziert. Ihr Gewicht beträgt ca. 80 g Silber, der Durchmesser 60 mm.
Die Kupfermedaille erscheint in einer Auflage von 120 Stück, eine Nachprägung ist ausgeschlossen. Sie wird von der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft zum Verkauf angeboten. Die Medaille ist im Rand nummeriert und mit den Initialen der Künstlerin versehen. Ihr Gewicht beträgt 99 g Kupfer, der Durchmesser 60 mm, der Preis 99 EUR, verpackt in einem schwarzen Stoffsack mit Aufschrift der BNG.
Der Autor, Dr. Hans Christoph von Mosch, ist zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst.
Die Medaille in Kupfer kann über die Bayerische Numismatische Gesellschaft, c/o Staatliche Münzsammlung, Residenzstrasse 1, 803333 München, per E-Mail bezogen werden. Der Preis beträgt 99 EUR plus Porto.
Zum Internetauftritt der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft kommen Sie hier.
Dies ist die Webseite der Künstlerin Ulla M. Scholl.
Und zur Seite der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst gelangen Sie hier.