von Ursula Kampmann
13. September 2018 – Am 10. September 2018 gab die Swissmint die 20 Franken Gedenkmünze „Swiss Army Knife“ heraus. Die Designerin Nadja Baltensweiler gestaltete die Bildseite. Als Motiv wählte sie den wohl bekanntesten Typ des „Schweizer Taschenmessers“, das Modell „Huntsman“.
Schweiz / 20 Franken 2018 „Swiss Army Knife“ / 0,835 Ar / 20 g / 33 mm / Auflage: Unzirkuliert 30.000 Stück, davon 5.000 im Folder. PP 5.000 Stück, davon 250 mit Künstlerzertifikat.
Es ist auf der Bildseite im ausgeklappten Zustand zu sehen, so dass man deutlich erkennt, welche Funktionen das kleine Wunderwerk birgt: eine große und eine kleine Klinge, Korkenzieher, Dosenöffner (mit kleinem Schraubendreher), Kapselheber (mit Schraubendreher und Drahtabisolierer), Stech-Bohr-Nähahle, Pinzette, Zahnstocher, Schere, Mehrzweckhalter und Säge.
Das berühmte Schweizer von Victorinox „Typ Huntsman“. Foto: Victorinox.
Das Schweizer Taschenmesser hat Kultstatus, und das nicht erst seit der beliebte Fernsehheld MacGyver seit den 80er Jahren mit dem Schweizer Taschenmesser seine Fälle löste. Bei Victorinox ist man stolz darauf, dass man seit 1891 die Schweizer Soldaten mit einem Taschenmesser ausrüsten darf.
Es ist eines der Lieblingssouvenirs, die Touristen aus der Schweiz mitbringen. Und nicht nur dort kann man es kaufen: Flughafen- und Messerläden auf der ganzen Welt bieten es an. Heute gehen 90 % der Produktion ins Ausland, und zwar in über 120 Nationen!
Täglich(!) werden rund 28.000 Schweizer Taschenmesser fertig gestellt – und zwar in über 100 verschiedenen Ausführungen und Kombinationen. Außerdem produziert Victorinox 32.000 Taschenwerkzeuge und 60.000 Haushalts-, Küchen- und Berufsmesser pro Tag.
Zwei Sammelobjekte in einem Kombi-Pack: Gedenkmünze und Sondereditions-Messer. Foto: Swissmint.
Keine Frage, das Schweizer Taschenmesser, egal in welcher Ausführung, ist ein Exportschlager. So darf es nicht verwundern, dass die Swissmint sich dafür entschieden hat, die englische Bezeichnung als Münzinschrift zu verwenden.
Anlässlich dieser Zusammenarbeit durfte die MünzenWoche im Frühjahr 2018 das Mutterwerk in Ibach besuchen. Wir können also nicht nur über die Sondermünze berichten, sondern auch über die Herstellung der berühmten Messer – und die ist von der Münzproduktion gar nicht so weit entfernt.
Ein Blick auf Schwyz mit dem großen und dem kleinen Mythen. Foto: Roland Zumbühl / CC-BY 3.0.
Es gibt wenig Orte in der Schweiz, die schweizerischer sind als Schwyz, die Gemeinde in der Innerschweiz, die dem ganzen Land seinen Namen gab. Direkt unter dem Bergmassiv des großen und des kleinen Mythen wird der Bundesbrief von 1291 aufbewahrt. Und zwei Autominuten davon entfernt liegt der eigentliche Grund, warum so viele japanische Busse in dem winzigen Ort Halt machen. Hier hat Victorinox nicht nur sein Mutterwerk, sondern auch einen großen Fabrikladen, in dem man die ganze umfassende Produktpalette bewundern und kaufen kann.
Der Schöpfer des ersten Schweizer Armeemessers: Karl Elsener.
Der Todestag des Victorinox-Gründers, Karl Elsener, jährt sich am 26. Dezember 2018 zum 100. Mal. Dieser Pionier der Schweizer Industrialisierung gründete 1884 in Ibach eine Messerschmiede.
