von Ursula Kampmann
24. Januar 2019 – Es gehörte zu den Ritualen meiner Kindheit: Jeden Winter bettelte ich so lange, bis meine Eltern Karten für den Circus Krone kauften. Wir saßen immer in der ersten Reihe, dort wo das Sägemehl der Arena so richtig staubte. Ich habe sie alle geliebt, die Artisten, die Clowns, den Circus-Direktor mit Frack und Zylinder, die Circus-Prinzessin auf ihrem weißen Pferd. Und wann immer ich heute Manegenluft schnuppere, werde ich wieder zum Kind, das sich vom Takt der Zirkusmusik verzaubern lässt.
Schweiz. 20 Franken 2019. 100 Jahre Circus Knie. Von Remo Mascherini. Silber 835 / 20 g / 33 mm / Auflage ausschließlich in Proof: 5.000 / Ausgabedatum: 24. Januar 2019.
Die erste Farbmünze der Schweiz
Es ist also, als hätte mir die Swissmint einen persönlichen Wunsch erfüllt mit ihrer Gedenkmünze zum 100jährigen Bestehen des Schweizerischen National-Circus Knie, der schon Millionen von Kinderaugen zum Strahlen gebracht hat.
Für die Umsetzung hat sich Münzmeister Marius Haldimann etwas Besonderes ausgedacht: Das 20 Franken-Stück ist nicht nur geprägt, sondern zusätzlich mittels Tampon-Druck teilweise eingefärbt, so dass der zentrale Clown sich farbig von der Oberfläche in Proof abhebt. Erstmals wurde diese Technik auf einer Schweizerischen Gedenkmünze eingesetzt. Es handelt sich also um die erste Farbmünze der Schweiz!
Der Clown: Ein höchst seltenes Motiv auf Münzen
Und das ist nicht die einzige Besonderheit. Man möchte es kaum glauben, aber Circus-Motive sind in der Numismatik ein absolutes Randphänomen. Könnte das damit zusammenhängen, dass der Circus mit seinen Artisten als dem „fahrenden Volk“ immer noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, und somit einen Staat nicht angemessen zu repräsentieren scheint?
Eine kurze Recherche in den relevanten Katalogen von Krause enthüllt es: Während der Clownfisch dank „Finding Nemo“ allgegenwärtig über die modernen Münzen schwimmt, existiert nur eine einzige weitere Darstellung eines menschlichen Clowns im Münzbild: Sie entstand 2014 im Namen von Fiji im Rahmen einer kleinen Serie mit dem Titel „Circus History“, übrigens auch dies die einzigen anderen Münzen, die dem Circus gewidmet sind.
Es zeugt für die gesellschaftliche Offenheit der Schweiz und für ihre enge emotionale Bindung an ihren „Nationalcircus“, dass so eine Münze überhaupt möglich war.
Übrigens, für die Familie Knie ist es keine numismatische Premiere. Ein Vertreter von ihr hat ein Motiv geschaffen, das 1996 auf einer Münze von Äquatorialguinea zu sehen war: Es geht um eine billig gemachten Serie, die eigentlich Schweizer Briefmarken gewidmet ist. Eine von ihnen zeigt ein von Rolf Knie geschaffenes Circus-Motiv.
Eröffnungsvorstellung des Circus Knie am 4. Juni 1919. © Circus Knie.
Ein bisschen Circus-Geschichte
Aber beginnen wir mit ein klein wenig Circus-Geschichte. Alles begann mit einer nicht standesgemäßen Liebelei zwischen einem Medizinstudent und einer Kunstreiterin: Friedrich Knie (1784-1850) verliebte sich, brannte durch und schnupperte die würzige Luft der Manege. Er wurde Seiltänzer und gründete seine eigene Kompanie – übrigens ohne die Kunstreiterin.
Mit einem Seil, ein paar Bänken für die Zuschauer und viel Gottvertrauen tourten mehrere Generationen der Familie Knie durch Deutschland, Österreich und vor allem die Schweiz, die ihnen zu einer neuen Heimat wurde. Am 26. Dezember 1900 erhielten sie im Kanton Thurgau das Schweizer Bürgerrecht, was damals sogar noch ein bisschen schwerer zu bekommen war als heute. Und dann kam der erste Weltkrieg.
Auch wenn die Schweiz eigentlich nicht in die kriegerischen Auseinandersetzungen hineingezogen wurde, mussten die Grenzen bemannt werden. Vielen Familien fehlte damit der Ernährer, und Nahrungsmittel wurden immer teurer. Schließlich hing die Schweiz stark von Importen ab, die wegen des Krieges nicht mehr über die Grenze kamen. Hunger und Höchstpreise für die wenigen schweizerischen Lebensmittel waren die Folge. Die geschwächte Bevölkerung war ein leichtes Opfer der Spanischen Grippe, die weltweit mehr Menschen das Leben raubte als der gesamte Erste Weltkrieg.
