von Kay Ehling
24. August 2017 – In der Ausstellung „Luther imagines 17“ zeigt die Staatliche Münzsammlung München bis 1. April 2018 den Wandel der Luther-Bilder im Medium der Kunstmedaille über die Jahrhunderte hindurch.
Von rechts nach links: Martin Wallraff, Martin Eichler, Kay Ehling und Ludwig Spaenle. Nicht im Bild der Leitende Sammlungsdirektor Dietrich Klose, der gerade die Gäste begrüßt.
Am 4. Juli 2017 eröffnete der bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Ludwig Spaenle im schönen Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz vor 200 geladenen Gästen die Ausstellung. Martin Wallraff, der Lehrstuhlinhaber für ältere Kirchengeschichte an der ev.-theol. Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, hielt den Festvortrag. Diplom-Theologe und Nachfahre der jüngsten Luthertochter Margarete, Martin Eichler, sprach als Stellvertretender Vorsitzender der Lutheriden-Vereinigung e. V. ein Grußwort. Kuratiert wurde die Ausstellung von Kay Ehling.
S. K. H. Herzog Franz von Bayern besuchte am 6. Juli 2017 die Münzsammlung und ließ sich privat von Oberkonservator Prof. Dr. Kay Ehling durch die Ausstellung führen.
Luther imagines 17
Im Laufe der letzten 500 Jahre hat sich eine Art ‚Kanon‘ von Luther-Festen herausgebildet, an dessen Spitze die Erinnerung an Luthers Geburt im Jahr 1483 und den Thesenanschlag von 1517 steht. Jedes Zeitalter bringt sein eigenes Luther-Bild hervor: Ist der Reformator im 16. Jahrhundert der gefeierte Propheta Germaniae und „dritte Elias“, im 17. und 18. Jahrhundert „Lichtbringer“ und „Wiederhersteller der reinen Lehre“, so lädt sich seine Gestalt im 19. Jahrhundert nationalistisch auf und wird gleichzeitig zum Vorbild für das Bürgertum, das ihm in vielen Städten Denkmale setzt. Die Feiern im Kriegsjahr 1917 heroisieren Luther als deutschesten der Deutschen. 1983 vereinnahmt auch die DDR seinen 500. Geburtstag. Schließlich bestätigt die Feier des Reformationsjubiläums am 31. Oktober 2017 ein Wort Goethes: Die „produktive“ Wirkung Luthers hält auch nach 500 Jahren noch an.
In der Ausstellung „Luther imagines 17“ wird der Wandel der Luther-Bilder im Medium der Kunstmedaille über die Jahrhunderte hindurch dargestellt. Im Unterschied zu Münzen werden Medaillen nicht für den Zahlungsverkehr hergestellt, sondern dienen als Kleinkunstwerke ‚für die Hand‘ zur Erinnerung an besondere Ereignisse.
1517 Der Thesenanschlag findet nicht statt
Der 31. Oktober 1517 gilt als Beginn der Reformation. An diesem Tag verschickte Martin Luther seine lateinisch verfassten 95 Thesen gegen den Ablasshandel an seine beiden kirchlichen Vorgesetzten, den Erzbischof Albrecht von Magdeburg-Mainz und Hieronymus Schultz von Brandenburg. Doch wurden die Thesen an diesem Tag nicht an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen. Diese Überlieferung wurde erst nach Luthers Tod in der von Philipp Melanchthon verfassten Vita Lutheri verbreitet.
Brustbild Luthers mit Barett und Talar / Engel mit Lutherrose, 1530, Medaille von Wolf Milicz, Blei.
Keine Persönlichkeit der deutschen Geschichte ist so oft auf Medaillen abgebildet worden wie Martin Luther. Erste Stücke entstehen ab 1520. Der Prophet Germaniens erscheint mit Barett und Talar, in Händen hält er die Bibel. Die Bibelübersetzung ist eine Großtat. Zwar gab es bereits ein gutes Dutzend deutscher Bibeln, doch entsprach keine den Ansprüchen der Reformatoren. Neu war, dass sich Luther am griechischen Urtext orientierte. So entstand eine sprachgewaltige Übersetzung aus einem Guss.
Unter dem strahlenden hebräischen Gottesnamen hebt Luther einen Scheffel von einer brennenden Kerze / Schwan, 1617, Medaille von Christian Maler, Goldblech.