Wenige sind sich bewusst, dass die Schweiz im 19. Jahrhundert eine der ärmsten Gegenden Europas war. Viele Schweizer mussten auswandern, weil sie keine Arbeit fanden. Nur wenige Unternehmer waren bereit, ausreichend Kapital zu investieren, um mit der deutschen und englischen Konkurrenz mitzuhalten, die auf eine wesentlich bessere Infrastruktur zurückgreifen konnte.
Der am 9. Oktober 1860 geborene Elsener hatte sein Handwerk in Frankreich und Deutschland gelernt und entschloss sich, seine Messerschmiede im heimatlich Ibach anzusiedeln. Seinen Absatzmarkt sah er vor allem in der Schweiz selbst. Sein größter potentieller Kunde war die Armee. Doch sein eigener Betrieb war zu klein, um sich um Armeeaufträge zu bewerben. Deshalb überzeugt Elsener seine Konkurrenten, sich in einem Verbund die Herstellung der Schweizer Armeemesser zu sichern. Den Verband Schweizer Messerschmiedemeister gibt es noch heute.
Doch als ein Solinger Betrieb dank weitreichender Industrialisierung das Produkt günstiger anbot, stiegen die anderen Mitbewerber aus. Elsener hielt sein Angebot aufrecht, bekam den Zuschlag und ruinierte sich dabei, die notwendige Infrastruktur anzuschaffen, um die bestellten Messer liefern zu können. Dank Krediten aus der Verwandtschaft blieb ihm der Konkurs erspart – und das Schweizer Armeemesser trat seinen Siegeszug an, der Elseners Messerschmiede weltberühmt machte.
Heute kennt die ganze Welt „Victorinox“. Und wieder einmal ehrt eine weltbekannte Marke eine Frau, die mit ihrer Persönlichkeit dem Firmengründer Rückhalt und Stärke gab. Die Mutter Elseners hieß Victoria. Ihren Vornamen kombinierte der Firmeneigner mit dem internationalen Kennzeichen für rostfreien Stahl „Inox“. Schon hatte er „Victorinox“.
Aber werfen wir einen Blick in die Fabrikation! Urs Wyss, Leiter der PR-Abteilung von Victorinox führt uns durch das Werk.
Eine einfache Stanze steht am Beginn des Prozesses. Foto: UK.
Das Lager mit speziell für Victorinox hergestelltem Stahl. Foto: UK.
Stanzgitter und Rohprodukt. Foto: UK.
Wer schon einmal gesehen hat, wie eine Ronde entsteht, kann sich gut vorstellen, wie die erste Station aussieht: In einer Stanze wird der Coil eingespannt, aus dem die Messerklinge ausgestanzt wird.
Es erfolgt die Reinigung. Foto: UK.
Auch der nächste Prozess ist von der Münzherstellung bekannt: Die Rohlinge werden in einem Gemisch von Reinigungskörpern und Reinigungsflüssigkeit gewaschen.
Hier wird die Klinge geglüht. Foto: UK.
Doch sobald es darum geht, wie die haltbare Schärfe der Klingen des Schweizer Armeemessers zustande kommt, wird Urs Wyss ziemlich unbestimmt. Das ist schließlich eines der wichtigen Betriebsgeheimnisse. Das Glühen gehört jedenfalls irgendwie dazu. Aber die Abteilung, in der die Klingen geschärft werden, ist für alle Besucher off limits.
Die Zahnstocher werden nicht bei Victorinox hergestellt, sondern zugekauft. Foto: UK.
Machen wir deshalb einen gedanklichen Sprung: Nehmen wir an, die Messer sind geschärft, die Zahnstocher und Korkenzieher geliefert. Nun muss jede der unzähligen Messerkombinationen zusammengesetzt werden. Während das bei den Bestsellern, von denen Tausende pro Tag hergestellt werden, automatisiert ist (ebenfalls streng geheim, aber wir durften in die Halle hineingucken), wird ein Großteil der in kleinerer Auflage produzierten Messer per Hand zusammengesetzt.
Die Schalen der Schweizer Armeemesser. Foto: UK.