Not und Angst, dazu soziale Spannungen, In solchen Zeiten sind Menschen dankbar, wenn sie ihre Sorgen für ein paar Stunden vergessen dürfen. Der Circus Knie half ihnen dabei, und die Brüder Karl, Eugen, Rudolf und Friedrich verdienten gut. Und um die Konjunktur zu nutzen, gingen sie ein zusätzliches Risiko ein.
Die Brüder Knie – Karl, Eugen, Rudolf und Friedrich – im Jahr 1919. © Circus Knie.
100 Jahre Schweizerischer Nationalcircus
Gegen den Rat ihrer Mutter nahmen sie einen Kredit auf und kauften 1919 ein Zelt, das Platz für 2.500 Zuschauer bot. Am 14. Juni 1919 fand darin auf der Schützenmatte in Bern die erste Vorstellung statt. Dieser Termin ist der Referenztermin für die Ausgabe der Gedenkmünze „100 Jahre Circus Knie“.
Der Andrang zu dieser ersten Vorstellung im überdachten Raum soll unglaublich gewesen sein. Man sagt, die Besucher hätten die kleinen Holzhäuschen, in denen die Karten verkauft wurden, einfach überrannt. Und bereits zwei Monate später waren die Brüder in der Lage, das geliehene Geld zurückzuzahlen.
Und warum ist Knie der Schweizerische Nationalcircus?
Im gleichen Jahr ließen die Brüder Knie ihr Unternehmen als „Cirque Variété National Suisse Frères Knie“ ins Handelsregister eintragen. Dies war damals noch möglich. Erst 1937 wurde eine Bestimmung erlassen, die es verbot, Attribute wie „Schweizer“ und „National“ für private Firmen zu nutzen. So ist der Circus Knie also Schweizer Nationalcircus, ohne irgendwie mit dem Schweizer Staat zusammenzuhängen. Was natürlich umgekehrt bedeutet, dass er keinerlei Subventionen als Staatsunternehmen beanspruchen kann.
Die 20er Jahre waren das Zeitalter von Revue, Varieté und Circus, die Zeit, in der Unterhaltung vor Ort und live stattfand. Auch der Circus Knie profitierte davon. Die Karawane der Artisten bestand aus mehr als 80 Wohnwägen. Ihr Transport erfolgte mit einem Sonderzug von 42 Waggons. 1934 wandelten die Besitzer ihr bisheriges Familienunternehmen in eine AG um, was das Kapital für die damals in Amerika so modernen Themen-Shows aufbrachte. Im gleichen Jahr tourte der Circus Knie sehr erfolgreich mit einer Wasserwelt. Doch 1935 floppte eine Revue mit dem Titel „India“, für die über 50 indische Künstler importiert worden waren. Ein finanzielles Desaster! Es brauchte lange, bis sich das Unternehmen erholte.
Der Circus Knie heute. © Circus Knie.
Ein Winterquartier in Rapperswil
Der zweite Weltkrieg schadete dem Circus nicht, sondern förderte ihn. Wieder waren viele Menschen froh, wenigstens für kurze Zeit ihre Sorgen vergessen zu können. Und die Schweiz war neutral: Die besten und erfolgreichsten Artisten aus allen Ländern Europas konkurrierten darum, in einem neutralen Land auftreten zu können.
So ging der Circus Knie finanziell gesund aus dem zweiten Weltkrieg hervor. Und 1956 bezog er sein fest gebautes Winterquartier in Rapperswil. Im gleichen Jahr entstand das ikonische Plakat für den Schweizer Circus, das das Design der Gedenkmünze inspirierte.
Werbeplakat für den Circus Knie von Herbert Leupin. Foto: Swissmint.
Das ikonische Plakat von Herbert Leupin
Der Künstler Herbert Leupin zeichnete dafür verantwortlich. Er war damals ein viel beschäftigter Graphiker, der für einige der bekanntesten Marken Plakate konzipierte. Für Eptinger Mineralwasser, Coca Cola, Pepita, Kaffee Hag, für den Autokonzern Renault und den Schreibwarenhersteller Paper Mate zeichnete er allein im Jahr 1956 seine leicht wiedererkennbaren Werbebilder. Sie kommen mit wenigen Farben aus und rücken das zentrale Motiv geradezu künstlerisch überhöht ins Rampenlicht. Die Kunstgeschichte benennt seinen Stil als „Magischen Realismus“.
Am bekanntesten wurde sein Plakat für den Circus Knie. Es war ein Geniestreich, ein graphisches Spiel mit dem Wort, seiner Bedeutung und der für den Circus so typischen Tätigkeit des Jonglierens.
Lokomotive der SBB mit Jubiläumslackierung. © Swissmint.