1617 Luther als Schwan und Lichtbringer
Im 17. Jahrhundert verstand man den Reformator als Vollender des auf dem Konzil von Konstanz 1415 verbrannten tschechischen Theologen und Kirchenkritikers Johannes Hus. Dieser soll im Feuer gesagt haben: „Ich, der ich eine Gans bin, bratet ihr jetzt, aber einst wird ein Schwan kommen, den werdet ihr ungebraten lassen müssen“. Luther wurde als dieser Schwan gedeutet. Auch ist er es, der den Scheffel von der brennenden Kerze hebt: GOTTES WORT IST LVTHERI LEHR DARVM VERGEHT DIE NIMMERM(ehr) heißt es etwa auf einer Medaille.
Luther schlägt die Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg / Gekrönte Ecclesia Augustana, 1717, Medaille von Ph. H. Müller, Silber.
1717 Hilaria Evangelica
Wie schon 1616, so wurde auch die zweihundertjährige Wiederkehr des Beginns der Reformation am 31. Oktober 1717, einem Sonntag, zurückhaltend und ohne jeden protestantischen Triumphalismus begangen. Gleichzeitig kamen viele metallene Erinnerungsstücke heraus. Auf einer Augsburger Medaille wird erstmals der ‚Thesenanschlag‘ abgebildet. Mit der Hilaria Evangelica von Ernst Salomon Cyprian entstand 1719 eine erste Geschichte der Reformation.
Luther-Denkmal in Wittenberg, 1821, Medaille von A. Fr. König, Silber.
1817 Luther wird zum Denkmal
Im Vorfeld der Feierlichkeiten des Jahres 1817 wurde der Plan zur Errichtung eines Luther-Denkmals in der Öffentlichkeit diskutiert und ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich auch Johann Wolfgang Goethe beteiligte. Das erste Denkmal für den Reformator wurde 1821 in Wittenberg aufgestellt. Die Statue stammt von Johann Gottfried Schadow, der gotisierende Baldachin von Karl Friedrich Schinkel: Auf einem schlichten Sockel steht ein fest entschlossener, ja trotzig dreinschauender Luther im Predigergewand, die Bibel in Händen haltend und mit der Rechten auf das Neue Testament weisend. Das Wittenberger Denkmal war das erste bedeutende bürgerliche Personenstandbild des 19. Jahrhunderts. In den nächsten Jahrzehnten werden dutzende Luther-Denkmale errichtet, u. a. in Coburg. Das größte Luther-Denkmal der Welt befindet sich seit 1868 in Worms.
Luther im Mönchsgewand / Ritter mit Schwert auf Weltkugel, 1917, Medaille von H. Schwegerle, Bronze.
1917 Luther der deutscheste der Deutschen
Am 31. Oktober 1917, dem Tag der vierten Jahrhundertfeier des Wittenberger ‚Thesenanschlags‘, stand Deutschland seit über drei Jahren im Krieg. In seiner Reformationsrede zum Kriegsjahr 1917 sprach der in München lehrende Historiker Erich Marcks davon, dass die Deutschen der unablässigen Auffrischung aus den Tiefen lutherischer Innerlichkeit bedürften, um siegreich zu sein. Als eine Trinität eigener Art erscheinen Luther, Bismarck und Hindenburg gemeinsam auf einer Kriegsmedaille. Luther wird zum Krieger.
Stilisierter Kopf Luthers mit Barett, rechts Einleitung und Beginn der 95 Thesen, 2017, 20 Euro, Entwurf P. Niesel, Silber.
2017 500 Jahre Reformation
Und was bedeutet uns Luther heute? Die Vielfältigkeit, ja Fremdheit vieler der in der Ausstellung gezeigten, älteren Luther-Bilder mahnt jedenfalls zur Vorsicht, den Reformator in unserer Zeit nicht wieder auf unhistorische Weise zu aktualisieren und vordergründig zu vereinnahmen.
Mehr Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Seite der Staatlichen Münzsammlung München.
Wenn Sie sich für Reformationsmedaillen interessieren, dann werfen Sie einmal einen Blick in den Annotierten Bestandskatalog der reformationsgeschichtlichen Münz- und Medaillensammlung der Stiftung Luthergedenkstaetten in Sachsen-Anhalt.
Eine andere umfangreiche Sammlung von Reformationsgeprägen hat Daniel N. Harmelink vorgelegt.
Hier sehen Sie einen Künker-Film über Medaillen der Reformation und ihre Symbole.