von Annika Backe
12. Oktober 2017 – Als Nicola Harrison, 37, aus Leeds in der englischen Grafschaft West Yorkshire an einer Tankstelle ihr Wechselgeld in Empfang nahm, traute sie ihren Augen nicht. Auf eine 50-Pence-Münze waren auf das Konterfei von Königin Elisabeth II. nationalsozialistische Symbole gestempelt worden, ein Adler über einer Swastika.
Dieses 50-Pence-Stück aus dem Jahr 2007 ist ein Beispiel dafür, womit Unbekannte derzeit umlaufende Münzen in England verunstalten.
Im September 2017 postete Harrison Bilder ihrer Münze auf ihrem Facebook-Account. Dazu die Frage an die Community, ob auch Andere bereits Münzen wie diese gesehen hätten. Auszugeben traue sie sich das Stück nicht mehr, da sie sich damit eventuell strafbar machen würde.
Tatsächlich hat es in England schon früher Vorfälle dieser Art gegeben. Wie das englische Magazin „The Sun“ am 12. September 2017 berichtete, tauchte ein ähnliches Stück 2017 im englischen Coventry auf.
Und auch in Deutschland fanden sich schon mit Nazisymbolen verunstaltete Münzen. So stieß der 25-jährige Gastwirt Marvin Schramm aus Neuss im Januar 2017 bei seiner Abrechnung auf eine 2-Euro-Münze, in deren Vorderseite ein Reichsadler und ein Hakenkreuz eingeprägt worden war. Die Rückseite trug eine Sig-Rune, das Zeichen der Schutzstaffel (SS) der NSDAP.
Gegenüber der „Neuss-Grevenbroicher Zeitung“ sagte Schramm: „Ich war schockiert (…). Wir legen Wert auf Toleranz und friedliches Zusammenleben. Welcher Idiot macht denn sowas?“ Mit dieser Frage müssen sich nun die Polizei und die zuständigen Behörden befassen, schließlich wird in Deutschland nach dem BGB §86a die verbotene Verbreitung von Nazi-Symbolen mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.
Dabei sind Gegenstempelungen in der Geschichte der Numismatik eigentlich nichts Ungewöhnliches. Mit dem Einschlagen kleiner Markierungen auf bereits geprägte Münzen lässt sich der Wert eines Geldstücks von offizieller Seite verändern. Prüfmarken bestätigen Echtheit und Material einer Münze, während wieder andere Stempelungen ausländische Währungen für den heimischen Markt nutzbar machen. Daneben kann über Gegenstempel auch aktiv für etwas geworben werden. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Kampagne der Suffragetten. Um für Frauen das Wahlrecht durchzusetzen, versahen sie im frühen 20. Jahrhundert englische Pennies mit dem Portrait von König Edward VII. mit dem Schriftzug „Votes for Women”.
Wer genau für die Gegenstempelung der 50-Pence-Münze von Nicola Harrison verantwortlich ist, wird sich wohl nur schwer ermitteln lassen. Die englische Münzprägestätte nimmt zu derlei Verunglimpfungen eine klare Haltung ein, wie ihr Experte für technische Sicherheit, Scott Kuperus, ausführt: „Die Royal Mint missbilligt eine solche Verunstaltung auf das Schärfste, da durch ein solches Vorgehen die Integrität des Vereinigten Königreichs in Frage gestellt werden kann. Zudem ist es oftmals kontraproduktiv, da die Münzen rasch aus dem Umlauf eingezogen werden.“
Den erwähnten Artikel in The Sun lesen Sie hier.
Zu Nicola Harrisons Facebook-Account kommen Sie hier.
Die Meldung des Münzfundes in Neuss lesen Sie bei Tag 24.
Mit welch einfachen Mitteln sich Münzen gegenstempeln lassen, demonstriert Ihnen Thomas Hockenhull, Kurator für moderne Münzen im Londoner British Museum, in diesem Podcast in der MünzenWoche.
Ein weiteres Beispiel für eine propagandistische Gegenstempelung stellt Ihnen die MünzenWoche in diesem Beitrag vor.
Welche Symbole, Zeichen und Schriftzüge in Deutschland noch verfassungsfeindlich sind, sehen Sie in dieser Auflistung bei Wikipedia.
Und wie eine ganz und gar nicht strafbare Umgestaltung alter Münzbilder auch aussehen kann, sehen Sie in diesem MünzenWoche-Artikel über die Kreationen von Shaun Hughes.