Der Circus Knie heute
Heute gehört der Circus Knie mit über 200 Mitarbeitenden zu den wichtigsten europäischen Wandercircussen. Er braucht zwei Sonderzüge und etliche Lastwagen, um alle Artisten, Requisiten und Tiere von einem Ort zum nächsten zu transportieren. Der Circus Knie ist immer noch ein Familienunternehmen, in dem der Nachwuchs traditionell im Alter von 4 Jahren spielerisch an die Manege herangeführt wird.
Und er hat wie viele andere traditionelle Unterhaltungsunternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die neuen Medien sind eine brutale Konkurrenz für Menschen, die täglich Höchstleistungen für die vor Ort anwesenden Zuschauer bringen. So musste das neue Zirkuszelt, das sich Knie zum 100. Geburtstag selbst schenkt, über Crowdfunding finanziert werden. Aber dass die Schweizer ihren Circus lieben, zeigt sich gerade daran: Innert vier Monaten brachten 498 Zirkusfans die dafür notwendigen 254.101 CHF auf.
Das Modell für die Farbmünze „100 Jahre Circus Knie“. © Swissmint.
Die Gedenkmünze „100 Jahre Circus Knie“ ist eine Anerkennung und ein Dank, den die offizielle Schweiz den Menschen abstattet, die ihren Lebensinhalt darin sehen, anderen ein paar unbeschwerte Stunden zu bescheren, auch wenn die Realität des Circus weit entfernt ist von der Glitzerwelt, die den Besucher verzaubert.
Alternativer Entwurf zur Vorderseitendarstellung. © Swissmint.
Der Entwurf für die neue Gedenkmünze
Für den Entwurf zeichnete diesmal ein Mitarbeiter der Swissmint verantwortlich. Remo Mascherini (*1958) arbeitet seit 2013 als Graveur bei der Schweizerischen Münzstätte. Er brachte das Plakat von Herbert Leupin ins Münzrund, und zwar erst einmal auf einem Computer.
Der endgültige Entwurf der Münze, der umgesetzt wurde. © Swissmint.
Mit Hilfe eines CAD/CAM-Systems werden Münzen heute auf dem Bildschirm gestaltet. Aus den vom Computer errechneten Datensätzen werden dann entweder direkt die Stempel erzeugt oder, wie in diesem Falle, ein Modell, mit dessen Hilfe zusätzliche Details im dreidimensionalen Kunstwerk herausgearbeitet werden können.
Die unbedruckte Münze: Sie soll als Essay später im Jahr zu erhalten sein. © Swissmint.
Eine Farbmünze ohne Farbe als Essay
Deshalb sieht die erste Farbmünze der Schweiz, schon bevor der Druck mittels Tampons aufgebracht wird, spannend aus. Wem das Stück so besser gefällt, der kann irgendwann im Verlauf des Jahres die farblose Silbermünze in einer kleinen Auflage als Essay kaufen.
Noch einmal: Das fertige Stück. © Swissmint.
Die Swissmint rechnet mit erhöhter Nachfrage
Überhaupt, die Swissmint rechnet mit einer großen Nachfrage. Schließlich wissen alle Sammler, dass die „ersten“ immer besonders gerne im Wert steigen. Die Auflage ist mit 5.000 Stücken sehr niedrig angesetzt, vor allem deshalb weil die Münzen ausschließlich in „Proof“ geprägt werden, also keine zusätzlichen Münzen in der Qualität unzirkuliert herausgegeben werden. Die Gedenkmünze „100 Jahre Circus Knie“ ist nicht Teil des Abos der Swissmint. Man muss sie eigens bestellen, wobei der Umfang der Bestellung auf höchstens fünf Stück begrenzt ist.
Deutsche Kunden können sie, natürlich immer nur solange der Vorrat reicht, entweder im Rahmen der World Money Fair in Berlin oder während der Münchner Numismata erwerben. An beiden Münzenmessen ist die Swissmint anwesend. Für Schweizer ist die beste Möglichkeit zum Kauf vor Ort die Basler Münzenmesse am 9. Februar im Congress Center Basel.
Dann also: „Allez hopp, erste Farbmünze der Schweiz!“
Alle Münzen der Swissmint können Sie über deren Website bestellen.
Ein bisschen mehr Information über die eidgenössische Münzstätte finden Sie natürlich auch bei uns.
Einen ausführlichen Bericht über den historischen Hintergrund des Circus Knie finden Sie unter Circopedia.
Das Plakat von Herbert Leupin hat es zum „Brauchtum der Schweiz“ gebracht. Mehr darüber finden Sie auf dieser Webseite.
Die anderen Plakate dieses Jahres und wesentlich mehr seiner Werke finden Sie auf der Website von Herbert Leupin.
Eindrückliche Highlights aus der letztjährigen Vorstellung von Circus Knie sehen Sie hier.
Und wenn Ihnen das so Lust gemacht hat, dass Sie gerne selbst in den Circus Knie möchten, können Sie die Karten über Ticketcorner.ch kaufen.