Die Plastikschalen dafür werden nicht bei Victorinox hergestellt, sondern zugekauft. Es gibt sie übrigens nicht nur im bekannten rot, sondern auch in gelb und blau, allerdings sind diese Farben nicht so beliebt wie das „Original“ rot.
Jeder kann „sein“ Victorinox-Messer als Werbegeschenk herstellen lassen. Foto: UK.
Ab einer bestimmten Liefermenge kann ein Kunde sogar sein eigenes Design für ein Victorinox-Messer vorlegen. So werden die Messer gerne als Werbegeschenke in Auftrag gegeben. Kein Wunder, dass die Messer von Victorinox mit ihren vielen Varianten ein sehr beliebtes Sammelobjekt geworden sind.
Die Komponenten werden zusammengetragen. Foto: UK.
Zahnstocher und Pinzette werden eingesetzt. Foto: UK.
Doch zuerst müssen die Komponenten des Messers zusammengenietet werden – für kleine Partien geschieht das immer noch per Hand. Erst danach werden die Schalen aufgepresst. Pinzetten und Zahnstocher müssen ebenfalls per Hand eingesetzt werden.
Jedes Stück wird zuletzt per Hand auf seine Beweglichkeit geprüft. Hier das Rescue-Tool, das zusammen mit Rettungs- und Sicherheitsdiensten entwickelt wurde. Foto: UK.
Zuletzt erfolgt die Prüfung jedes einzelnen Objekts. Bevor es die Fabrik verlässt, wird jede einzelne Funktion überprüft. Kein Wunder, dass die Schweizer Taschenmesser für ihre Qualität, Langlebigkeit und Verlässlichkeit berühmt sind.
Fast jeder dürfte seine Geschichte haben, in der ein Schweizer Taschenmesser eine Rolle spielt. Victorinox sammelt diese Geschichten. Sie erzählen vom Chirurgen in Uganda, der mit der Säge Gliedmaßen amputierte, vom Überschallflieger, der seine Atemmaske damit reparierte, und von den unzähligen Missionen der NASA, die dank eines Schweizer Taschenmessers ein gutes Ende fanden.
Meine Geschichte ist nicht so lebensbedrohlich, aber eindrücklich: Das Messer ging als Geschenk an einen Bauernsohn, der es bei der Feldarbeit verlor. Er fand es wieder, allerdings mehr als ein Jahr später. Er wischte es ab, und damit war das Schweizer Taschenmesser von Victorinox wieder einsatzfähig.
Der Reparaturdienst für lieb gewonnene Begleiter. Foto: UK.
Sollte trotz allem der lieb gewonnene Schweizer-Taschenmesser-Begleiter einmal an einer Aufgabe scheitern und daran kaputt gehen, unterhält Victorinox einen Reparaturdienst, in dem Messer gleich welchen Alters überholt werden.
Wenn Sie mehr über die Geschichte von Victorinox erfahren wollen, dann gehen Sie auf deren Website.
Dort finden Sie auch die umfassende Produktpalette an Taschenmessern.
Wesentlich ausführlicher schildert diese Doku die Herstellung des Schweizer Armeemessers.
Victorinox hat einen eigenen Youtube-Kanal mit fast 18.000 Abonnenten (Neid!)
Die Swissmint hat keinen Youtube-Kanal, dafür aber eine sehr schöne und übersichtliche Website, auf der Sie auch die neue Gedenkmünze bestellen können.
Dort finden Sie auch einen ausgezeichneten Blick hinter die Kulissen. Vom Entwurf bis zur Verpackung wird die Herstellung der Münzen gezeigt und erklärt.
Meine persönliche Lieblingsseite sind die „Numismatischen Berichte“.
Wenn Sie vergleichen möchten, ob die Herstellung einer Klinge tatsächlich der einer Münzronde ähnelt, lesen Sie unseren Artikel „Vom Coil zur prägefertigen Ronde“.
Wenn Sie zu spät bestellt haben und Münze oder Set schon vergriffen sind, versuchen Sie es doch einmal bei einem Münzhändler aus dem Verband Schweizer Berufsnumismatiker.